Warum die alte Finanzfrage heute eine neue Antwort braucht
Die Entscheidung zwischen Mieten und Kaufen einer Immobilie galt lange als berechenbar. Doch diese einfache Rechnung funktioniert 2025 nicht mehr.
Die Entscheidung zwischen Mieten und Kaufen einer Immobilie galt lange als berechenbar. Doch diese einfache Rechnung funktioniert 2025 nicht mehr.
Die Entscheidung zwischen Mieten und Kaufen einer Immobilie galt lange als berechenbar: Wer sich die Anzahlung leisten konnte und langfristig plante, kaufte. Wer flexibel bleiben wollte oder das nötige Eigenkapital nicht aufbringen konnte, mietete. Doch diese einfache Rechnung funktioniert 2025 nicht mehr. Aktuelle Marktdaten zeigen, dass sich die Spielregeln fundamental geändert haben und beide Optionen neue Vor- und Nachteile mit sich bringen.
Deutschland entwickelt sich zu einem Land extremer Mietpreissteigerungen. Seit Anfang 2022 sind die Angebotsmieten deutschlandweit um 18,3 Prozent gestiegen. Diese Entwicklung trifft auf eine paradoxe Situation: Obwohl die Kaufpreise für Wohnimmobilien weitgehend stabil bleiben, steigen die Mieten weiter deutlich an.
Die Mietpreise für Wohnungen verzeichnen aktuell einen Anstieg von 2,94 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, während Häuser um 1,53 Prozent teurer geworden sind. Besonders dramatisch zeigt sich die Situation in Ballungsräumen: In München zahlen Mieter bei Neuvermietungen inzwischen Rekordpreise, die auch 2025 unverändert die höchsten Deutschlands darstellen.
Mehrere Faktoren treiben die Mietpreisentwicklung an. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie rechnet für 2025 mit der Fertigstellung von nur 150.000 bis 200.000 Wohnungen. Diese sinkenden Baufertigstellungen werden noch in den kommenden Jahren spürbare Auswirkungen auf das Mietangebot haben.
Gleichzeitig steigt die Nachfrage durch verschiedene demografische Entwicklungen. Die Einwanderung nach Deutschland trägt erheblich zur steigenden Nachfrage bei, besonders in wirtschaftlich starken Regionen. Zusätzlich führt die Verkleinerung der Haushaltsgrößen zu einem paradoxen Effekt: Selbst bei stagnierender Bevölkerungszahl steigt die Nachfrage nach Wohnraum, weil mehr separate Haushalte entstehen.
Auf der anderen Seite der Gleichung haben sich die Bedingungen für den Immobilienkauf deutlich gewandelt. Nach der Zinsspitze von 2023 zeichnet sich eine Trendwende ab. Die Europäische Zentralbank senkte die Leitzinsen mehrmals, wodurch der Hauptrefinanzierungssatz im Frühjahr 2025 bei rund 2,4 Prozent lag.
Die aktuellen Bauzinsen für zehnjährige Darlehen liegen derzeit bei circa 3,6 Prozent. Experten gehen davon aus, dass die Zinsen stabil bleiben dürften oder sogar noch etwas fallen könnten, sofern es keine größeren geopolitischen Verwerfungen gibt.
Die klassische Faustregel "Kaufen lohnt sich ab 10 Jahren Wohndauer" greift heute nicht mehr. Stattdessen müssen Interessenten eine komplexere Rechnung aufstellen:
Mietpreisentwicklung einkalkulieren: Bei jährlichen Mietsteigerungen von knapp 3 Prozent verdoppelt sich die Miete innerhalb von 24 Jahren. Was heute 1.000 Euro kostet, könnte 2050 bereits 2.000 Euro kosten.
Zinsstabilität nutzen: Die aktuell verfügbaren Zinsbindungen von 10, 15 oder sogar 20 Jahren bieten Planungssicherheit in unsicheren Zeiten. Wer heute eine Finanzierung abschließt, sichert sich gegen künftige Zinssteigerungen ab.
Regionale Unterschiede beachten: In München zahlen Käufer durchschnittlich 7.355 Euro pro Quadratmeter für Eigentumswohnungen, während Ein- und Zweifamilienhäuser aus dem Bestand im bundesweiten Schnitt 2.993 Euro pro Quadratmeter kosten.
Für Mieter wird es eng: Wer bisher bewusst gemietet hat, um flexibel zu bleiben, zahlt einen hohen Preis. Die Mietpreisentwicklung frisst einen immer größeren Teil des verfügbaren Einkommens auf. Besonders junge Haushalte, die eigentlich Eigenkapital aufbauen wollten, müssen feststellen, dass die steigenden Mieten ihre Sparmöglichkeiten drastisch reduzieren.
Käufer profitieren von der Zinswende: Wer über ausreichend Eigenkapital verfügt, findet heute wieder bezahlbare Finanzierungskonditionen. Die Kombination aus stabilen Immobilienpreisen und sinkenden Zinsen schafft ein Zeitfenster für den Immobilienkauf.
Die Sandwich-Generation steht unter Druck: Haushalte zwischen 35 und 50 Jahren erleben einen doppelten Kostendruck. Während ihre Mieten steigen, werden die Immobilienpreise für einen späteren Kauf nicht günstiger.
Experten sind sich einig: Die Immobilienpreise werden auch 2025 auf hohem Niveau bleiben und langfristig eher steigen. Im Umfeld hoher Mieten und weiter sinkender Zinsen ist es gut möglich, dass die Preise für Immobilien auch 2025 wieder steigen.
Kaufen ist sinnvoll, wenn:
• Sie mindestens 15-20% Eigenkapital besitzen,
• Ihr Nettoeinkommen die Finanzierungsrate um mindestens 30% übersteigt,
• Sie planen, mindestens 10 Jahre am Standort zu bleiben,
• Die monatliche Rate maximal 35% Ihres Nettoeinkommens beträgt,
• Sie zusätzliche Rücklagen für Reparaturen bilden können.
Wichtigste Kostenfaktoren beim Kauf:
• Kaufnebenkosten (8-12% des Kaufpreises)
• Monatliche Finanzierungsrate
• Jährliche Instandhaltungskosten (1-2% des Immobilienwerts)
• Hausgeld bei Eigentumswohnungen
• Grundsteuer und Versicherungen
Mieten bleibt sinnvoll, wenn:
• Berufliche Flexibilität wichtiger ist als Vermögensaufbau
• Das verfügbare Eigenkapital unter 15% des Kaufpreises liegt
• Eine Finanzierung das Budget um mehr als 40% belasten würde
• Der Standortwechsel in den nächsten 5-7 Jahren wahrscheinlich ist
Die alte Finanzfrage "Kaufen oder Mieten?" hat heute eine neue Antwort erhalten: In vielen Fällen ist Kaufen nicht nur finanziell sinnvoller geworden, sondern auch der einzige Weg, langfristig bezahlbares Wohnen zu sichern. Die Zeiten, in denen Mieten die günstigere Alternative war, gehören in weiten Teilen Deutschlands der Vergangenheit an.