Arbeitswelt muss familienfreundlicher werden
Viele Mütter wollen mehr arbeiten, doch das System blockiert sie. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas fordert endlich faire Bedingungen.
Viele Mütter wollen mehr arbeiten, doch das System blockiert sie. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas fordert endlich faire Bedingungen.
Neu-Bundeskanzler Friedrich Merz forderte erst neulich: Deutschland solle mehr arbeiten. Noch mehr Leistung, noch mehr Stunden - so lautet die Botschaft des Bundeskanzlers. Für viele Eltern - vor allem Mütter - klingt das wie blanker Hohn. Denn viele Frauen würden gern mehr arbeiten, können es schlichtweg aber nicht. Fehlende Betreuung, starre Arbeitszeiten und familienfeindliche Arbeitnehmer zwingen viele Mütter in Teilzeit, in finanzielle Abhängigkeit vom Partner - oder direkt in die Altersarmut.
Bärbel Bas fordert: Schluss mit der strukturellen Benachteiligung von Müttern
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) sieht genau hier den Handlungsbedarf. In einem Interview mit der Bild am Sonntag fordert sie bessere Bedingungen, damit Mütter nicht länger ausgebremst werden - und Deutschland tatsächlich mehr Arbeitsstunden leisten kann. „Die Arbeitgeber müssen die Arbeitswelt so gestalten, dass mehr Mütter in Vollzeit arbeiten können“, so Bas. Denn: „Jede zusätzliche Arbeitskraft und jede zusätzliche Arbeitsstunde bringt uns voran.“
Doch zwischen Anspruch und Realität klafft eine tiefe Lücke - vor allem wegen der katastrophalen Betreuungssituation und fehlender Anerkennung von Care-Arbeit.
Konkret fordert Bundesarbeitsministerin Bas:
Rund die Hälfte aller berufstätigen Frauen in Deutschland arbeitet in Teilzeit - häufig nicht freiwillig. Die sogenannte Teilzeitfalle trifft insbesondere Mütter: Wer einmal reduziert hat, kommt oft nicht mehr zurück. Nicht, weil der Wille fehlt, sondern weil Strukturen fehlen. Bärbel Bas benennt klar: „Es ist ungerecht, wenn Frauen in Teilzeit bleiben müssen, weil Kinderbetreuung fehlt und Arbeitsmodelle familienfeindlich sind.“
Mangelnde Kinderbetreuung als Dauerbaustelle
Tatsächlich fehlt es in vielen Regionen an verlässlicher, ganztägiger Kinderbetreuung. Zwar besteht seit Jahren ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz - aber was nützt der, wenn:
Auch das oft zitierte Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) schafft kaum kurzfristige Entlastung: Zwar soll ab dem Schuljahr 2026/2027 ein bundesweiter Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung für Grundschulkinder gelten - beginnend mit der ersten Klasse, stufenweise eingeführt bis zur vierten Klasse. Doch dieser Anspruch gilt nicht für Kindergartenkinder, bei denen die Betreuungslage besonders prekär ist.
Zudem garantiert das Gesetz keine flächendeckende Verfügbarkeit: Der Bedarf übersteigt schon jetzt die vorhandenen Plätze. Auch zum Start des Gesetzes ist nicht sicher, ob tatsächlich jedes Kind einen Platz bekommt. Die Realität bleibt also: Wer Kinder hat, muss Betreuung oft privat organisieren - oder beruflich kürzertreten.
Während Mütter Job, Haushalt, Kinderbetreuung und oft auch die Pflege älterer Angehöriger schultern, bleibt ihre Care-Arbeit unsichtbar und unbezahlt. Noch immer werden familiäre Pflichten fast automatisch den Frauen zugeschrieben - gesellschaftlich wie wirtschaftlich.
Laut der Zeitverwendungserhebung 2022 verbringen Frauen in Deutschland im Schnitt knapp 30 Stunden pro Woche mit unbezahlter Arbeit, Männer dagegen nur rund 21 Stunden. Das ergibt einen Gender-Care-Gap von 44,3 % - Tendenz steigend. Rechnet man bezahlte und unbezahlte Arbeit zusammen, arbeiten Frauen im Schnitt 46 Stunden pro Woche, Männer 44,5 Stunden.
Diese Zahlen machen deutlich: Care-Arbeit ist längst ein Vollzeitjob - nur ohne Lohn, ohne Anerkennung und ohne Rentenanspruch. Und genau das treibt viele Frauen in finanzielle Abhängigkeit oder Altersarmut.
Ohne Struktur kein Fortschritt
Die Forderung nach „mehr Müttern in Vollzeit“ klingt modern und sinnvoll - doch ohne tiefgreifende Reformen bleibt sie ein leerer Appell. Solange Betreuungslücken klaffen, Care-Arbeit unsichtbar bleibt und Teilzeit zur Sackgasse wird, ist von echter Gleichberechtigung keine Rede. Es braucht mehr als gute Worte - es braucht Strukturen, die Mütter wirklich tragen.