Zu Tränen gerührt - Murray verabschiedet sich von Wimbledon
Sein letztes Wimbledon: Die Tennis-Welt verneigt sich vor Andy Murray. Dieses Mal dürfte es tatsächlich ein Abschied für immer werden.
Sein letztes Wimbledon: Die Tennis-Welt verneigt sich vor Andy Murray. Dieses Mal dürfte es tatsächlich ein Abschied für immer werden.
Im bisher emotionalsten Moment dieser Wimbledon-Auflage war Andy Murray zu Tränen gerührt. Und verblüffte. Einer der prägendsten Spieler der jüngsten Tennis-Geschichte stand für seinen Abschied von Wimbledon auf der wohl bedeutendsten Bühne seiner Sportart. Und erzählte Anekdoten, die einem unangenehm sein könnten.
2016 sei der speziellste seiner drei Grand-Slam-Titel gewesen, sagte Murray. Diesen zweiten Triumph in Wimbledon habe er wirklich genossen. Aber: «Ich erinnere mich nicht mehr viel an diese Nacht», witzelte er: «Ich hatte ein paar Drinks und habe mich leider auf dem Weg nach Hause im Taxi übergeben.»
Murray plaudert über das erste Treffen mit seiner Frau
Auf den wichtigsten Tennis-Schauplätzen mag Murray für seine verbissene Art bekannt sein. Dafür, dass er kämpft und man ihn nie abschreiben darf. So schaffte er es auch immer wieder, nach all seinen Verletzungen zurückzukehren. Doch der 37 Jahre alte Schotte, aufgewachsen in Dunblane und vierfacher Familienvater, hat auch andere Seiten.
Die Taxi-Szene war nicht die einzige Geschichte, die er am Donnerstagabend zum Besten gab. In einer ergreifenden Zeremonie war ein Film mit Höhepunkten und Tiefpunkten seiner Karriere und Widmungen von Roger Federer, Novak Djokovic und Rafael Nadal auf der Videoleinwand gelaufen.
Aktuelle und ehemalige Tennis-Größen wie Djokovic, Martina Navratilova und John McEnroe kamen nach Murrays verlorenem Doppel mit Bruder Jamie Murray auf den Court.
Murray erinnerte sich auch daran, wie er mit 18 Jahren seine Frau kennenlernte. Sie seien in New York essen gewesen, er habe sie zu ihrem Hotel gebracht und dann nach ihrer E-Mail-Adresse gefragt. Er glaube nicht, dass das normal sei, wie er sich verhalten habe, meinte er verschmitzt.
Im ersten Match, das sie sich bei den US Open angeschaut habe, habe er sich zweimal übergeben. Einmal davor, wo sie gesessen habe. Einmal auf die Tasche seines Gegners: «Sie hat mich offenbar immer noch gemocht.»
Gefeiert wie ein aktueller Wimbledon-Champion
Dem 37-Jährigen, dessen Frau, zwei seiner vier Kinder und seine Mutter, die ihm Tennis beibrachte, auf der Tribüne dabei waren, dürfte die Zeremonie als besonderes Kapitel seiner Karriere wohl auf ewig in Erinnerung bleiben. Ähnlich wie ein Turniersieger zeigte sich die frühere Nummer eins der Welt später auf dem Balkon und ließ sich von den Fans feiern.
Eigentlich hatte Murray mit einem letzten Einzel-Auftritt in Wimbledon goodbye sagen wollen. Doch dafür war sein Körper nicht bereit. Ein Eingriff am Rücken, bei dem eine Zyste entfernt werden musste, bremste ihn kurz vor Wimbledon aus.
«Ich möchte für immer spielen. Ich liebe diesen Sport. Er hat mir so viel gegeben. Er hat mich so viele Lektionen über die Jahre gelehrt, die ich für den Rest meines Lebens nutzen kann. Ich will nicht aufhören», sagte Murray, der nach einer Operation seit Jahren mit einem Hüftgelenk aus Metall spielt.
Er verlasse den Sport aber auch im Frieden: «Ich bin bereit aufzuhören, weil ich nicht mehr auf dem Level, das ich mir wünsche, spielen kann.»
Er machte aus den Big Three die Big Four
Wimbledon ist der Ort seiner größten Triumphe. Hier beendete er 2013 nach 77 Jahren das Warten der Briten auf einen heimischen Sieger und gewann die Herzen der Briten. Der beste britische Tennisspieler der Nachkriegszeit wird nun als einer der wenigen gehen, der dem überragenden Trio Federer, Nadal und Djokovic in der goldenen Ära Titel abluchsen konnte.
«Die drei waren ja ganz okay», meinte Murray in seinem trockenen Humor über Federer, Djokovic und Nadal. «Es war nicht gerade das Leichteste, an ihnen vorbeizukommen.»
Mit seinem vor allem auf Defensive und Konter ausgerichteten Spiel mit viel Laufarbeit gewann Murray zweimal Wimbledon (2013 und 2016), zweimal Olympia-Gold (2012 und 2016) und einen Titel bei den US Open (2012).
«Solch eine Inspiration und ein Vorbild für alle! Was für eine Karriere und was für ein Vermächtnis», schrieb Carlos Alcaraz (21) auf X. Die Weltranglisten-Erste Iga Swiatek meinte: «Wir hätten uns keine bessere Unterstützung für das Frauentennis vorstellen können. Danke für alles, es war ein Privileg, mit dir heute Abend auf dem Centre Court zu stehen.»
Ein Abschied diesmal für immer?
Noch ist nicht ganz Schluss. Bei den Olympischen Spielen in Paris Ende Juli will Murray noch antreten, bevor er seine Karriere beendet. In Wimbledon wird er sich noch im Mixed an der Seite von Emma Raducanu präsentieren.
Zu dieser Abschiedsgeschichte gehört auch, dass es schon einmal nach dem Karriereende ausgesehen hatte. Ende Januar 2019 hatte der Schotte bei den Australian Open in Melbourne schluchzend davon gesprochen, wegen seiner körperlichen Leiden bald aufhören zu müssen.
Auch deswegen mutmaßte Alexander Zverev allerdings vor dem Doppel und der Zeremonie, dass man im nächsten Jahr wieder hier sitzen und über das nahende Karriereende Murrays sprechen würde. Diesmal aber dürfte es ein Abschied für immer werden.
Kristina Puck, dpa
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