Wie geht es im DFL-Investoren-Streit weiter?
Die anhaltenden Proteste gegen den Investoren-Einstieg zeigen erste Wirkung. Die Fanszenen wollen dran bleiben, einige Clubs für mehr Transparenz sorgen.
Die anhaltenden Proteste gegen den Investoren-Einstieg zeigen erste Wirkung. Die Fanszenen wollen dran bleiben, einige Clubs für mehr Transparenz sorgen.
Während in den Stadien wieder Tennisbälle als Protest gegen den Investoren-Einstieg bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) fliegen dürften, wird die Debatte über eine mögliche neue Abstimmung intensiv geführt.
Für eine prozentuale Beteiligung an den TV-Erlösen soll ein Finanzinvestor der DFL eine Milliarde Euro zahlen. Im Dezember hatten die 36 Proficlubs im Dezember dafür gestimmt. Doch seit Wochen protestieren Fans in den Stadien dagegen und sorgen für längere Spielunterbrechungen. Sie bemängeln fehlende Transparenz und fürchten die Konsequenzen eines Investoren-Einstiegs.
Wie positionieren sich die Vereine?
Der Präsident des VfB Stuttgart, Claus Vogt, hatte sich Mitte der Woche für eine erneute Abstimmung ausgesprochen. Das könne eine Maßnahme zur Befriedung der Fan-Proteste sein, sagte er dem Pay-TV-Sender Sky. Union Berlins Dirk Zingler unterstützte die Idee in der «Welt» ebenfalls: «Denn ohne sattelfeste Legitimation gibt es keine Akzeptanz.» Auch die Zweitligisten Hertha BSC und der Karlsruher SC zeigten sich offen für ein neues Votum. Der VfL Osnabrück bemängelte die mangelnde Transparenz bei der Abstimmung im Dezember.
Der Großteil der Clubs aber hat sich bislang nicht zu den Forderungen geäußert. Der Mainzer Sportvorstand Christian Heidel sagte über die Proteste, dass die Kritik einiger Fans angekommen sei. «Man sollte es irgendwann aber mal beenden, sonst hat das mit Fußball nicht mehr viel zu tun.» Eintracht Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann kritisierte in der Debatte eine «gewisse Scheinheiligkeit» bei den Anhängern. Der deutsche Fußball drohe, den Anschluss im europäischen Wettbewerb zu verlieren.
Könnte es überhaupt eine neue Abstimmung geben?
Nach Einschätzung des Sportrechtlers Paul Lambertz ist das möglich. «Vom Grundsatz her könnten sie noch mal eine Abstimmung machen. Es braucht dafür eine Mitgliederversammlung», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Eine außerordentliche Mitgliederversammlung könnte etwa das DFL-Präsidium aus wichtigem Grunde einberufen, «oder es gibt ein Minderheitenbegehren, wenn zehn Mitglieder der DFL das verlangen», so der Sportrechtler. Er sagte jedoch auch: «Der Beschluss ist meines Erachtens rechtmäßig zustande gekommen.»
Warum ist die Abstimmung aus dem Dezember umstritten?
Beim geheimen Votum der 36 Proficlubs für den Deal gab es genau die 24 Ja-Stimmen, die für eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig waren. Zwölf Clubvertreter bekundeten später öffentlich, mit Nein gestimmt oder sich enthalten zu haben. Sollten dabei alle die Wahrheit gesagt haben, hätte der Profifußball-Geschäftsführer Martin Kind für Hannover 96 mit Ja votiert, obwohl ihn die Führung des Muttervereins Hannover 96 e.V. angewiesen hatte, gegen den Antrag zu stimmen.
In diesem Fall hätte Kind dem umstrittenen Antrag zu einer Mehrheit verholfen und auch gegen die 50+1-Regel im deutschen Profifußball verstoßen. Der Unternehmer selbst verweist auf die geheime Abstimmung und äußert sich nicht zu seiner Stimmabgabe.
Wie reagiert die DFL auf die Proteste?
Der Liga-Verband lud am Donnerstag Vertreter der Fanszenen zu Gesprächen ein. «Einhergehend mit dem Recht der Mitsprache müssen wir uns alle der Verantwortung stellen, sich intensiv auch mit kritischen Themen auseinanderzusetzen», hieß es in einem Statement, allerdings auch: «Nicht jeder Austausch kann garantieren, dass alle Gesprächspartner im Anschluss einer Meinung sind.» Bereits im November gab es laut DFL einen solchen Austausch zwischen der Geschäftsführung und Fan-Vertretern.
Die DFL versuchte in der Mitteilung, Bedenken der Fanszenen zu entkräften. «Es gibt keinen "Ausverkauf", keinen Kontrollverlust und keinen Abschied von 50+1 – und daher auch keinen Anlass für Horrorszenarien.» Zu Forderungen aus einigen Clubs nach einer neuen Abstimmung äußerte sich der Liga-Verband nicht.
Warum lehnen die Fan-Vertreter das Angebot ab?
Sie sehen in dem Gesprächsangebot keine echte Chance auf ein Entgegenkommen der DFL. «Das jetzige Dialog-Angebot ist kein Umdenken. Es ist ein Feigenblatt. Denn es enthält kein Angebot für Verhandlungen», teilten verschiedene Fan-Organisationen in einem gemeinsamen Statement mit.
Dazu sieht die Fan-Seite erste Wirkung der Proteste durch das Umdenken bei einigen Clubs. «Wir – alle bundesweiten Fanorganisationen – fordern die DFL-Führung auf, endlich die Proteste in den deutschen Stadien ernst zu nehmen und in daraus folgender Konsequenz umgehend eine offene und damit transparente Neuabstimmung zum DFL-Investoren-Deal einzuleiten», hieß es.
Hans-Joachim Watzke, Aufsichtsratsvorsitzender der DFL, reagierte mit Bedauern auf die Absage. Er verwies auf die Schritte, die der Liga-Verband bereits unternommen habe: «Die Kritik von Vereinsvertretern und Fanbündnissen wurde in der Vergangenheit nicht ignoriert, der Abstimmungsinhalt im Dezember unterscheidet sich elementar von dem im Mai, viele Kritikpunkte wurden berücksichtigt und die Clubs umfangreich informiert.»
Was ist am Wochenende in den Stadien zu erwarten?
Die Aktionen werden weitergehen. Ein erster Spielabbruch erscheint möglich. «Ein weiteres Aussitzen der Proteste ist keine Option. Je länger die Proteste ignoriert werden, desto geschlossener werden wir für eine Neu-Abstimmung einstehen», stand in der Mitteilung der Fan-Vertreter.
Auch ein Fan-Vertreter von Hannover 96 kündigte an, die Proteste fortzusetzen und möglicherweise auch einen Spielabbruch in Kauf zu nehmen. Man habe sich «für diese Form des Protests entschieden. Und solange der Investoren-Einstieg nicht vom Tisch ist, werden wir weitermachen», er der «Neuen Presse».
David Langenbein und Sebastian Stiekel, dpa
© dpa-infocom, dpa:240209-99-929287/4
Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten