Wie ärgert man den großen FC Bayern München? Das wusste im deutschen Fußball kaum jemand besser als Willi Lemke.
Als er 1981 Manager von Werder Bremen wurde, war der Club gerade in die Fußball-Bundesliga zurückgekehrt. Als er aber 1999 weiterzog, um in der großen Politik noch eine Karriere als Bremer Bildungssenator und als Sonderberater des UN-Generalsekretärs zu machen, da hatten Lemke und der legendäre Trainer Otto Rehhagel zusammen mit Werder gewonnen: zwei deutsche Meisterschaften (1988, 1993). Den Europapokal der Pokalsieger (1992). Sowie zwei DFB-Pokale (1991, 1994). Und das immer begleitet von einer langen Privatfehde zwischen Willi Lemke und seinem Bayern-Kollegen Uli Hoeneß.
Mit Lemke ist nun einer der erfolgreichsten, meinungsstärksten und auch schlitzohrigsten Manager der Bundesliga-Geschichte gestorben. Im Alter von 77 Jahren erlag er bereits am Montag den Folgen einer Hirnblutung, teilte seine Familie am Dienstag mit. Und löste damit nicht nur im Fußball-Geschäft große Bestürzung aus.
Uli Hoeneß trauert um Lemke
«Die Nachricht vom Tod von Willi Lemke hat mich traurig gemacht», sagte selbst sein alter Rivale Hoeneß. «Willi Lemke war ein Mann der Kontroverse. Jeder weiß, dass wir oft diskutiert und gestritten haben. Aber er war auch ein Mann des Dialogs, und letztlich haben wir zu einem guten Verhältnis gefunden.»
Werders aktueller Geschäftsführer Klaus Filbry meinte: Lemkes «überraschender und viel zu früher Tod lässt den SV Werder für eine Zeit stillstehen.» Und auch der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte würdigte seinen Parteifreund Lemke als das, was er war: ein Allround-Talent.
Von 1999 bis 2008 war der SPD-Politiker in Bremen zunächst Senator für Bildung und Wissenschaft und dann für Inneres und Sport. Anschließend berief ihn der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon für acht Jahre zum Sonderberater für Sport im Dienste von Frieden und Entwicklung.
«Bei all seinen politischen Anliegen versuchte er stets zu vermitteln, dass sowohl Politik als auch Wirtschaft von sportlichen Tugenden wie Teamgeist, Willensstärke und Überzeugung nur profitieren können», sagte Bovenschulte über Lemke.
Seine Überzeugungskraft brachte Lemke bei Werder im Übermaß ein. Gemeinsam mit Rehhagel holte er Spieler wie Rudi Völler («Die Nachricht von Willi Lemkes Tod macht mich tieftraurig») oder Karl-Heinz Riedle nach Bremen. Die wurden später Weltmeister, entwickelten sich aber erst bei Werder zu wirklichen Topspielern.
Dass in derselben Ära auch immer wieder Altstars wie Klaus Allofs oder Manfred Burgsmüller in Bremen neu aufblühten, zeigte: Werder war in den 80er- und zu Beginn der 90er-Jahre häufig cleverer, findiger und zeitweise auch beliebter als der große FC Bayern.
So war Lemke im März 1989 auch der erste Manager, der ein Bundesliga-Heimspiel komplett an einen Sponsor verkaufte. Statt weniger als 20.000 kamen gegen den Abstiegskandidaten Waldhof Mannheim wegen der günstigen Eintrittspreise auf einmal mehr als 37.000 Zuschauer - und Lemke war seiner Zeit wieder einmal voraus.
Große Rivalität mit Hoeneß
Geschickt inszenierte er sich als kleiner sozialdemokratischer Gegenspieler des großkopferten Uli Hoeneß. Und bis auf Christoph Daum in etwa der derselben Zeit hat den langjährigen Bayern-Patron in der Geschichte der Bundesliga wohl nie jemand so getriezt wie Lemke.
«Dem Lemke würde ich heute noch nichtmal die Hand geben», polterte Hoeneß noch Jahre nach dem Abschied des Werder-Managers in die Politik. Lemke wiederum sagte mal in einem Interview, das in dem großen Werder-Buch «Das W auf dem Trikot...» erschien: «Uli Hoeneß glaubt, mit Geld und Macht, Leute niederbügeln zu können.» Deshalb habe er «von mir immer volles Rohr Gegenwind gekriegt, und das ist er nicht gewöhnt».
Zur Wahrheit gehört aber auch: Genau wie Daum hat sich Lemke in seinen letzten Lebensjahren längst mit Hoeneß ausgesöhnt. Während er und Rehhagel sich trotz aller großen gemeinsamen Erfolge persönlich nie mochten.
Das alles beiseitegeschoben zu haben und nie zum großen Thema werden zu lassen, war damals ein Teil des Bremer Erfolgsmodells. Und als Lemke für insgesamt 17 Jahre in den Aufsichtsrat von Werder wechselte von 2005 bis 2014 sogar dessen Vorsitzender war, hatten mit dem Trainer Thomas Schaaf und dem Sportdirektor Klaus Allofs längst zwei ehemalige Spieler der Lemke/Rehhagel-Ära die sportliche Leitung übernommen und den Club ganz im Sinne der beiden Vorbilder weitergeführt.
«Willi Lemke war eine der prägenden Manager-Figuren der Bundesliga», schrieb Hans-Joachim Watzke nach dessen Tod. Als Herausforderer des FC Bayern ist der langjährige Boss von Borussia Dortmund und Sprecher des DFL-Präsidiums auch so etwas wie ein Lemke-Erbe.
Sebastian Stiekel, dpa
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