Dass ein Deutscher der bestbezahlte Profi der Welt sein würde, galt zumindest im Eishockey über mehrere Jahrzehnte als nahezu ausgeschlossen. Genau das hat Deutschlands Topstar Leon Draisaitl mit seinem neuen NHL-Mega-Vertrag bei den Edmonton Oilers nun aber erreicht. 112 Millionen Dollar - 14 Millionen pro Jahr - bekommt der 28 Jahre alte Ausnahmestürmer vom kommenden Jahr an für weitere acht Jahre. Der bislang beste deutsche Eishockeyspieler überhaupt wird dann 37 Jahre alt sein.
«Es ist jetzt an mir, davon etwas zurückzugeben», sagte Draisaitl nach der Bekanntgabe des zumindest für NHL-Verhältnisse bemerkenswerten Deals am Dienstag (Ortszeit). Der Sohn des früheren Nationalstürmers Peter Draisaitl war - recht untypisch für einen Kölner - nie ein Mann großer Sprüche und wird dies wohl auch nie mehr werden. Der skandalfreie Draisaitl ist mit unfassbarem Talent gesegnet, arbeitet aber in der Sommerpause Jahr für Jahr lieber hart an seinen Fähigkeiten als seine Popularität in Deutschland zu steigern. Denn hierzulande läuft er zumindest in der Öffentlichkeit nach wie vor etwas unter dem Radar.
Superstar-Status in Nordamerika wesentlich größer
Auch wenn er 2020 als erst zweiter Mannschaftssportler überhaupt nach Basketball-Ikone Dirk Nowitzki zu Deutschlands Sportler des Jahres gewählt worden war, ist sein Superstar-Status in Nordamerika wesentlich größer. Damals waren Draisaitls Ausnahmeleistungen auch in Deutschland nicht mehr untergegangen. Vor vier Jahren wurde er bester Scorer der Liga und sowohl zum wertvollsten als auch besten Spieler der Liga und damit der Welt gekürt.
«Es gibt kaum einen Spieler auf der Welt, der Eishockey so spielen kann wie er», begründete Oilers-Generalmanager Stan Bowman den Vertrag. Der mit der kanadischen Schauspielerin Celeste Desjardins verlobte Draisaitl ist Dauergast bei den NHL-All-Star-Games, liefert Jahr für Jahr mehr als 100 Scorerpunkte ab und schoss bereits dreimal mehr als 50 Tore pro Saison für die Oilers. Wie bei Nowitzki seinerzeit in der NBA würde aber wohl nur der ersehnte NHL-Titel Draisaitl auch in Deutschland auf eine andere Ebene heben.
In diesem Jahr waren die Oilers kurz davor, verloren die Finalserie um den Stanley Cup gegen Florida aber knapp mit 3:4 - auch weil Draisaitl sich in der entscheidenden Playoffphase verletzte. «Wir haben offensichtlich den Job noch nicht vollendet», sagte Draisaitl. Er verfolge mit dem Team das «ultimative Ziel, und wir wissen alle, was das ist». In der kommenden Saison greift das Team wieder an. Erst danach startet Draisaitls neuer Vertrag. Und der könnte das Unterfangen in den acht folgenden Jahren erschweren.
Salary Cap als Problem auf dem ersehnten Weg zum Stanley-Cup?
Denn in der NHL gibt es eine Obergrenze für Gehälter (Salary Cap), die jedes Team jährlich nicht überschreiten darf. Und bei den Oilers gibt es einen noch größeren Star: Kapitän Connor McDavid, der gemeinhin als aktuell bester Spieler der Welt gilt. Der Draisaitl-Kumpel soll im kommenden Jahr verlängern und wird den Deutschen ziemlich sicher dann wieder als Topverdiener weltweit ablösen. Dadurch steht für den restlichen Kader theoretisch weniger Geld zur Verfügung. Doch Befürchtungen, dass das Team dadurch signifikant schlechter wird, weil weitere Leistungsträger abgegeben werden müssen, werden sich wohl nicht bewahrheiten. Tatsächlich steigt das sogenannte Salary Cap aktuell jährlich.
Da dies an die jährlichen Einnahmen der Liga gekoppelt ist und die NHL dank des gefallenen Wettverbotes und boomender neuer Standorte in Las Vegas und Seattle floriert, geht man von deutlichen Steigerungen in den kommenden Jahren aus.
Beim Gehalt hinken die Eishockey-Stars inzwischen deutlich hinterher
Dennoch ist die 2005 eingeführte Gehaltsgrenze in der Liga auch ein Grund dafür, warum die Unterschiede beim Gehalt zwischen den Topstars und Spielern der zweiten und dritten Reihe nicht so riesig sind wie in anderen Sportarten. Die Zeiten, in denen auch gute deutsche Spieler in der NHL jahrelang mehr Geld verdienten als deutsche Fußball-Topstars sind angesichts explodierender Einnahmen in der englischen Premier League oder der europäischen Champions League vorbei.
Auch in den anderen US-Profiligen sind die Gagen für die absoluten Topstars deutlich höher. Bestbezahlter Sportler der Welt etwa ist ein Baseballer: Der Japaner Shohei Ohtani verdient bei den Los Angeles Dodgers unfassbare 700 Millionen Dollar über zehn Jahre. Und in der NBA verdienen auch Basketball-Sternchen deutlich mehr als Draisaitl. Der deutsche Nationalspieler Franz Wagner - dessen sportlicher Wert kaum mit dem von Draisaitl vergleichbar ist - kassiert in Orlando mal eben 40 Millionen Dollar jährlich.
Die Unterschiede zwischen NHL und NBA haben allerdings auch zwei weitere Gründe: Die NBA lässt sich weltweit deutlich besser vermarkten als die Sportart Eishockey, von der auf dem Globus aus natürlichen Gründen große Teile aktiv ausgeschlossen sind. Zum anderen muss das dadurch mehr eingenommene Geld auf deutlich weniger Spieler verteilt werden. Ein Basketball-Kader umfasst in etwa halb so viele Spieler wie ein Eishockey-Kader.
Von Carsten Lappe, dpa
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