Thomas Müller beendet seine Karriere in der Fußball-Nationalmannschaft.
Daniel Karmann/dpa
Thomas Müller beendet seine Karriere in der Fußball-Nationalmannschaft.
Nationalmannschaft

Unikat sagt «Servus»: Müllers DFB-Abschied mit WM-Wunsch

Thomas Müller verabschiedet sich mit einem pathetischen Internetvideo und einer Bitte für 2026 aus der Nationalmannschaft. Der Rio-Champion wählt für seine Rücktrittserklärung einen besonderen Ort.

Thomas Müller zeigte mit dem Finger in die Kamera, drehte sich herum und ging. «Servus. Man sieht sich», lauteten seine letzten Worte in seinem Abschiedsvideo. Im Hintergrund begleiteten ihn gefühlvolle Klänge von Klavier und Geige. Für noch mehr Pathos hätte der 34-Jährige einem Sonnenuntergang entgegenreiten müssen. Das hätte zu seinem Humor durchaus gepasst. Pferde sind ja auch sein großes Hobby, neben dem Beruf als Fußballer.

Doch der Internet-Film, 106 Sekunden lang, wurde am helllichten Tag gedreht, und zwar an einem Ort, der für den Ex-Weltmeister und Bayern-Star eine große Bedeutung hat. «Hier in Pähl auf dem Sportplatz hat alles begonnen, meine riesige Begeisterung für den Fußball», erzählte Müller von den Anfängen seiner einzigartigen Karriere.

Dort in Pähl zwischen Ammersee und Starnberger See, wo Bayern nicht idyllischer sein kann, verkündete der Gute-Laune-Fußballer, der mit seiner lockeren Art fast eineinhalb Jahrzehnte ein prägendes Gesicht der Nationalmannschaft war, nun auch offiziell das Ende seiner DFB-Laufbahn. «Nach 131 Länderspielen und 45 Toren sage ich dem Bundesadler heute Servus», sagte Müller in dem Video. 

Das verlorene EM-Viertelfinale gegen Spanien, dieses schmerzhafte 1:2 nach Verlängerung in Stuttgart, war das letzte Länderspiel von Müller. Diese Nachricht kam einen Tag nach dem Endspiel des Heimturniers mit dem Triumph des ewigen Rivalen Spanien gegen England (2:1) nicht mehr überraschend. 

Die «Bild»-Zeitung hatte es in der Vorwoche schon als Fakt vermeldet. Er selbst hatte es angedeutet. «Es kann schon sein, dass es das letzte Länderspiel war. Vielleicht werden der Trainer und ich feststellen, dass es sinnvoller ist», hatte der 34-Jährige gleich nach dem Aus gesagt. 

Noch ein Finale dahoam?

Künftig heißt es für ihn nur noch FC Bayern. Der Vertrag bei seinem Heimat- und Herzensverein läuft noch ein Jahr. Ziele gibt es für einen wie Müller immer. Am 31. Mai 2025 findet das Finale der Champions League in München statt. 

«Danke für alles, was du für das deutsche Trikot getan hast. Deutschland kann stolz auf dich sein! PS: Im Bayern-Trikot geht es hoffentlich noch die eine oder andere Saison erfolgreich weiter», schrieb der einstige Teamkollege Bastian Schweinsteiger auf der Plattform X. 

Julian Nagelsmann pries seinen «Connector» nach dem Rücktritt. «Er hat unser EM-Team nicht nur mit seinen sportlichen Qualitäten bereichert, sondern auch als Anführer, als Vorbild, als Identifikationsfigur. Ich habe Thomas als einen sehr intelligenten Spieler erlebt – fußballerisch, emotional und ganz grundsätzlich», sagte der Bundestrainer. 

Er hatte es Müller überlassen, das Unausweichliche selbst zu verkünden. Die Spieler seien in der Frage «im Lead», hatte der Bundestrainer gesagt. Neben Müller meinte er noch Manuel Neuer. Die Entscheidung des Rekordtorwarts steht zwar noch aus. 

Wenn es am 7. September gegen Ungarn und drei Tage später in den Niederlanden für die Nationalmannschaft den Neustart in der Nations League gibt, wird Neuer aber sicher wie Müller und Toni Kroos, der sein komplettes Karriereende vor der EM verkündet hatte, auch nicht mehr dabei sein. Kein WM-Sieger von 2014 mehr im DFB-Team - eine Zäsur. 

«Es hat mich immer sehr stolz gemacht, für mein Land aufzulaufen. Wir haben gemeinsam gefeiert und manchmal auch gemeinsam eine Träne verdrückt», sagte Müller. «Manchmal am Boden zerstört, um dann wieder aufzustehen. Im Wettkampf gegen die besten Spieler der Welt, an der Seite von fantastischen Mitspielern, mit denen ich unendlich viele unvergessliche Momente erlebt habe», umschrieb er seine DFB-Karriere. 

Daumen drücken für 2026 

Müller richtete den Blick in neuer Rolle schon nach vorn. Mit einem für ihn typischen Fan-Appell. «Nehmt die Begeisterung und Freude der diesjährigen Euro mit und drückt dem Team auf dem Weg zur WM 2026 ganz fest die Daumen. Das mache ich auch. Jetzt als Fan auf der Tribüne und nicht mehr als Spieler auf dem grünen Rasen», sagte er, die Deutschland-Fahne über der Schulter, schwarz-rot-goldene Herzen als grafische Elemente und natürlich im DFB-Trikot mit seiner Nummer 13. 

Müller war immer auch ein Fan. Und ein Fan-Liebling. Diese Rolle passte zu ihm. Schlagfertig, unorthodox. Auf und neben dem Platz. «Keiner ist wie Thomas Müller. Seinen Wert für den deutschen Fußball kann man gar nicht hoch genug einschätzen», sagte DFB-Sportdirektor Rudi Völler. 

Sein Debüt 2010 war schon von der ewigen Anekdote gewürzt, dass ihn Diego Maradona für einen Balljungen hielt, und dieser vermeintliche Balljunge Argentiniens Fußball-Ikone wenige Monate später bei der WM in Südafrika im Viertelfinale aus dem Turnier schoss. 

Müller spielte seit jenem Beginn im März 2010 bei dem WM-Test gegen Argentinien (0:1) 131 Mal für Deutschland. Häufiger kamen für die DFB-Elf nur Rekordhalter Lothar Matthäus (150) und Miroslav Klose (137) zum Einsatz. 45 Tore bedeuten Platz sieben im DFB-Ranking, gemeinsam mit Karl-Heinz Rummenigge und knapp hinter Rudi Völler und Jürgen Klinsmann (je 47 Tore). Kurioserweise null EM-Tore, aber zehn WM-Tore schoss er, fünf davon auf dem Weg zum Titel im Maracanã 2014. Häufiger trafen bei Weltmeisterschaften nur Klose (16), Gerd Müller (13) und Klinsmann (11) für Deutschland.

Zwangspause und Comebacks

Wer weiß, wo Müller in all diesen Statistiken geführt werden würde, wenn die Zwangsauszeiten nicht gewesen wären. Im März 2019 erklärte der damalige Bundestrainer Joachim Löw den Verzicht. Aussortiert zusammen mit den anderen Rio-Champions Mats Hummels und Jérôme Boateng - eine damals heiß diskutierte Entscheidung. Doch Müller kam wieder. Zur EM 2021 war er wieder da, wenn auch ohne Fortune. Im Achtelfinale gegen England (0:2) vergab er die große Ausgleichschance. 

Es folgte die nächste Pause und das nächste Comeback unter Bundestrainer Hansi Flick, das letztlich mit der WM-Enttäuschung 2022 in Katar endete. Da schien schon endgültig Schluss zu sein. «Es war ein enormer Genuss, liebe Leute. Vielen Dank. Wir haben unglaubliche Momente miteinander gehabt. Ich hab' in jedem Spiel versucht, mein Herz auf dem Platz zu lassen», sagte Mülller damals im TV. Das wurde als Rücktrittsankündigung interpretiert. Er habe alles «mit Liebe getan», versicherte Müller in der Wüste von Al-Bayt.

Der Sportplatz in Pähl war nun sicherlich der bessere Ort für den Abschied - auch ohne Pferd und Sonnenuntergang.

Arne Richter, Klaus Bergmann, Christian Kunz und Christoph Lother, dpa
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