Türkei feiert: EM-Aus für Rangnick und Österreich
Der schnellste Tor einer EM-K.-o.-Runde schockt Österreich. Ausgerechnet in Leipzig, wo Austria-Coach Rangnick so große Erfolge feierte, kommt das jähe EM-Ende. Und Sieger Türkei darf feiern.
Der schnellste Tor einer EM-K.-o.-Runde schockt Österreich. Ausgerechnet in Leipzig, wo Austria-Coach Rangnick so große Erfolge feierte, kommt das jähe EM-Ende. Und Sieger Türkei darf feiern.
Tief enttäuscht und völlig durchnässt schlich Ralf Rangnick nach dem Ende aller EM-Träume zu seiner Trainerbank. Österreichs deutscher Chefcoach setzte sich nur langsam hin und nahm seine Kappe ab, während sich im anderen Teil des Stadions das komplette Gegenteil abspielte: Die siegreichen Türken tanzten vor ihrer roten Fan-Kurve und stimmten mit lautem Gesang ihre kaum erwartete Triumph-Party an.
2:1 (1:0) siegte der Außenseiter in einem mitreißenden EM-Achtelfinale. Das schnellste K.-o.-Runden-Tor bei einer Fußball-Europameisterschaft und wie entfesselt spielende Türken haben alle Träume von Geheimfavorit Österreich zerstört und auch Rangnicks Rückkehr nach Leipzig zum Abend der großen Enttäuschung gemacht.
Eingeleitet wurde diese Überraschung durch den Führungstreffer von Doppeltorschütze Merih Demiral nach nur 57 Sekunden. «Wir sind super glücklich. Es war ein wunderbarer Sieg», sagte der türkische Torwart Mert Günok. «Und ich glaube: Unser Weg hier ist noch ziemlich lang. Wir glauben daran, dass wir ihn bis zum Ende bestreiten können.»
Um den Einzug ins EM-Halbfinale spielen die Türken nun am Samstag in Berlin gegen die Niederländer, die zuvor Rumänien mit 3:0 geschlagen hatten. Die Türkei steht erstmals seit 2008 wieder im Viertelfinale einer EM - damals war in der Vorschlussrunde gegen Deutschland Schluss.
Für Rangnick und sein Team wurde dagegen nichts aus dem erstmaligen Viertelfinal-Einzug bei einem EM-Endrundenturnier. Nach einem weiteren Treffer von Demiral (59.) nutzte den mit Bundesliga-Profis gespickten Österreichern auch der Anschlusstreffer von Freiburgs Michael Gregoritsch (66.) sowie eine große Schluss-Offensive nichts mehr.
Fast-Heimspiel für die Türkei
Rangnicks Hoffnung auf ein bisschen Heimspielstimmung bei seiner Rückkehr nach Leipzig war schnell dahin: Zwar trugen fast alle Fans rot - aber die Mehrheit der 38.305 Zuschauer waren türkische Anhänger. Sie waren laut und wurden nach nicht mal einer Minute noch viel lauter, als der Ball vor der Kurve der türkischen Fans im Netz des österreichischen Tores zappelte.
Nach einer Ecke von der linken Seite klärte Leipzigs Christoph Baumgartner noch vor der Linie, der Ball sprang aber gegen Mitspieler Stefan Posch, Torwart Patrick Pentz rettete direkt vor die Füße von Demiral. Der Profi aus der saudi-arabischen Liga zögerte nicht und sorgte für die erste Stimmungsexplosion.
Türkei-Teenager Güler peitscht die Fans an
An der Seitenlinie musste Rangnick das erstmal verdauen. Schnelle Tore sind eigentlich die Spezialität seiner Mannschaft. Nur kurz vor dem Gegentor war Borussia Dortmunds ehemaliger RB-Profi Marcel Sabitzer aber nach einem Baumgartner-Zuspiel nicht an den Ball gekommen.
Ein heißes Spiel hatten Rangnick und seine Spieler erwartet, nachdem sie im März ein Testmatch gegen die Türkei noch 6:1 gewonnen hatten. Und Österreich, das sich als Gruppenerster vor Frankreich, den Niederlanden und Polen für das Achtelfinale qualifiziert hatte, bekam es auch. Teenager-Star Arda Güler von Real Madrid peitschte die türkischen Fans an und sorgte mit seinen Ecken immer wieder für Gefahr.
Österreich-Chancen Mangelware
Das Spiel musste aber die Pressing-Maschine von Rangnick machen. Die beste Chance zum Ausgleich hatte Baumgartner, der zuletzt sechs Tore in acht Spielen erzielt hatte. Der RB-Profi scheiterte mit einem Distanzschuss (2.).
Die Türken konnten das machen, was eigentlich Österreichs Stärke ist: Kontern. Und dabei blieben sie gefährlich. Richtig gute Szenen der Mannschaft von Rangnick, der einst in Leipzig den rasanten Vormarsch von RB von 2012 bis 2019 maßgeblich mitgestaltet hatte, blieben bis zur Pause Mangelware.
Der große Abend von Demiral
Dass sich das ändern musste, war klar. Die Österreicher drängten nach dem Seitenwechsel, und zwar gehörig. Die beste Gelegenheit vergab Kapitän Marko Arnautović (51.) freistehend.
Und dann das: Erneut Ecke, wieder getreten von Güler. Und erneut war es Demiral, der traf. Flankiert von zwei Österreichern, die nicht hoch genug sprangen, köpfte er den Ball ein.
War's das? Nein, denn Österreich berappelte sich und verkürzte durch den eingewechselten Gregoritsch. Gegen die pfeifende türkische Fankurve anspielend, blieben alle weiteren Angriffsbemühungen trotz Dauerdrucks in der Schlussphase ohne Erfolg. Baumgartner vergab die Großchance in der fünften Minute der Nachspielzeit. Und Rangnick sah das Aus seiner Mannschaft wie versteinert im Dauerregen von der Seitenlinie.
Von Jens Marx, Florian Lütticke und Miriam Schmidt, dpa
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