Die deutschen Handballer um Bundestrainer Alfred Gislason möchten bei der ersten Heim-EM eine Medaille gewinnen.
Frank Molter/dpa
Die deutschen Handballer um Bundestrainer Alfred Gislason möchten bei der ersten Heim-EM eine Medaille gewinnen.
Handball-Europameisterschaft

Traum und Vision: Handballer fiebern Heim-EM entgegen

Die deutschen Handballer möchten bei der ersten Heim-EM eine Medaille gewinnen und Werbung für ihre Sportart machen. Die Vorfreude auf das Mega-Event ist bei Spielern und Funktionären riesig.

Die Handball-Festwochen in Deutschland sollen für die DHB-Auswahl bei der Heim-EM möglichst erst am 28. Januar mit dem Gewinn einer Medaille enden und dem Verband wichtige Impulse für die Zukunft geben.

«Wir wollen sportlich erfolgreich sein, für unsere Sportart werben und Handball gesellschaftlich relevanter machen», verkündete DHB-Vorstandschef Mark Schober als Ziele für die beginnende Endrunde. «Unser Traum ist es, das Halbfinale zu erreichen. Zudem möchten wir gute Gastgeber sein, für die teilnehmenden Mannschaften und die Zuschauer.»

Nach dem bestandenen Härtetest mit zwei Siegen gegen Portugal brennt die deutsche Mannschaft auf den EM-Start gegen die Schweiz am Mittwoch in Düsseldorf vor der Weltrekordkulisse von 53.000 Fans. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich angesagt.

Angesichts der starken Konkurrenz fordert Bundestrainer Alfred Gislason zwei Punkte zum Auftakt. «Wir müssen gut in das Turnier hineinkommen und uns dann von Spiel zu Spiel steigern. Bei der EM darfst du vielleicht ein Spiel verlieren. Bei einer zweiten Niederlage wird es kaum noch möglich sein, ins Halbfinale zu kommen», sagte der 64 Jahre alte Isländer.

Fünf EM-Neulinge im dezimierten Kader

Mit nur noch 17 Spielern geht Gislason die Medaillen-Mission an, nachdem Rechtsaußen Patrick Groetzki und Rückraumspieler Marian Michalczik ihre EM-Teilnahme aus Verletzungsgründen kurzfristig absagen mussten. Gislason sieht dem Mega-Event dennoch voller Vorfreude entgegen. «Das wird ein Spektakel. Wir wollen alle etwas erreichen», sagte der Bundestrainer und fügte hinzu: «Wir haben eine sehr, sehr gute Mannschaft, die weit kommen kann - auch wenn die Erfahrung nicht ganz so da ist wie bei anderen Nationen.»

Für den Großteil der Mannschaft, die sich im Umbruch befindet, ist ein Turnier vor heimischer Kulisse Neuland. Aus dem Kader der Heim-WM 2019 ist nur noch ein Trio übrig geblieben: Torwart Andreas Wolff, Rückraumspieler Kai Häfner und Kreisläufer Jannik Kohlbacher. Mit den U21-Weltmeistern David Späth, Renars Uscins, Nils Lichtlein und Justus Fischer sowie dem auch erst 22 Jahre alten Martin Hanne stehen dagegen gleich fünf EM-Neulinge im Aufgebot.

Dennoch sind die Erwartungen hoch - sowohl intern als auch im Umfeld. «Das Ziel ist ganz klar, Europameister zu werden. Wer antritt und nicht Europameister werden möchte, hat seinen Beruf verfehlt», sagte Torwart-Routinier Wolff gewohnt forsch. Und Regisseur Juri Knorr, der trotz seiner erst 23 Jahre bereits zu den wichtigsten Säulen im Team gehört, bekräftigte: «Wir haben vielleicht nicht die Superstars, die andere Mannschaften haben und uns fehlt vielleicht auch die Erfahrung. Aber wir haben Qualität.» Die gelte es, als Mannschaft auf die Platte zu bringen.

Zuschauer sind wichtiger Faktor

Hinzu kommt der Heimvorteil. Die Fans sollen das DHB-Team durch die Endrunde tragen und beim Griff nach dem ersten Edelmetall bei einem Großereignis seit Olympia-Bronze 2016 in Rio beflügeln. «Es ist etwas Großes für jeden, der dabei sein kann. Als Spieler erlebt man das nicht so oft. Ich bin sicher, dass sie alles geben und gleichzeitig auch die Atmosphäre genießen werden», sagte Gislason.

Schon vor dem ersten Anpfiff verspüren seine Schützlinge, von denen jeder im Falle des Titelgewinns eine Prämie von 30.000 Euro erhält, eine Gänsehaut bei dem Gedanken an die vollen Arenen und ein Millionenpublikum vor den TV-Geräten. «Es kribbelt schon ordentlich. Ich freue mich am meisten auf die Kulissen. Das wird unfassbar laut in den Hallen und ein einzigartiges Erlebnis, wenn man vor so vielen Menschen spielen darf», sagte Rückraumspieler Julian Köster und erinnerte an die WM vor vier Jahren: «Da ist teilweise das Hallendach weggeflogen, weil so viel Stimmung war. Ich hoffe, dass wir so etwas auch erleben können.»

Schwere Brocken warten auf das deutsche Team

Nach dem Auftakt gegen die Schweiz geht es für die DHB-Auswahl in Berlin mit den weiteren Vorrundenspielen gegen Nordmazedonien und Rekord-Weltmeister Frankreich weiter. Für das Erreichen der Hauptrunde muss in der Gruppe A mindestens Platz zwei her. Bei einem Weiterkommen wären Spanien, Kroatien, Island, Ungarn und Serbien in Köln potenzielle Gegner im Kampf um das Ticket fürs Halbfinale.

Dabei drückt auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf die Daumen. «Ich glaube, die Zuschauer werden die Mannschaft nach vorn treiben. Insofern traue ich ihr sehr viel zu, ohne dass ich jetzt ein Handball-Experte wäre. Aber ich glaube, da ist viel möglich», sagte Neuendorf der Deutschen Presse-Agentur.

Der ehemalige DHB-Vizepräsident Bob Hanning nahm das Team sogar in die Pflicht. «Wenn wir als deutsche Nationalmannschaft nicht das Halbfinale anstreben, dann machen wir irgendwas verkehrt. Das muss unser Anspruch sein», sagte der 55-Jährige. Den EM-Kader bezeichnete Hanning als «gut und auf den Moment ausgerichtet».

Jetzt geht es darum, das Potenzial auf den Punkt abzurufen. Denn die EM-Auftritte sollen auch als Katalysator für die Gewinnung neuer Mitglieder dienen. «Das oberste Ziel, weshalb wir eine Europameisterschaft in Deutschland ausrichten, ist natürlich der sportliche Erfolg», sagte DHB-Vorstandsboss Schober. «Das zweite Ziel ist die soziale Nachhaltigkeit. Wir wollen mehr Mädchen und Jungen für den Handballsport begeistern, speziell auch Menschen mit Migrationshintergrund ansprechen und die Strukturen für die Vereine verbessern.» Gelingt all das, wären es wahre Handball-Festwochen für Deutschland.

Von Eric Dobias und Jordan Raza, dpa
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