Tränen in Freiburg - Emotionaler Abschied für Streich
Fans, Club, Spieler und Gegner huldigen Christian Streich. Der Heim-Abschied für Freiburgs Fußballtrainer wird emotional. Er erklärt, warum er sich selbst schützen muss.
Fans, Club, Spieler und Gegner huldigen Christian Streich. Der Heim-Abschied für Freiburgs Fußballtrainer wird emotional. Er erklärt, warum er sich selbst schützen muss.
Auf der Ehrenrunde schimmerten in Christian Streichs Augen Tränen. Ergriffen winkte der 58-Jährige bei seinem emotionalen Heim-Abschied immer wieder dem Publikum zu. Er applaudierte den Fans, die ihn feierten. Das 1:1 (1:1) gegen den 1. FC Heidenheim war Streichs letztes Heimspiel nach seiner außergewöhnlich langen Amtszeit von mehr als zwölf Jahren als Trainer des SC Freiburg und nach fast 30 Jahren im Club. Eine Ära im Breisgau und in der Fußball-Bundesliga neigt sich dem Ende entgegen.
Die ganz großen Emotionen will der Kultcoach, der sich selbst als «Kültle» einstuft, (öffentlich) noch nicht zulassen. «Bis jetzt muss ich sagen, habe ich es echt gut im Griff», meinte Streich. Er habe auch nicht das Gefühl, er gehe jetzt weg. Er wohne ja hier, werde das Stadion sicher wieder besuchen und wisse nicht, was in den nächsten ein, zwei Jahren passiere. In Zukunft könnten sich die Spieltage wahrscheinlich komisch anfühlen.
«Jetzt war es nicht komisch. Jetzt war es normal», behauptete Streich. Die Atmosphäre sei «wunderbar» und «großartig» gewesen, meinte er, ärgerte sich aber mächtig über das enttäuschende Ergebnis: «Ich fahre mit dem Gefühl nach Hause, dass wir wieder zwei Punkte liegen lassen haben und das kotzt mich an.»
Noch ein allerletztes Ziel
Als er sich nach dem Schlusspfiff für mehrere Minuten auf die Bank zurückgezogen hatte, habe ihn nicht sein Abschied beschäftigt. Er habe darüber nachgedacht, wie seine Elf so dominieren, aber den Ball nicht noch einmal über die Linie drücken konnte.
Seine letzte Saison will der Coach mit der dritten Qualifikation in Serie für den Europapokal krönen. Nach Pfosten und Latte, ausgelassenen Chancen seines SC und den Toren von Ritsu Doan (29. Minute) und Heidenheims Kevin Sessa (38.) endete der Festtag mit der Punkteteilung. Die Ausgangsposition für das Saisonfinale beim 1. FC Union Berlin ist schwieriger geworden.
An den Emotionen auf den Rängen änderte das nichts. Dort flossen reichlich Tränen, dort besangen die Fans ihren Christian Streich als «besten Mann». Der Club beschenkte den Coach mit Wein aus Jahrgängen besonderer Ereignisse seiner SC-Zeit.
Sympathien in ganz Deutschland
Als Streich selbst am Mikrofon an der Reihe war, richtete er zuerst Glückwünsche an Heidenheim. Er bedanke sich «herzlich» beim SC für alles, sagte er dann, und «bei allen Menschen, die mich unterstützt haben im Verein, die Nachsicht mit mir hatten, die auch mal weggeschaut haben, wenn es nicht korrekt war von mir». Dann schloss sich Streich dem Appell seines ebenfalls verabschiedeten Co-Trainers Patrick Baier an, eine realistische Erwartungshaltung zu bewahren. Dass die Fans «Nie mehr 2. Liga» anstimmten, dürfte dazu gepasst haben.
Im Dezember 2011 hatte der frühere Nachwuchscoach die Breisgauer als Abstiegskandidaten übernommen. Längst ist er zu einem Sonderfall im hektischen Fußball-Business geworden. 2015 stieg er ab, 2016 wieder auf. In den vergangenen Jahren war der Club dicht dran, sich erstmals für die Champions League zu qualifizieren.
«Man kann es nicht genug wertschätzen, was er für diesen Verein geleistet hat», sagte Freiburgs Kapitän Christian Günter. Sympathien in ganz Deutschland gewann der Coach auch, weil er klare Kante in politischen und gesellschaftlichen Themen zeigte und Fehlentwicklungen anprangerte. Am Samstag weinte ein Flitzer in Streichs Armen. Auch die Heidenheimer feierten den gegnerischen Coach. «Loyalität und Ehrlichkeit, leider eine Seltenheit. Mach's gut Christian Streich», stand auf ihrem Banner.
Streich: «Dann bist du emotional erledigt»
«Er hat einfach eine andere Art. Er interessiert sich auch für den Menschen», betonte stellvertretend Freiburgs Vincenzo Grifo einmal mehr bei der Frage, was den Coach auszeichne. Im Mittelpunkt steht Streich eigentlich nicht besonders gern. Bemerkenswert waren seine Worte schon vor dem Anpfiff zu seinem Heim-Abschied, den er zuvor als «uninteressant» deklariert hatte.
Auch aus Selbstschutz lasse er die Emotionen nicht zu, sagte Streich beim Pay-TV-Sender Sky: «Ich habe mir so ein Kästchen gebaut, in mir drin, und da kommt alles rein. Sonst schaffst du es nicht», sagte er. «Sonst geht es hoch und runter, dann bist du emotional erledigt, das ist zu viel.» Wenn am Ende alles positiv ausgehe, «gehen wir heim und heulen».
Am kommenden Samstag will seine Mannschaft den im Heimspiel verpassten Sieg als Abschiedsgeschenk nachholen. Wenn es noch mit dem Europapokal klappe, sei er der «glücklichste Mensch», sagte Streich. Bei seinem letzten Auftritt brauche auch er vielleicht Taschentücher, vermutete er.
Kristina Puck, dpa
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