Ob der Wettergott schon etwas ahnte? Passend zur Rückkehr des Winters mit Schnee und Kälte über Mitteleuropa rüttelt ein sportliches Comeback die Ski-Welt auf. Kein Geringerer als Marcel Hirscher, einstiger Weltcup-Dominator und bester Alpinsportler seiner Generation, will es nach fünf Jahren Ruhestand noch einmal wissen und vom Herbst an wieder Rennen bestreiten.
Dass der inzwischen 35-Jährige künftig nicht mehr für Österreich, sondern die Niederlande an den Start gehen wird, macht die Nachricht noch spektakulärer.
«Ich habe mich wahnsinnig gefreut», sagte Hirschers Kumpel und langjähriger Konkurrent Felix Neureuther. Der 40-Jährige ergänzte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur: «Das ist genau das, was der Skisport braucht in einer Zeit, die nicht einfach ist.» Hirscher könne dabei helfen, wieder Charaktere und Geschichten zu bringen in eine Sportart, in der zuletzt immer wieder negative Schlagzeilen rund um Umweltfragen, Nachhaltigkeit und Verbandsstreitereien dominierten.
2019 hatte Hirscher seinen Rücktritt verkündet, nachdem er zuvor historische achtmal nacheinander den Gesamtweltcup für sich entschieden hatte. Darüber hinaus fuhr er unter anderem zu zwei olympischen Goldmedaillen, sieben WM-Titeln und insgesamt 67 Weltcup-Erfolgen. Fast eine Dekade lang war der Österreicher das Maß der Dinge in der Ski-Welt.
Keine Ausnahmen, also ab nach Holland
Statt des rot-weiß-roten Skianzugs wird der Familienvater künftig mit dem Dress der Niederlande, dem Geburtsland seiner Mutter, am Start stehen. Der Österreichische Skiverband (ÖSV) erlaubte den Weggang seines Ski-Idols, wie am Mittwoch verkündet wurde. «Natürlich bedauern wir seine Entscheidung, einen Nationenwechsel zur Niederländischen Skivereinigung zu beantragen, sehr, aber schlussendlich haben wir diese auch mitgetragen», sagte ÖSV-Generalsekretär Christian Scherer. Der Weltverband FIS muss dem Wechsel noch offiziell zustimmen, was als Formsache gilt.
«Ich hätte gerne die Möglichkeit, ab und zu Rennen zu fahren», teilte Hischer selbst in einem Statement mit. «Einfach, weil es mir Spaß macht.» Zu seiner Entscheidung für die Niederlande hieß es dabei: «Die Zukunft im ÖSV gehört den jungen Athleten und deshalb möchte ich nicht, dass meinetwegen Ressourcen gebunden, Ausnahmeregeln gemacht oder Startplätze freigehalten werden. Mein neues Projekt ist in Holland einfacher umzusetzen.»
Anton Giger, der Rennchef von Hirschers Skifirma Van Deer-Red Bull Sports, versuchte in einer Medienrunde, allzu hohe Erwartungen etwa von großen Erfolgen wie einst schnell einzudämmen. Weltcup-Einsätze seien noch weit entfernt, weil sich Hirscher zunächst über unterklassige Rennen die nötigen Punkte für einen Start in den Elite-Wettkämpfen holen müsse. Als Höhepunkt steht im nächsten Winter die WM in Saalbach-Hinterglemm an - nur unweit von Hirschers Heimatort.
Ein Hirscher ist kein Mitläufer
Hirschers Bescheidenheit in allen Ehren - Neureuther glaubt daran, dass sein Freund auch mit 35 Jahren im Weltcup um Podestplätze mitfahren kann. «Wenn es einer packen kann, dann ist der Marcel der Einzige, dem man das zutrauen kann», sagte der fünf Jahre ältere Oberbayer. «Wenn der Marcel am Start steht, dann will er auch abliefern.»
Neureuther erinnerte daran, dass Hirscher auch nach dessen Rücktritt stets Skitests vorgenommen habe, «deswegen ist er körperlich nach wie vor in einer guten Verfassung». Die Slalom- und Riesenslalom-Trainings seien freilich schon aufwendig. «Man muss viele Tore fahren, um das richtig Timing hinzubekommen. Aber wenn du mit 35 Jahren ein Comeback gibst, dann bist du dir dieser Dinge bewusst. Dann hast du Lust auf die Herausforderung und packst voll an», meinte Neureuther.
Neureuther-Comeback für Jamaika?
Unabhängig vom sportlichen Erfolg wertete der einstige DSV-Star das Comeback Hirschers als großartiges Zeichen für den Sport. Erst jüngst hatte Slalom-Youngster Lucas Pinheiro Braathen nach einem Streit mit dem norwegischen Verband und einem Jahr Pause angekündigt, im Herbst für Brasilien wieder antreten zu wollen. «Die zwei tun dem Skisport wahnsinnig gut», sagte Neureuther. Auf die Frage, ob er nicht selbst auch Lust auf ein Comeback verspüre, witzelte 13-malige Weltcupsieger: «Ich werde jetzt Abfahrer, und zwar für Jamaika.»
Von Manuel Schwarz und Sandra Degenhardt, dpa
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