Schweizer Eishockey-Trauma: «Kann kein Silber mehr sehen»
Auch im dritten Versuch gelingt der Schweiz nicht der ersehnte Triumph bei der Eishockey-Weltmeisterschaft. Ein NHL-Star macht den Unterschied - und verhindert den «Bankraub».
Auch im dritten Versuch gelingt der Schweiz nicht der ersehnte Triumph bei der Eishockey-Weltmeisterschaft. Ein NHL-Star macht den Unterschied - und verhindert den «Bankraub».
Das WM-Finale hatte das Schweizer Eishockey-Team gerade wieder einmal verloren, immerhin seinen Humor bewahrte sich der überragende Torhüter Leonardo Genoni trotz der Niederlage gegen Gastgeber Tschechien jedoch. «Den Pokal hier zu holen, wäre wie ein Bankraub gewesen. Doch dann ging die Türe zu», sagte Genoni nach dem bitteren 0:2 in Prag. In der Hauptstadt des eishockey-verrückten WM-Gastgeberlandes sorgte der siebte Titel für Ekstase.
Die Schweizer schlichen vor der Übergabe des WM-Pokals dagegen schnell in die Kabine. Schon wieder ging der Cup an den Gegner - so wie bereits 2013 und 2018. «Ich kann Silber nicht mehr sehen», klagte Trainer Patrick Fischer. Das Final-Trauma geht weiter, den Schweizern bleibt auch nach dem dritten WM-Endspiel nur der zweite Platz.
Der mit sieben NHL-Profis womöglich beste Schweizer Kader überhaupt scheiterte einmal mehr kurz vor dem möglichen Premieren-Triumph. «Dieses Jahr hatten wir den Glauben, dass wir es schaffen können. Dass es nicht geklappt hat, ist extrem frustrierend», sagte NHL-Topstar Roman Josi von den Nashville Predators.
Die Schweiz verliert erneut in einem Finale
«Die Hockeygötter haben gewürfelt. Es gibt keine andere Erklärung für diese Niederlage», schrieb das Schweizer Nachrichtenportal «Watson». Bei aller Enttäuschung konstatierte die Zeitung «Blick» dagegen: «In den letzten Wochen ist die Nati mit der Hilfe der NHL-Spieler von einem Team, das nicht mehr wusste, wie man gewinnt, zu einer Weltklasse-Mannschaft gereift.»
Mit einem damals noch jungen Josi überraschte die Schweiz 2013 mit dem Final-Einzug. Gegen Schweden waren sie beim 1:5 in Stockholm allerdings chancenlos. Fünf Jahre später scheiterten die Eidgenossen im Kopenhagen erst im Penaltyschießen an den Tre Kronors. «2013 zeigte uns, dass es möglich ist. 2018 waren wir schon reifer», erklärte Coach Fischer. «Und jetzt hatten wir das Gefühl, dass wir ready sind, da wir aus den letzten Jahren, als es nicht gut war, gelernt haben.»
Vor allem der Viertelfinal-Sieg gegen Deutschland sollte den Weg zu Gold ebnen. Nach zuvor vier Pleiten in K.o.-Spielen gegen die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes schlug das Fischer-Team den Erzrivalen in Ostrava mit 3:1. «Endlich», jubelte der Schweizer Coach nach dem Prestige-Erfolg. Nach dem Penalty-Sieg über Kanada im Halbfinale sollte am Sonntagabend Geschichte geschrieben werden.
Fiala kann sich über Auszeichnung nicht freuen
Zum WM-Pokal reichte es dennoch nicht. Tschechiens Superstar David Pastrnak von den Boston Bruins schockte die Schweiz mit seinem Treffer zehn Minuten vor dem Ende. Das 0:2 durch David Kämpf wenige Sekunden vor Schluss besiegelte die Niederlage. «Jedes Finale ist anders, aber wir hatten dieses Jahr wirklich den Glauben, dass wir es schaffen können, wir haben gedacht, das wird unsere Nacht», sagte Josi.
Kevin Fiala, neben Josi der Unterschiedsspieler der Schweizer, erhielt immerhin noch die Auszeichnung als bester Spieler des Turniers. «Es interessiert mich eigentlich nicht, wir wollten Gold», sagte der NHL-Star von den Los Angeles Kings verärgert.
Bei der nächsten Weltmeisterschaft in Dänemark und Schweden im kommenden Jahr wird es den nächsten Anlauf geben. Spätestens aber beim Heim-Turnier in Zürich und Fribourg im Mai 2026 peilt die Schweiz die Krönung an. «So weit in die Zukunft kann ich im Moment gar nicht schauen», sagte der 40 Jahre alte Routinier Andres Ambühl. «Heute sind wir einfach alles nur traurig.»
Die Gastgeber starteten dagegen eine riesige Party. «Tschechien erlebt eine Eishockey-Euphorie, wie es sie zuletzt nach dem Goldmedaillen-Gewinn bei den Olympischen Winterspielen von Nagano 1998 gab», stellte die Zeitung «Pravo» fest.
Von Tobias Brinkmann, dpa
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