Ohne Handy, ohne Furcht: Chemnitz vor Basketball-Triumph
Vor ein paar Jahren noch Zweitligist, nun Europapokal-Finalist: Die Niners Chemnitz haben einen beeindruckenden Weg hinter sich. Auch die großen Bayern haben ordentlich Respekt.
Vor ein paar Jahren noch Zweitligist, nun Europapokal-Finalist: Die Niners Chemnitz haben einen beeindruckenden Weg hinter sich. Auch die großen Bayern haben ordentlich Respekt.
Unter der Woche haben der FC Bayern und Alba Berlin nach dem Euroleague-Aus inzwischen frei. Die Basketballer der Niners Chemnitz hingegen können dem deutschen Basketball zum nächsten internationalen Triumph verhelfen - und dabei einen märchenhaften Aufstieg vom Zweitligisten zum Europapokalsieger vollenden. «Für die Niners wäre das Geschichte, zum ersten Mal so einen Titel zu gewinnen. Der deutsche Basketball wächst einfach und stellt sich immer mehr in den Vordergrund», sagte Kevin Yebo, der sich mit seinen starken Leistungen derzeit sogar für eine Olympia-Nominierung empfiehlt.
Im vergangenen Jahr erst gewann Bonn die Champions League und im Sommer das Nationalteam vollkommen überraschend den WM-Titel. Nun geht es für Chemnitz in zwei Spielen gegen Bahcesehir Koleji um die Trophäe im Fiba Europe Cup. Das Hinspiel findet an diesem Mittwoch (19.00 Uhr/Fiba auf Youtube) in Chemnitz statt, das Rückspiel eine Woche später in der Türkei.
«Warum nicht wir?»
Für die Bundesliga sind die Finalspiele durchaus von Bedeutung. «Uns wird eine ganz andere Form von Respekt entgegengebracht. Die BBL ist anerkannt. Das spüre ich in vielen Begegnungen. Wenn wir einen Europapokalsieger in der Liga haben, ist das immer ein Thema. Das verleiht dem Ganzen eine gewisse Größe», sagte BBL-Geschäftsführer Stefan Holz der Deutschen Presse-Agentur. Dass Deutschland in aufeinanderfolgenden Jahren internationale Titel gewinnt, gab es bislang nicht.
Die Senkrechtstarter aus Sachsen zeichnet eine gewisse Furchtlosigkeit aus. Den Fiba Europe Cup prägten sie diese Saison. In der Bundesliga steht Chemnitz nur knapp hinter Bayern und vor Alba. «Wir haben uns am Anfang einfach gesagt: Warum nicht wir? Wir wissen, wir sind harte Arbeiter. Harte Arbeit zahlt sich auch aus. Wir wollen Spiele gewinnen und jeder ist gewillt, Sachen aufzugeben», sagte Yebo, den man derzeit nicht über sein Handy erreicht, weil es seit Wochen kaputt ist. Der 28-Jährige kommuniziert stattdessen via Instagram.
An Alba heranpirschen
Liga-Boss Holz, der beim Final-Hinspiel selbst in der Halle sein wird, genießt die gestiegene Attraktivität der Weltmeister-Liga. Meister Ulm, Champions-League-Sieger Bonn und nun Chemnitz: Die immer stärkeren Gegengewichte zu den Branchenriesen Bayern und Alba machen den Wettbewerb spannender. «Sie spielen ein großartiges Jahr. Das hat sich so ein bisschen abgezeichnet. Es ist eine stetige Entwicklung», sagte Holz über die Niners. Bayerns-Geschäftsführer Marko Pesic lobte: «In Chemnitz machen sie schon seit Jahren einen richtig guten Job.»
Und die Sachsen selbst? Genießen ihren stetigen Aufstieg nur bedingt - und formulieren stattdessen weiter ambitionierte Ziele. «Wir versuchen, uns an Alba heranzupirschen, auch wenn das noch ein sehr weiter Weg ist. Das ist unsere tägliche Motivation», sagte Geschäftsführer Steffen Herhold.
Die große Konstante dabei ist Trainer Rodrigo Pastore. Der Argentinier mit dem italienischen Pass ist seit 2015 für die Niners tätig. Unter seiner Leitung wurde aus einem Zweitligisten ein stabiler deutscher Spitzenclub. «Rodrigo Pastore ist maßgeblicher Baumeister dieses Projekts, und wie es sich entwickelt hat», sagte Herhold mit Blick auf die vergangenen neun Jahre. Ein Ende der gemeinsamen Erfolgsgeschichte ist derzeit nicht absehbar. «Warum nicht noch mal neun Jahre?», fragte Herhold.
Patrick Reichardt und Lars Reinefeld, dpa
© dpa-infocom, dpa:240416-99-690323/3
Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten