Noch keine EM-Euphorie: DFB-Auswahl trifft nicht ins Tor
Julian Nagelsmann hat im Endspurt bis zum EM-Anpfiff noch eine große Aufgabe: Vor dem Tor braucht die Nationalmannschaft mehr Effektivität. Gegen die Ukraine reicht es nur zu einem 0:0.
Julian Nagelsmann hat im Endspurt bis zum EM-Anpfiff noch eine große Aufgabe: Vor dem Tor braucht die Nationalmannschaft mehr Effektivität. Gegen die Ukraine reicht es nur zu einem 0:0.
Julian Nagelsmann schaute mit einer Wasserflasche in der Hand zu, wie sich seine Nationalspieler zur Ehrenrunde vor den applaudierenden Fans aufmachten. Ein EM-Feuerwerk hat die DFB-Auswahl in Nürnberg noch nicht entfacht.
Trotz großer Dominanz und viel Offensivdrang musste sich die Fußball-Nationalmannschaft im vorletzten Testländerspiel gegen die Ukraine mit einem 0:0 zufriedengeben. Verzweifelt griff sich Bundestrainer Nagelsmann während der Partie immer wieder an den Kopf, fassungslos darüber, dass der Ball einfach nicht ins Tor wollte.
«Leider haben wir uns nicht belohnt für die Vielzahl von Tormöglichkeiten, aber ich hoffe, dass das dann in der Gruppenphase anders aussieht», sagte Torwart Manuel Neuer in der ARD nach seinem Comeback. Der Bayern-Star lobte aber die «gute defensive Leistung» elf Tage vor dem EM-Eröffnungsspiel gegen Schottland. Thomas Müller sagte: «Schade, dass wir keins gemacht haben. (...) Ein Tor hätten wir verdient gehabt.»
Mit Neuer stand zumindest hinten die Null - auch weil der Bayern-Schlussmann vor 42.789 Zuschauern im ausverkauften Max-Morlock-Stadion mehrfach beherzt zupackte. Für den Angriff auf den vierten EM-Titel bedarf es mehr Effektivität und Zielstrebigkeit im Angriff. Pech hatte die DFB-Elf besonders beim Lattentreffer von Debütant Maximilian Beier (61. Minute).
Die letzte Testchance bietet sich am Freitag in Mönchengladbach gegen Griechenland, wenige Stunden danach muss Nagelsmann seinen finalen Kader bei der UEFA melden. Am EM-Feinschliff wird Nagelsmann nun im Trainingslager in Herzogenaurach weiter arbeiten müssen.
Der Kanzler hofft auf EM-Stimmung
Auf der Tribüne in Nürnberg schaute Bundeskanzler Olaf Scholz interessiert zu, wohl auch wegen der politischen Dimension war der Regierungschef nach Nürnberg gereist. Kurz vor dem Anpfiff hatte sich der Kanzler mit Blick auf die EM «ein großartiges Fußball-Fest für ganz Europa» gewünscht. Die deutschen Fans erinnerten mit ihrer Choreographie an einen Song des WM-Sommermärchens 2006: «Mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein», stand auf einem großen Banner.
Die damalige Zeile (...«werden wir Weltmeister sein») ließe sich während der EM sicher leicht umdichten. Und die DFB-Auswahl war zu Spielbeginn auf einem guten Weg, die deutschen Anhänger in Stimmung zu bringen. Noch ohne die als Stammkräfte gesetzten Champions-League-Sieger Toni Kroos und Antonio Rüdiger dominierte Deutschland die Partie, gegen die dicht stehende ukrainische Defensive fehlten aber entscheidende Pässe in den Strafraum.
Gündogan mit der ersten großen Chance
Der sehr offensiv agierende Kapitän Ilkay Gündogan hätte den ersten Treffer in der 15. Minute erzielen müssen, bekam den Ball nach einer Flanke von Kroos-Vertreter Pascal Groß aber nicht im Tor untergebracht. Die deutschen Fans bejubelten die Chance ausgiebig, es blieb aber dann länger bei dieser einen guten Gelegenheit.
Nagelsmann coachte an der Seitenlinie wie gewohnt sehr energisch. Die Spielidee des Bundestrainers mit Bayern-Profi Jamal Musiala und Leverkusens Meistermacher Florian Wirtz als Super-Kreative im Mittelfeld war deutlich zu erkennen. Gegen jeweils zwei, drei, manchmal vier Gegenspieler hatten es die beiden 21-Jährigen aber schwer. Ein abgefälschter Schuss von Musiala ging am Tor vorbei (42.).
Defensiv nicht immer sicher
Die Anfälligkeit in der Defensive, die zu jahrelangem Missmut der Fans geführt hatte, schien Nagelsmann bei den Märzerfolgen in Frankreich (2:0) und gegen die Niederlande (2:1) in den Griff bekommen zu haben. Am Samstagabend deckten die Ukrainer um den schnellen Chelsea-Star Mychajlo Mudryk immer mal wieder Schwächen auf. Der 23-Jährige kam selbst früh bei einem Konter nahe an den deutschen Strafraum (4.), Roman Jaremtschuk prüfte Neuer bei dessen Comeback zum Ende der ersten Halbzeit zweimal (38. und 45.+1).
Vier Stuttgarter auf dem Rasen
Für den zweiten Durchgang brachte Nagelsmann die Stuttgarter Deniz Undav und Chris Führich für Wirtz und Gündogan in die Partie - nach Rüdiger-Ersatzmann Waldemar Anton und Maximilian Mittelstädt die VfB-Profis Nummer drei und vier auf dem Rasen. Minutenlang entwickelte die DFB-Auswahl in der Folge eine Art Powerplay am ukrainischen Strafraum mit Chancen von Kai Havertz per Kopf (53.) und Undav, dessen Schuss aber abgeblockt wurde (56.).
Nagelsmann wechselte nach gut einer Stunde weiter durch und tauschte dreimal. Beier feierte sein Länderspieldebüt und hätte mit seinem ersten Ballkontakt fast die Führung erzielt, der Hoffenheimer traf aber eben nur die Latte. Wenige Minuten später scheiterte der 21-Jährige am ukrainischen Torwart Anatolij Trubin (63.). In der 70. Minute kam Bayern-Youngster Aleksandar Pavlovic zu seinem DFB-Debüt. Zu Beginn der Schlussphase prüfte dann Führich Torwart Trubin (78.). Neuer sorgte mit einem leichtsinnigen Pass zum lauernden Gegner noch für einen Schreckmoment, der aber ohne Folgen blieb (89.).
Arne Richter, Klaus Bergmann, Christian Johner und Jan Mies, dpa
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