Nach dem Willen des IOC dürfen bei Olympia nur Einzelsportler aus Russland antreten, Mannschaften sind ausgeschlossen.
Marijan Murat/dpa
Nach dem Willen des IOC dürfen bei Olympia nur Einzelsportler aus Russland antreten, Mannschaften sind ausgeschlossen.
Sportpolitik

Nation im Krieg - Russland streitet wegen Olympia-Teilnahme

Wegen des Krieges gegen die Ukraine ist die frühere Sportmacht Russland international geächtet. Bei Olympia dürfen dennoch einzelne Sportler antreten – aber auch in Moskau tobt darum ein Streit.

Die einst so stolze Sportnation Russland steckt mit Blick auf Olympia in Paris im tiefen Zwiespalt. Wegen der Auflagen des Internationalen Olympischen Komitees für eine Teilnahme russischer Athleten an den Sommerspielen schwelt auch die Debatte um einen Boykott.

Unzumutbar seien die Bedingungen des IOC, schimpfte in Moskaus Staatsmedien gerade Irina Winer, die Präsidentin des Verbandes für Rhythmische Sportgymnastik. Wenn die russischen Sportgymnastinnen «ohne Flagge, ohne Hymne, ohne Fans» anträten, dann sei das «erniedrigend».  

Alle Sportverbände des Landes sollten den Spielen in Paris vom 26. Juli bis 11. August fernbleiben, fordert die 75-Jährige, eine glühende Unterstützerin des von Kremlchef Wladimir Putin begonnenen Angriffskriegs gegen die Ukraine. «Nein, wir werden nicht auf die Knie fallen, uns nicht im weißen Kostüm und mit einer weißen Flagge "ergeben"», sagte Winer auch dem russischen Militärfernsehsender Swesda.

IOC: Teilnahme nur unter neutraler Flagge

Nach dem Willen des IOC dürfen bei Olympia nur Einzelsportler aus Russland antreten, Mannschaften sind ausgeschlossen. Die Athleten dürfen nicht - wie oft üblich - einem Armeesportverein angehören noch dürfen sie Russlands Krieg gegen die Ukraine unterstützen. Voraussetzung ist auch, dass sie – wie schon bei den Sanktionen wegen Staatsdopings – nur unter neutraler Flagge teilnehmen dürfen.

Aus Russlands Politik kamen daher zuletzt Vorschläge, Athleten keine staatliche Unterstützung für die Reise nach Paris zu gewähren. Der erste Vizechef des Verteidigungsausschusses im russischen Parlament, Alexej Schurawljow, verglich eine Teilnahme bei Olympia sogar mit «Verrat». Er schlug «zusätzliche Konsultationen» für die Reisenden vor, um zu klären, «ob sie die russische Politik unterstützen». 

Russlands Präsident Putin, der sich IOC-Chef Thomas Bach lange Zeit eng verbunden sah, warb immer wieder für politikfreie Olympische Spiele. Der 71-Jährige warnte zuletzt obendrein ausdrücklich vor einer «ethnischen Diskriminierung» von Russen im Sport.

Dabei ist auch Belarus, das den Krieg Putins gegen die Ukraine unterstützt, von den Sanktionen betroffen. Im Dezember plädierte Putin schließlich dafür, es den Sportlerinnen und Sportlern selbst zu überlassen, ob sie teilnehmen oder nicht.

Dabei ist auch Putin klar, dass der Großteil der Russen schon allein deshalb unter keinen Umständen in Paris starten kann, weil sie Angehörige eines mit der Armee oder anderen Sicherheitsstrukturen des Landes verbundenen Sportvereins sind. Mit den vom Staat gesponserten Athletinnen und Athleten schmückt sich der Machtapparat in der Regel gern – immer wieder hat Putin die besten von ihnen nach erfolgreicher Olympia-Teilnahme mit hohen militärischen Rängen ausgezeichnet.

Ukraine fordert einen Ausschluss Russlands

Oft stand in der Vergangenheit rund die Hälfte dieser Teilnehmer an den Spielen in Verbindung zu diesen Sicherheitsstrukturen, wie die Zeitung «Wedomosti» berichtete. Nicht alle wollen dabei heute als stramme Kriegsbefürworter abgestempelt werden. Doch klare Worte gegen den Krieg sind unter den Russlands Athleten weiter selten.

Und auch in Paris dürften die wenigen Olympia-Starter aus Russland letztlich von vielen als Vertreter der Krieg führenden Nation angesehen werden. Vor allem die von Moskau angegriffene Ukraine hatte stets einen kompletten Ausschluss Russlands gefordert und warf dem IOC vor, vor Putin einzuknicken. 

Dabei zeigt sich auch unter den russischen Sportlern kein einheitliches Bild mit Blick auf Paris. Dutzende Russen haben laut Medien in Moskau ihre «sportliche Staatsbürgerschaft» geändert, um für andere Länder bei Olympia zu starten. 

Einige wie der zweifache Schwimm-Olympiasieger Jewgeni Rylow verzichteten auf eine Olympia-Teilnahme. Andere wie die Hochsprung-Weltmeisterin Marija Lassizkene wollen trotzdem trainieren, um für den Fall einer Zulassung in Form zu sein. Dabei schließt der Leichtathletik-Weltverband Russen und Belarussen weiter von seinen Wettkämpfen aus.

Russland mit Konkurrenzveranstaltung zu Olympia

Der Chef des Russischen Olympischen Komitees (ROK), Stanislaw Posdnjakow, betonte unlängst, dass sich die Athletinnen und Athleten ohnehin entscheiden müssten, ob sie an Olympia in Paris teilnehmen oder – damit lockt Moskau nun – an den ersten Weltfreundschaftsspielen. Die World Friendship Games sind vom 15. bis 29. September in Moskau und Jekaterinburg geplant.

Von einem neuen Weltereignis des Sports für Menschen aus allen «Ecken des Planeten» und «bedeutenden Preisgeldern» ist die Rede in einem Werbefilm. Die Freundschaftsspiele, andere neue internationale Wettkämpfe und eine von Putin bestellte große Sportparade auf dem Roten Platz wie zu Sowjetzeiten sollen hinwegtrösten über Russlands Isolation. 

Dabei zeigte sich Putin selbst noch vor zehn Jahren als stolzer Gastgeber bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi am Schwarzen Meer. Wenige Tage nach dem Ende der Spiele 2014 annektierte er die Halbinsel Krim und ließ auch die Lage im Osten der Ukraine eskalieren. Heute sollen die Sportler statt olympischer Freude den Hurra-Patriotismus über die imperiale Einverleibung ukrainischer Gebiete nach außen tragen.

Die Debatte um die Paris-Teilnahme ist aber noch lange nicht beendet. Für frühere Olympia-Teilnehmer, die garantiert nicht nach Paris fahren, hat das ROK nun entschieden, Entschädigungen zu zahlen. Die Kompensation liegt zwischen 150 000 Rubel für einfache ehemalige Teilnehmer bis hin zu 500 000 Rubel (rund 5000 Euro) für Olympiasieger. Gezahlt wird aber immer nur ein Betrag pro Person – egal, wie viele Medaillen er oder sie hat.

Von Ulf Mauder, dpa
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