Torschütze Jamal Musiala (r) und Vorbereiter Ilkay Gündogan (l) feiern das Tor zur 1:0-Führung.
Tom Weller/dpa
Torschütze Jamal Musiala (r) und Vorbereiter Ilkay Gündogan (l) feiern das Tor zur 1:0-Führung.
EURO 2024

Nagelsmann genießt die EM-Party: «Die Fans dürfen träumen»

Die Fans singen schon vom Endspiel. Mit herzhafter Arbeit löst Deutschland nach Toren von Musiala und Gündogan bei der Heim-EM vorzeitig das Ticket für die K.-o.-Runde. Ziel ist jetzt der Gruppensieg.

Fans stimmen Final-Gesänge an

Die euphorisierten Fans stimmten schon erste «Berlin»-Gesänge an - und auch bei llkay Gündogan, Jamal Musiala und Co. wächst der Glaube an einen traumhaften Fußballsommer. Arm in Arm gingen die beiden deutschen Torschützen nach der zweiten Sieg-Party bei der Heim-EM mit ihren Teamkollegen auf die Ehrenrunde und holten sich den verdienten Applaus des lauten Stuttgarter Publikums ab. Bundestrainer Julian Nagelsmann sprach nach dem 2:0 (1:0) gegen Ungarn von «einem guten Reifeprozess».

Das Achtelfinale ist bereits nach Spiel zwei gebucht - und die Fans skandierten schon während des Spiels völlig losgelöst: «Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!» In Deutschland wird nach den drei komplett enttäuschenden Turnieren 2018, 2021 und 2022 vom Titel geträumt. «Die Fans dürfen von allem träumen. Unser Job ist, sie weiter träumen zu lassen», sagte Nagelsmann.

«Gefühlt wird es immer besser»

«Gefühlt wird es immer besser. Aber während es besser wird, müssen wir einige Schwierigkeiten überstehen», sagte der zum Spieler des Spiels gewählte Kapitän Gündogan: «In der zweiten Halbzeit haben wir es echt cool runtergespielt.» Der starke Torhüter Manuel Neuer kommentierte: «Es war auf jeden Fall sehr wichtig. Wir wollten unbedingt das Spiel gegen Schottland bestätigen. Deutschland ist immer im Favoritenkreis gesetzt.»

Nach dem spielerisch leichten 5:1-Torfest gegen Schottland verdiente sich das DFB-Team den Sieg gegen die weiter punktlosen Ungarn bei der Turnier-Premiere im pink-lila Trikot aber überwiegend mit einem hohen Arbeitspensum. «Das Spiel muss man erstmal gewinnen», sagte Nagelsmann stolz auf seine Mannschaft. Das ungarische Team sei «ein sehr unangenehmer Gegner» gewesen. «Es waren sehr viele lange Bälle, immer Duelle vier gegen vier, das ist nicht so angenehm.»

Musiala und Gündogan als Matchwinner

In den spielentscheidenden Szenen war das DFB-Team voll da. Nach einem energischen Einsatz von Gündogan gegen den Leipziger Willi Orbán im Strafraum versetzte Musiala in der 22. Minute mit seinem zweiten EM-Tor die Fans erstmals in Ekstase. Bis zum beruhigenden zweiten Tor dauerte es dann bis zur 67. Minute. Diesmal traf Gündogan nach einem feinen Angriffszug über Musiala und den Stuttgarter Maximilian Mittelstädt. 

Gegen die kampfstarken Ungarn war aber auch die Defensive in etlichen Momenten gefordert. Neben Abwehrturm Jonathan Tah erwies sich dabei auch Teamsenior Manuel Neuer nach einigen Patzern vor dem Heimturnier mit großem Können als Rückhalt im Tor. 

Das weiter zusammenwachsende Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann spielt nun am Sonntag (21.00 Uhr/ARD und Magenta TV) in Frankfurt gegen die Schweiz um den Gruppensieg. «Der erste Platz ist wichtig, wir wollen Erster werden», sagte Nagelsmann. Der weitere Weg bis zum Finale am 14. Juli in Berlin würde dann in der K.-o.-Runde über die Stationen Dortmund, Stuttgart und München führen. 

Neuer zeigt es den Kritikern

Die Partie bei besten äußeren Bedingungen wollten sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Ungarns Regierungschef Viktor Orbán nicht entgehen lassen. Zwischen den beiden Spitzenpolitikern hatte UEFA-Präsident Aleksander Čeferin Platz genommen. Sie und die anderen über 50.000 Zuschauer sahen ein hart umkämpftes und ereignisreiches EM-Spiel.

«Auch der zweite Schritt wirkt» - unter diesem Motto hatte Nagelsmann exakt die gleiche Startelf auf den Stuttgarter Rasen geschickt, die fünf Tage zuvor im Auftaktspiel den Schotten keine Chance gelassen hatte. Doch der Bundestrainer warnte vor dem Anpfiff auch: «Der Gegner wird uns gerade in der Anfangsphase körperlich mehr fordern als die Schotten.»

Wie recht Nagelsmann hatte, bewies sich bereits nach 15 Sekunden: Roland Sallai presste den im eigenen Strafraum unaufmerksamen Joshua Kimmich, der Freiburger eroberte den Ball und zwang Manuel Neuer zu einer Glanztat. Der glänzend aufgelegte Bayern-Profi, der in seinem 17. EM-Spiel den Torwart-Rekord des Italieners Gianluigi Buffon einstellte, zeigte es seinen Kritikern nicht nur in dieser Situation. 

Foul oder kein Foul beim Führungstor?

Die Szene wirkte wie ein Weckruf für das DFB-Team. Kai Havertz (11.) setzte energisch gegen Orbán durch und scheiterte mit seinem Schuss aus der Nahdistanz am glänzend reagierenden Péter Gulácsi.

Die Führung war dann eine absolute Willensleistung von gleich mehreren Protagonisten: Tah leitete mit einer imposanten Fluggrätsche einen Konter ein. Über das Zauber-Duo Florian Wirtz und Musiala landete der Ball im Strafraum, wo Gündogan sich mit einem harten, aber fairen Körpereinsatz gegen den stolpernden Orbán durchsetzte. Gündogans Rückpass verwertete Musiala mit einem abgefälschten Schuss unter die Latte. 

Die Ungarn zeigten sich vom Rückstand aber keineswegs geschockt. Nur vier Minuten nach dem 1:0 rettete Neuer erneut spektakulär, diesmal gegen einen Freistoß von Dominik Szoboszlai. Auf der Gegenseite traf Musiala (44.), der deutlich mehr zur Entfaltung kam als sein kongenialer Partner Wirtz, kurz vor dem Halbzeitpfiff das Außennetz.

Ungarn versucht's über Konter

Auch nach dem Seitenwechsel lag der größere Ballbesitz aufseiten der Deutschen. Die vom Italiener Marco Rossi trainierten Ungarn zogen sich trotz des Rückstands weit zurück, um bei Ballgewinnen über schnelle Konter zum Erfolg zu kommen. 

Nach der vergebenen Doppelchance durch Gündogan und Toni Kroos (55.) sorgte Nagelsmann für einen neuen Impuls von der Bank und brachte in Niclas Füllkrug und Leroy Sané für Havertz und Wirtz frische Offensivkräfte. Für das 2:0 sorgte aber Gündogan, der seine starke Leistung mit einem Tor krönte.

Von Klaus Bergmann, Arne Richter, Christoph Lother und Jörg Soldwisch, dpa
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