Die Fußball-Nationalmannschaft um Niclas Füllkrug (M.) will in Dortmund das Viertelfinale erreichen.
Federico Gambarini/dpa
Die Fußball-Nationalmannschaft um Niclas Füllkrug (M.) will in Dortmund das Viertelfinale erreichen.
EM-Achtelfinale

Mythos Dortmund: Füllkrug setzt auf «weiße Wand»

Im EM-Achtelfinale hofft die Nationalelf im Dortmunder Stimmungstempel auf den Publikumsjoker. Nagelsmann verrät seine Stürmer-Entscheidung nicht. Der Abwehrchef scheint bereit gegen robuste Dänen.

Bei der Frage der Nation nach Niclas Füllkrug oder Kai Havertz machte Julian Nagelsmann zu. «Ich habe meine Entscheidung getroffen, aber ich werde sie nicht sagen», antwortete der Bundestrainer 26 Stunden vor dem EM-Achtelfinale gegen Dänemark.

Beeinflussen lassen von Fan-Wünschen oder Umfragen will sich der 36-Jährige bei der Positionsbesetzung in der Fußball-Nationalmannschaft auch zum Start in die K.o.-Phase nicht. «Ich habe die Diskussion gar nicht verfolgt. Wir sind das Trainerteam - und wir entscheiden, Samstagabend, 21.00 Uhr», sagte Nagelsmann.

Fan-Liebling Füllkrug beschwört derweil den Mythos der Dortmunder Wand, auch wenn sie beim EM-Auftritt der Nationalelf farblich anders aussehen wird. «Ich hoffe, dass wir die Gelbe Wand weiß machen können», verkündete Lokalmatador Füllkrug vor seinem Heimspiel in Dortmund (live im ZDF und MagentaTV). In der K.-o.-Phase setzt das DFB-Team noch mehr als in der Vorrunde auf den Heimvorteil - und im Dortmunder Fußball-Tempel auf den nochmals spezielleren Publikumsjoker.

«Es wird ein Spiel mit einer unfassbar geilen Atmosphäre. Wir wollen die nächste Runde einfahren», sagte Mittelfeldspieler Robert Andrich, der mit seinen platin-gefärbten Haaren schon am Tag vor dem Spiel besonders auffiel. Auch Nagelsmann setzt auf «einen zusätzlichen Push» von der Tribüne: «Ich hoffe, unsere Fans werden sehr laut sein.»

Das DFB-Team wollte unbedingt als Gruppenerster in Dortmund spielen, «egal gegen wen», wie DFB-Sportdirektor Rudi Völler berichtete. «Jetzt ist K.-o.-System, jetzt zählt's. Wir wollen natürlich ins Viertelfinale», verkündete Völler.

Rüdiger fit: Erst Adiletten, dann Fußballschuhe

Bevor der DFB-Tross nach drei Bus-Reisen erstmals mit dem Flugzeug aus Nürnberg zum Spielort reiste, wurde in Herzogenaurach an den letzten Details des Dänemark-Matchplans gearbeitet. Die TV-Kameras und Foto-Objektive waren allerdings beim Abschlusstraining hauptsächlich auf einen Mann gerichtet: Antonio Rüdiger. Der Abwehrchef war nach seiner Muskelzerrung dabei, ohne Bandage am rechten Oberschenkel und ohne erkennbare Probleme. «Das Training war gut», berichtete Nagelsmann am Abend in Dortmund. Wenn über Nacht nichts Negatives passiere, werde Rüdiger spielen können. «Im Moment wirkt er fit», sagte der Bundestrainer.

Schlotterbeck gewappnet: «Wissen Bescheid»

Bis zur Pressekonferenz in Dortmund hatte Nagelsmann im Geheimen an Taktik und Personal für die Aufgabe gegen Dänemark getüftelt. «Wir wissen Bescheid, wie wir Dänemark bespielen wollen», berichtete Nico Schlotterbeck. Er wird den gesperrten Jonathan Tah in der Innenverteidigung ersetzen. Der Nebenmann wird Rüdiger sein. EM-Neuling Waldemar Anton wird erst mal weiter auf seine ersten EM-Minuten warten müssen.

Die zweite große Aufstellungsfrage neben Rüdiger bewegte die Fans im Laufe der Woche sogar noch mehr. Bringt Nagelsmann seinen Top-Joker Füllkrug erstmals von Anfang an? Für Kai Havertz, der vor seinem 50. Länderspiel steht? Oder sogar zusammen mit Havertz?

Argumente für Füllkrug, aber auch Havertz

Für jede Option gäbe es gute Argumente. Füllkrug konnte natürlich mit dem Last-Minute-Kopfball zum 1:1 gegen die Schweiz massiv für sich werben. «So ein kleiner Emotions-Explosionsmoment war nicht ganz verkehrt», bemerkte Nagelsmann. Bislang hat der Bundestrainer beim Heimturnier sein Rollenprinzip konsequent durchgezogen. Warum sollte er nun davon abrücken. Zumal er betonte, dass Füllkrug ja auch als Einwechselspieler «eine große Rolle» gehabt habe. Fülle kam dreimal von der Bank - und zweimal schlug er zu.

Auf jeden Fall braucht es gegen die abwehrstarken Dänen gute offensive Lösungen. «Es ist eine sehr körperbetonte, robuste Mannschaft, die es jedem Gegner schwer macht, Chancen zu kreieren. Unglaublich kopfballstark - ein brandgefährlicher Gegner», urteilte Völler. Der Sportdirektor formulierte aber auch klar den eigenen Anspruch: «Den Optimismus und das Selbstvertrauen, dass wir in die nächste Runde einziehen wollen, haben wir.»

Spanien, Frankreich, Portugal und der Turnierbaum

Und natürlich geht der Blick insgeheim schon auf den weiteren Turnierbaum. Die große Europameister-Prüfung sind die in der Vorrunde ungeschlagenen, aber zugleich auch sieglosen Dänen jedenfalls noch nicht. Das wäre ein Viertelfinalduell in Stuttgart mit den Spaniern, dem einzigen Team, das in der Gruppenphase alle drei Spiele gewinnen konnte.

Danach wäre auf dem Weg zum EM-Finale in Berlin ein mögliches Halbfinale in München gegen Frankreich oder Portugal denkbar. Völler wehrte sich, schon so weit vorauszudenken: «Wir tun alle gut daran, erst mal nur aufs Achtelfinale fokussiert zu sein.»

Ein Turnier-K.-o.-Spiel ist für etliche Akteure im deutschen Kader Neuland, übrigens auch für den jungen Bundestrainer. «Das Gesetz des Turniers ist, dass die Gegner tendenziell stärker werden», sagte Nagelsmann. Am besten folgt er dem Rat des Fußball-Weisen Völler, der als Spieler und DFB-Teamchef um die besondere Drucksituation der Alles-oder-nichts-Spiele weiß und darum auch eine Lösung parat hat: «Du musst einfach funktionieren.»

Von Klaus Bergmann, Arne Richter und Heinz Büse, dpa
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