Mann des Spiels gegen die Niederlande: Jamie Leweling.
Sven Hoppe/dpa
Mann des Spiels gegen die Niederlande: Jamie Leweling.
Fußball-Nationalmannschaft

Lewelings Knalleffekt nach dem «Legenden»-Abschied

Die deutsche Nationalmannschaft holt einen Prestigesieg gegen den Erzrivalen Niederlande und qualifiziert sich vorzeitig für die K.-o.-Runde der Nations League. Vor dem Anpfiff gibt es eine Ehrung.

Im Mittelpunkt des deutschen Jubels über den Prestigesieg gegen Erzrivale Niederlande stand am großen Abschiedsabend ein Debütant. Jamie Leweling wurde von Bundestrainer Julian Nagelsmann und den Teamkollegen zu einem Traumeinstand beglückwünscht, anschließend holte sich der Stuttgarter auch noch den Applaus der Fans in der Münchner Arena ab. Der 23-Jährige sorgte beim streckenweise zähen 1:0 (0:0) der Nationalmannschaft bei seinem Vollspann-Tor in der 64. Minute für den umjubelten Siegtreffer und die vorzeitige Qualifikation für das Viertelfinale der Nations League.

«Wir haben als Mannschaft gewonnen», sagte der Matchwinner hinterher bescheiden im ZDF: «Wir haben ein gutes Spiel gemacht. Ich freue mich, dass ich helfen konnte.» Von Kapitän Joshua Kimmich bekam Leweling ein großes Lob ausgesprochen: «Ihn muss man heute herausheben, nicht nur wegen seines Tores. Er hat ein überragendes Spiel gemacht.»

Mit dem vorzeitigen Einzug in die K.-o.-Runde der Nationenliga erreichte Bundestrainer Julian Nagelsmann am Jahrestag seines ersten Länderspiels mit einer stark veränderten Zukunftself ein weiteres Etappenziel. Zwei Siege in einer Woche - das passt! «Wir freuen uns sehr und sind stolz auf die Leistung», sagte Kimmich. In den abschließenden Gruppenspielen im November gegen Bosnien-Herzegowina und Ungarn geht es nun noch darum, den ersten Platz endgültig fix zu machen. 

Schon vor dem Anpfiff wurde es in der mit 68.367 Zuschauer ausverkauften Münchner Arena laut. Bei der Verabschiedung von Manuel Neuer, Thomas Müller, Ilkay Gündogan und dem nicht anwesenden Toni Kroos erhoben sich die Zuschauer und spendeten für die deutschen Fußball-Granden viel Applaus. In diesem Moment stand nochmal die Vergangenheit im Fokus - doch dann ging es um die Zukunft.

Schiri nimmt Leweling-Tor zurück

Nagelsmann vertraute gegen den hochkarätigsten Gruppengegner in der Schaltzentrale den in München geborenen Youngstern Aleksandar Pavlovic (20) und Angelo Stiller (23). Zudem ersetzte er den wegen Adduktoren-Problemen kurzfristig ausgefallenen Deniz Undav, der am Freitag in Zencia gegen Bosnien-Herzegowina beim 2:1 beide Tore erzielt hatte, durch dessen Stuttgarter Club-Kollegen Leweling.

Und der 23-Jährige sorgte mit dem Tor zum 1:0 selbst für einen Traumeinstand als Nationalspieler: Im Anschluss an eine Ecke schloss Leweling aus dem Rückraum den Ball voller Wucht ins rechte obere Toreck. Der VfB-Profi hatte schon nach 100 Sekunden über sein Premieren-Tor gejubelt, doch das wurde nach minutenlangem Videostudium von Schiedsrichter Slavko Vincic aus Slowenien zurückgenommen. Vorlagengeber Serge Gnabry soll sich zuvor beim Abspiel von Kapitän Joshua Kimmich im Abseits befunden haben.

Nur wenig später vergab Maximilian Mittelstädt die Chance auf die frühe Führung, ehe sich für Leweling die zweite Großchance eröffnete: Nach einem schönen Angriff über Stiller und Gnabry schoss der Stuttgarter, der für den verletzten Jamal Musiala nachnominiert worden war, freistehend vom Elfmeterpunkt. Oranje-Kapitän Stefan de Vrij klärte vor der Linie (28.). 

Baumann mit Alters-Rekord

Ohne den gesperrten Abwehrchef Virgil van Dijk wirkte die Defensive der Niederländer anfällig für das Pressing der deutschen Mannschaft; so wie bei Gnabrys entschlossenem Nachsetzen gegen Quinten Timber (41.). Offensiv kam von Oranje nur wenig, Oliver Baumann erlebte zunächst einen weitestgehend ruhigen Debüt-Abend. Der 34-Jährige ist laut Datenanbieter Opta der älteste Torhüter-Debütant der DFB-Geschichte. Auszeichnen konnte er sich beim Lattenschuss des Leipzigers Xavi, als er noch mit den Fingerspitzen den Ball berührte (77.). Am Ende rettete Baumann noch mit einer guten Reaktion gegen den Dortmunder Donyell Malen (90.).

Die DFB-Elf spielte zwar nicht so spektakulär wie beim 2:2 im Hinspiel vor einem Monat. Doch unzufrieden dürfte Nagelsmann nicht gewesen sein. Das System ist inzwischen so stabil, dass es trotz fünf weiteren Umstellungen nicht auseinanderbricht. 

Ein Grund dafür waren auch Stiller und Pavlovic, die ihren Job im Mittelfeld mit großer Spielintelligenz verrichteten. Auch Neuling Leweling agierte selbstbewusst und unaufgeregt, auch wenn die Abstimmung in der weitgehend umformierten Offensive nicht perfekt war.

Ein Standard hilft 

Der Angriff erfuhr zur zweiten Halbzeit eine weitere Änderung: Nagelsmann brachte Robert Andrich für Florian Wirtz. Der Leverkusener übernahm die Position von Pavlovic, der dafür auf Wirtz' Zehner-Position vorrückte. Dem deutschen Spiel merkte man zunehmend an, dass die besten Offensiv-Spieler fehlten. Gnabry war zwar sehr bemüht und auch auffällig. Der Bayern-Profi agierte aber wie bei seiner vergebenen Chancen in der 53. Minute oft glücklos. 

Spielerisch ging bei beiden Teams nur noch wenig, Gefahr resultierte meist nur nach Standardsituationen. Eine davon nutzte Deutschland zur Führung, als Kimmich bei einer Ecke den Kopf Tim Kleindienst fand. Der Ball wurde abgewehrt und fiel Leweling vor die Füße.

Von Klaus Bergmann, Jan Mies, Christian Kunz und Jörg Soldwisch, dpa
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