In seiner Rolle als Glücksbringer konnte Jürgen Klopp nicht gleich glänzen. Zu chancenlos war sein langjähriger Freund Wojtek Czyz in dessen Badminton-Auftaktspiel bei den Paralympics in Paris. «Ich muss mal schauen, ob er noch einmal vorbeikommen darf. Das war kein erfolgreicher Tag für mich. Vielleicht war er ja der Grund», sagte Czyz, der bei Paralympischen Spielen schon viermal Gold in der Leichtathletik für Deutschland holte und inzwischen für Neuseeland startet.
Fußball-Erfolgstrainer Klopp nahm den scherzhaft gemeinten Vorwurf humorvoll auf und zeigte trotz derzeitiger Pause vom Profigeschäft seine bestens bekannten Motivationskünste. «Abwarten, abwarten. Das war erst der Start in die Paralympics, nicht das Ende», sagte der 57-Jährige. «Es ist großartig, hier zu sein, ich habe alle sieben Punkte von ihm genossen. Nein, ich saß neben seiner Frau Elena und wir hatten beide Tränen in den Augen.» Vor Stolz. Schließlich ist allein schon Czyzs Qualifikation als Erfolg zu werten.
Amputation nach Zusammenstoß in Fußballspiel
Dem 44-Jährigen musste nach einem Zusammenstoß bei einem Fußballspiel der linke Unterschenkel amputiert werden. Kurz zuvor hatte er mit 21 Jahren seinen ersten Profivertrag unterschrieben. In der Reha lernten sich Czyz und Klopp dann kennen und später spielte der gebürtige Pole in einem Benefizspiel für den 1. FC Kaiserslautern gegen den von Klopp trainierten FSV Mainz 05. «Es ist nicht so, dass wir uns jetzt jeden Tag anrufen. Aber wir kennen uns seit 23 Jahren», sagte Klopp. «Es ist lustig, wir haben uns dann erst einmal wieder aus den Augen verloren, bis wir uns zufällig 2015 im Hafen von Lissabon wiedertrafen. Wojtek hat dort Frisbee gespielt.»
In Paris nutzt der sichtlich erholte und von der Sonne gebräunte Klopp die freie Zeit auch dazu, um ein Statement für Inklusion zu setzen. Schon bei der Eröffnungszeremonie saß er auf der Tribüne am Place de la Concorde und verfolgte die Show. «Es war wie ein Taylor-Swift-Konzert - überragend. Es war nur eineinhalb Stunden zu lang für meinen Geschmack. Am Schluss habe ich gedacht, die Athleten müssen doch heim, die müssen schlafen, um fit für den Wettkampf zu sein», sagte er.
Die Geschichte seines Kumpels bewegt den ehemaligen Coach von Borussia Dortmund und des FC Liverpool. «Das ist die beeindruckendste Story, die ich in meinem Leben jemals gehört habe. Sie muss erzählt werden und ich habe das schon mehr als 500 Mal getan», sagte Klopp. «Das, was er geschafft hat, hat niemand getan, den ich kenne.»
Weltumsegelung mit Ehefrau
Czyz wurde sechs Monate nach seiner Amputation deutscher Meister im Sprint über 100 Meter. Zwei Jahre später nahm er an den Paralympischen Spielen 2004 in Athen teil und gewann auf Anhieb Gold im Weitsprung und in den Sprintrennen über 100 und 200 Meter. Nach vier weiteren paralympischen Medaillen zog er sich zurück und engagierte sich für das Projekt «Sailing4handicaps». Dabei startete er gemeinsam mit seiner Frau Elena Brambilla auf einem selbst gekauften Katamaran eine Weltumsegelung mit einer Prothesen-Werkstatt an Bord, um diese in Entwicklungsländern bereitzustellen.
Während der Corona-Pandemie entschied sich das Paar dazu, sich in Neuseeland niederzulassen. Czyz begann Badminton zu spielen und verwirklichte sich seinen Traum, zu den Paralympics zurückzukehren und in dieser Sportart als erster Spieler aus Neuseeland um Medaillen zu kämpfen. «Wir haben die Qualifikation gemeinsam gefeiert. Es gab so viele Zweifler, die gesagt haben, dass das unmöglich ist, was ich vorhabe», sagte Czyz. «Aber dann hat Jürgen gesagt: Schau Wojtek, wir sind hier. Ich bin deinetwegen hier - genieß es.»
«Wir brauchen Leute wie Jürgen»
Nachdem bei der Eröffnungsfeier - anders als bei den Olympischen Spielen - nicht die großen Weltstars aufgetreten waren, ist Klopps Anwesenheit ein Signal. «Wir brauchen Leute wie Jürgen, damit der Fokus auf die Inklusion gelegt wird. Das ist ein großartiger Tag», sagte Czyz mit einem Lächeln auf den Lippen - trotz des Dämpfers, den auch Jürgen Klopp von der Tribüne aus nicht verhindern konnte.
Und noch hat Czyz zwei Möglichkeiten, um nach dem 0:2 nach Sätzen gegen den Gold-Kandidaten Daniel Bethell aus Großbritannien doch noch weiterzukommen. Ob er doch noch einmal auf Klopps Unterstützung setzt?
Von Maximilian Wendl, dpa
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