Julian Nagelsmann: «Gegen Kylian Mbappé tun sich viele schwer, auch mit 200 Champions-League-Spielen. Der hat einen extremen Antritt».
Arne Dedert/dpa
Julian Nagelsmann: «Gegen Kylian Mbappé tun sich viele schwer, auch mit 200 Champions-League-Spielen. Der hat einen extremen Antritt».
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Klare EM-Botschaften von Nagelsmann: Startelf steht

Vor dem großen Frankreich-Test wird der EM-Kurs des Bundestrainers erkennbar. Julian Nagelsmann denkt groß, formuliert klar und handelt stringent. Und die Spieler machen bei der Rollenzuteilung mit.

Klare Rollen, klarer Plan, klare Ziele. Julian Nagelsmann wird nach seinem radikalen Kader-Umbau gleich im ersten großen Länderspiel-Test des Jahres gegen Frankreich mit Stürmerstar Kylian Mbappé offenlegen, wie er die Heim-EM doch noch zu einem neuen deutschen Fußball-Sommermärchen machen will.

Drei Turnier-Flops und den eigenen, mäßigen Start als Bundestrainer mit nur einem Sieg in vier Partien und zuletzt sogar zwei Niederlagen streift der 36-Jährige dabei ab: Aus Verlierern sollen auf den letzten EM-Drücker - angeführt von dem von ihm reaktivierten Titelsammler Toni Kroos - wieder Siegertypen werden. Nagelsmann eiert nicht rum, er macht. Und er deckt seine Karten ohne Scheu auf: In zwei Trainingsgruppen A und B enthüllte er frühzeitig seine geplante Startelf.

Füllkrug: Kann auch von der Bank «Input geben»

Den neuen EM-Kurs zieht er stringent durch - und die Spieler ziehen bei ihrer klaren Rollenzuteilung mit. «Bei einem Turnier geht es einfach darum, dass du die Spieler in einer Rolle hast, wo sie funktionieren, wo sie der Mannschaft helfen», sagte am Donnerstag Torjäger Niclas Füllkrug, der als einziger Profi von Borussia Dortmund im Kader verblieben ist. Trotz zehn Toren in 13 Länderspielen muss der 31-Jährige sich zunächst im Sturm hinter dem spielstarken und beim FC Arsenal gerade regelmäßig treffenden Kai Havertz in die Joker-Rolle fügen. Füllkrug reagierte entspannt: «Ich kann auch, wenn ich von der Bank komme, immer Input geben, Energie bringen und für gefährliche Situation sorgen.»

«Bei der EM brauchst du nicht elf Spieler, sondern 23, die alle ihre Rolle annehmen. Das Team steht über allem», sekundierte an Füllkrugs Seite auf dem DFB-Podium der Stuttgarter Deniz Undav, den Nagelsmann nach 14 Saisontoren in der Bundesliga gemeinsam mit drei weiteren VfB-Akteuren erstmals ins A-Team berufen hat. Nach dem für Nagelsmann «sehr, sehr ärgerlichen» Ausfall des von ihm wieder als Nummer eins eingeplanten Bayern-Torwarts Manuel Neuer (Muskelfaserriss) musste am Donnerstag der Heidenheimer Debütant Jan-Niklas Beste als nächster Akteur verletzt abreisen. Nachnominierungen gibt es nicht.

EM-Ziel: Groß denken statt klein

Seine Haltung und Herangehensweise versucht Nagelsmann beim Neustart kurz vor der EM auf sein personell und auch hierarchisch neu formiertes Team zu übertragen. Vor dem Kräftemessen mit dem EM-Favoriten Frankreich am Samstag (21.00 Uhr/ZDF) im knapp 60 000 Zuschauer fassenden Groupama Stadium von Lyon machte er sie bei einer Fragerunde mit Fans auch öffentlich. Überschrift: Schluss mit Zweifeln! Groß denken statt klein!

«Ich finde immer, wenn man irgendwo teilnimmt, selbst beim Mensch-ärgere-dich-nicht, dann soll man auch gewinnen wollen. Und wenn man an einem Turnier teilnimmt, wäre es schon ratsam, auch gewinnen zu wollen», sagte Nagelsmann. «Ich würde schon gerne mit der Mannschaft das Ding gewinnen. Sonst brauchen wir nicht anzufangen, dann machen wir lieber Urlaub - ob wir jetzt Favorit sind oder nicht.» Gewinner-Typen sind gefragt.

DFB-Plan mit dem Bundestrainer

Ein Verlierer-Image passt nicht zum jugendlich forschen Nagelsmann, mit dem der DFB nach einem «Kicker»-Bericht noch vor dem Turnierstart den aktuell bis zum Sommer befristeten Vertrag verlängern möchte. Die weitere Zusammenarbeit, die auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf ausdrücklich unterstützen würde, soll freilich an ein gewisses EM-Abschneiden gekoppelt werden, auf das sich beide Parteien noch verständigen müssen. «Man muss nicht verlieren können, sondern muss es akzeptieren, auch mal zu verlieren. Aber wer anfängt, verlieren zu können - dann kannst du es vergessen, das wird nie mehr was.»

Die Klarheit in den Aussagen soll sich auch im Handeln widerspiegeln. Und so enthüllte Nagelsmann am Donnerstag mit einer Trainingsgruppe A und B seine mögliche Startelf. Die noch 20 verfügbaren Feldspieler übten getrennt in zwei Zehner-Gruppen. Und daraus ließ sich die Formation ableiten, die in Frankreich offensichtlich beginnen soll.

Elf gegen Frankreich mit Mittelstädt und Andrich

Vor Marc-André ter Stegen, der Neuer im Tor ersetzen wird, bilden Joshua Kimmich, Jonathan Tah, Antonio Rüdiger und der Stuttgarter Neuling Maximilian Mittelstädt die Abwehrreihe. Neben Fixpunkt Kroos ist im Mittelfeld der Leverkusener Robert Andrich in der Rolle des «Workers» vorgesehen. Sozusagen der Typ Arbeiter, auf den Nagelsmann vermehrt zu setzen gedenkt. Die Offensiv bildet Kapitän Ilkay Gündogan mit den Jungstars Florian Wirtz und Jamal Musiala sowie dem spielstarken Arsenal-Profi Havertz davor.

Andere Startelf-Kandidaten wie BVB-Angreifer Füllkrug, Bayern-Routinier Thomas Müller oder der neben Kroos ebenso denkbare Brighton-Profi Pascal Groß gehörten zur zweiten Zehner-Gruppe und damit zu den Akteuren, die erstmal in der Herausforderer-Rolle sind.

Klagen wollte Füllkrug nach dem Training aber nicht. «Ich glaube, meine Position ist unverändert», sagte er zu seiner Rolle im DFB-Team. «Es gab immer mal wieder Spiele, die ich von Beginn an bestritten habe. Es gab aber auch das eine oder andere, wo ich von der Bank kommen konnte. Ich glaube, dass ich in beiden Positionen der Mannschaft helfen konnte. Ich habe einige meiner Tore auch von der Bank erzielt.» Genau dieses Rollenverständnis erwartet und fordert Nagelsmann für den maximalen EM-Erfolg.

Von Klaus Bergmann und Arne Richter, dpa
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