«Grandios»: Rad-König Evenepoel schreibt Olympia-Geschichte
Gold im Zeitfahren hat er schon - und im Straßenrennen zieht Remco Evenepoel einfach nach. Das gab es noch nie. Das belgische Wunderkind hat mit nur 24 Jahren fast alles gewonnen.
Gold im Zeitfahren hat er schon - und im Straßenrennen zieht Remco Evenepoel einfach nach. Das gab es noch nie. Das belgische Wunderkind hat mit nur 24 Jahren fast alles gewonnen.
Remco Evenepoel stieg vom Rad, breitete beide Arme aus und blickte im Schatten des Eiffelturms in den grauen Pariser Himmel. Mit einer historischen Triumphfahrt krönte sich das Radsport-Wunderkind zum zweifachen Olympiasieger von Paris, löschte einen Rekord von Jan Ullrich und hat mit nur 24 Jahren schon fast alles erreicht. «Einfach grandios», urteilte Maximilian Schachmann staunend. Der Berliner und der Kölner Nils Politt spielten bei der Medaillenvergabe keine Rolle.
Der Fokus lag allein auf Evenepoel, der im kommenden Jahr dem Vernehmen nach für das deutsche Team Red Bull fahren wird. Eine Woche nach seinem Triumph im Einzelzeitfahren siegte der Belgier auch im Straßenrennen. Das war noch niemandem gelungen. Als Bonus löste er den 2000 erfolgreichen Ullrich als jüngsten Olympiasieger ab.
Selbst ein Defekt etwas mehr als drei Kilometer vor dem Ziel, ausgerechnet am weltberühmten Louvre, stoppte Evenepoel nicht. Über eine Minute hatte er nach 273 Kilometern und dem längsten Rennen der Olympia-Geschichte auf die anderen Medaillengewinner Valentin Madouas und Christophe Laporte aus Frankreich Vorsprung.
Politt läutet Finale ein
Dabei hatte Politt mit einer Attacke rund 60 Kilometer vor dem Ziel das spektakuläre Finale eröffnet und sich mit fünf anderen abgesetzt. Doch nach einem brachialen Antritt von Weltmeister Mathieu van der Poel bei der erstmaligen Überquerung des Monmartre-Anstiegs zur Sacré-Cœur schlossen die Spitzenfahrer auf - und Politt verließen gut 30 Kilometer vor dem Ziel die Kräfte.
Lediglich 90 Fahrer machten sich am Morgen am Eiffelturm auf den Weg in den Südwesten von Paris. Deutschland war mit nur zwei Profis vertreten, die Top-Nationen wie Belgien mit vier Fahrern. Die geringe Teamgröße erschwerte es, das Rennen zu kontrollieren - und so bot sich Außenseitern die Chance, sich zu zeigen. Fahrer aus Ruanda, Uganda, Thailand, Marokko und Mauritius setzten sich noch in Paris ab, fuhren maximal 15 Minuten Vorsprung heraus.
Die Strecke - eine Mischung aus den hügeligen WM-Kursen von Löwen und Glasgow - hatte zwar nur 2800 Höhenmeter, doch hielten sich die flachen Abschnitte außerhalb der französischen Hauptstadt in Grenzen. Die meisten Fahrer kannten die Straßen und insgesamt 13 Anstiege aus dem Frühjahr von der Fernfahrt Paris-Nizza, die in der Region gestartet wird.
Unter dem Tempodiktat der Teams aus Dänemark, Belgien und der Niederlande wurden die Ausreißer bereits 72 Kilometer vor dem Ziel eingeholt und die entscheidende Rennphase wurde vor der Rückkehr nach Paris eingeleitet. Auf den Schlussrunden mit der dreimaligen Überquerung des 6,5 Prozent steilen Montmartre-Anstiegs ging es dann allerdings richtig zur Sache.
Hoffnungen auf der Bahn
Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) hat auf der Straße nur noch am Sonntag beim Frauen-Rennen die Chance auf eine Medaille. Das Trio Franziska Koch, Antonia Niedermaier und Liane Lippert darf sich in dem 158 Kilometer langen Rennen durchaus zum Kreis der Medaillenanwärterinnen zählen. Favoriten auf Gold sind allerdings andere: Lotte Kopecky aus Belgien, die Italienerin Elisa Longo Borghini und die Niederländerin Lorena Wiebes.
Die größten Hoffnungen des BDR liegen ohnehin auf der Bahn. Von den Sprinterinnen Emma Hinze, Lea Sophie Friedrich und Pauline Grabosch wird mindestens eine Medaille erwartet. Der Vierer der Frauen zählt trotz des Olympiasieges von Tokio nicht zu den Goldanwärtern, Edelmetall ist aber nicht unmöglich.
Von Tom Bachmann, dpa
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