Nagelsmann: «Das gibt es nur im Fußball»
Lobeshymnen gab es von allen Seiten. Bayern-Kollege Joshua Kimmich sagte: «Ich freue mich sehr, sehr für ihn.» 1:1-Schütze Tim Kleindienst meinte: «Es hat Spaß gemacht, mit ihm zu spielen.» Und der Bundestrainer wirkte förmlich erleichtert, dass er Goretzka wieder als Nationalspieler würdigen konnte. «Ein Top-Comeback, das klingt immer so hochtrabend, nach alldem was passiert ist. Das gibt es nur im Fußball», sagte Nagelsmann in der Mailänder Nacht.
Er bescheinigte Goretzka einen «Top-Charakter». Nie habe er anderes gesagt, trat der Bundestrainer dem Eindruck entgegen, die Demission zum Start ins EM-Jahr 2024 habe andere als sportliche Gründe gehabt.
Tatsächlich, das ist in der Retrospektive nun klar, war Goretzka schlicht ein Kroos-Opfer. Das Comeback von Toni Kroos machte ihn im Nationalteam überflüssig. Die Rolle als Backup wäre nichts für ihn gewesen und damit nichts für das Team. Ersatzbank-Szenarien sind jetzt überflüssig. In der Verfassung ist der 30-Jährige die Nummer eins auf der Sechserposition.
Gesucht wird nur der Nebenmann
Die Frage vor dem Rückspiel gegen Italien am Sonntag (20.45 Uhr/RTL) in Dortmund ist nicht mehr, ob Goretzka spielt. Sondern, wer neben ihm spielen darf. Pascal Groß? Robert Andrich? Angelo Stiller? Goretzka jedenfalls düste vom Abstellgleis direkt in die Pole Position.
Der Charakter von Goretzka hat sich nicht geändert. Er bleibt der bedächtig Wirkende. Manchmal erscheint er dadurch unnahbar. Ein TV-Interview musste auch reichen. Mit schnellen Schritten marschierte er durch die schmucklose Pressezone des Giuseppe-Meazza-Stadions. «Ich habe schon gesprochen», warf er den im grellen Neonlicht wartenden Reportern noch leise einen Satz zu.
Schweigen als Stärke
Für seine Stabilität, für seine Power, für sein Siegtor wurde der Bayern-Profi von Nagelsmann gelobt. Und gerühmt wurde er für sein Durchhaltevermögen in schlechten Zeiten. Und für seine Fähigkeit, trotz viel Kritik zu schweigen. Wie im Sommer 2024 einsam am Wasser.
«Er hat bewiesen, dass es sich lohnt, auch mal Täler zu durchschreiten. Und sich aus vielen Diskussionen herauszuhalten, das war der cleverste Move von ihm, dass er nicht alles kommentiert hat», sagte der Bundestrainer über seinen Rückkehrer, dem er selbst vor einem Jahr die schmerzhafte Degradierung samt EM-Ausbootung zugefügt hatte. Goretzka sei nun der «MVP» gewesen, der wertvollste Akteur.