Dass Rafael Nadals Vermächtnis auch nach seinem Abschied von den French Open für immer unvergessen bleibt, zeigt eine rührende Szene seines Vaters Sebastián. Der 60-Jährige suchte kurz vor dem Erstrunden-Aus seines Sohns gegen Alexander Zverev die Statue aus Stahl auf, die seit 2021 zu Ehren des Rekordchampions im Stade Roland Garros steht. Videoclips in den sozialen Medien zeigen, wie Nadals Vater sich dem Denkmal andächtig nähert, fast ein wenig beschämt durchs weißgraue Haar streicht und ein Erinnerungsfoto macht.
Die Statue zeigt Tennisstar Nadal bei seinem typischen Vorhandschlag mit dem extremen Topspin. Damit hat der Spanier fast zwei Jahrzehnte seine Gegner beim Grand-Slam-Turnier auf Sand zur Verzweiflung gebracht und etliche Rekorde aufgestellt: offener Mund, schwungvoller Schlag, dynamische Beine. In manchen Momenten war dieser Rafael Nadal auch beim Erstrunden-Showdown gegen Zverev am Montag zu bestaunen. Aber das war nicht genug. Der Sandplatz-König dankt ohne einen 15. und letzten French-Open-Sieg ab - doch es könnte eine letzte triumphale Rückkehr nach Paris geben.
«Meine Gedanken gehen bis zu den Olympischen Spielen», sagte der 37-Jährige angesprochen auf sein nahendes Karriereende. Beim olympischen Tennisturnier im Stade Roland Garros will der Ausnahmekönner Abschied von der großen Tennis-Bühne nehmen und dabei sportlich wettbewerbsfähiger sein als bei seinem 19. und höchstwahrscheinlich letzten French-Open-Start. Dafür verzichtet er wohl auf den Rasen-Klassiker in Wimbledon.
Zverev glaubt an Nadal-Rückkehr
Die Rasensaison sehe er als «schwierig» an, sagte der zweimalige Wimbledon-Gewinner: «Ich weiß nicht, ob es so schlau wäre, nach all dem, was meinem Körper passiert ist, jetzt eine Umstellung auf einen komplett anderen Belag zu machen und dann wieder auf Sand zurückzukehren.» Das dritte Grand-Slam-Turnier der Saison startet in diesem Jahr am 1. Juli, das olympische Tennisturnier auf Sand beginnt am 27. Juli.
Bis dahin will sich der von Verletzungen geplagte Nadal noch dichter an die Weltspitze herankämpfen. «Ich war nicht so weit weg», sagte der 22-malige Grand-Slam-Turniergewinner nach der Dreisatz-Niederlage in seinem «Wohnzimmer» Court Philippe Chatrier gegen Zverev, «das ist mein Gefühl und meine Wahrheit». Zumindest die spanischen Medien sahen es auch so, «Mundo Deportivo» schrieb von einem «epischen Adiós».
Die Fortschritte, die der Altmeister seit seinem neuesten Comeback Mitte April gemacht habe, seien «beeindruckend», meinte auch Zverev. Der Hamburger kann sich deshalb nicht so recht vorstellen, dass Nadal nach der Saison wirklich aufhört. «Ich glaube immer noch, dass er nächstes Jahr zurückkommt», sagte der Tokio-Olympiasieger bei Eurosport. Und wenn nicht, würde er gerne bei den Sommerspielen in Paris noch mal gegen ihn antreten - «aber im Finale», wie Zverev lächelnd einschränkte: «In der ersten Runde habe ich keine Lust mehr darauf, das hat mir gereicht.»
Nadals aktuelle Form reicht nicht
Auch Nadal wäre dem Turnierfavoriten Zverev zum Auftakt gerne aus dem Weg gegangen, doch als ungesetzter Weltranglisten-275. war er bei der Auslosung auf Glück angewiesen. Das hatte Nadal weder beim Draw noch im Match selbst, dem er bei eigenem Aufschlag zum Gewinn des zweiten Satzes vielleicht noch eine Wende hätte geben können. Doch seine aktuelle Form reichte nicht gegen die Nummer 4 der Welt. Die erst vierte Niederlage im 116. Match bei seinem Lieblingsturnier war erwartbar - und tat trotzdem weh.
Trost fand Nadal im warmen Abschieds-Applaus der 15 000 Zuschauer. Unter ihnen war nicht nur sein 19 Monate alter Sohn Rafael junior, der das Match auf dem Schoß seiner Mutter Xisca Perelló verfolgte. Auch die Weltranglistenersten Novak Djokovic und Iga Swiatek sowie Landsmann Carlos Alcaraz wollten sich das Spektakel nicht entgehen lassen. Er sei «glücklich» darüber, sagte Nadal, «denn das bedeutet, dass ich ein positives Erbe hinterlassen habe».
Jörg Soldwisch, dpa
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