Niclas Füllkrug ist Fußball-Nationalspieler aus Leidenschaft. Und der Fan-Liebling ist quasi der Fahnenträger der DFB-Auswahl. Der spätberufene Torjäger, der bei der Heim-EM dauerhaft auf die Rolle des Top-Jokers reduziert war, sieht das DFB-Team nach dem Verlust hochdekorierter Führungskräfte wie Toni Kroos, Manuel Neuer, Ilkay Gündogan und Thomas Müller in einer Zeitenwende. Andere sind nun (noch) mehr gefordert - Typen wie er.
Die Ü30-Fraktion ist merklich geschrumpft. Und der 31 Jahre alte Füllkrug fühlt sich berufen, noch mehr ein Sprachrohr zu sein. Am Mittwoch sitzt der im Sommer von Borussia Dortmund zu West Ham United gewechselte Mittelstürmer in Herzogenaurach über eine halbe Stunde lang auf dem DFB-Podium und spricht ausführlich über alle Themen rund um das DFB-Team, den neuen Kapitän, die neue Nummer eins und den Aufbruch zur WM mit den anstehenden Partien in der Nations League.
Auch wenn im 23-Mann-Kader noch 20 EM-Akteure stehen, ist für Füllkrug vieles anders. «Es ist schon eine krass veränderte Mannschaft. Es sind zwar nur vier, fünf Leute, die nicht da sind. Aber uns haben halt ein paar ganz, ganz große Namen verlassen, die tragende Rollen hatten», sagt er mit Blick auf Gündogan, Kroos, Müller und Neuer.
Weitermachen, wo man bei der EM aufgehört hat
Trotzdem soll der EM-Schwung nicht verloren gehen, sondern am Samstag (20.45 Uhr/ZDF) in Düsseldorf gegen Ungarn und drei Tage später in Amsterdam gegen Holland genau da angeknüpft werden, «wo wir bei der EM aufgehört haben». Die Fans sollen sich weiter auf jedes Länderspiel freuen, wünscht sich Füllkrug. Auch wenn klar sei, «dass wir in der Nations League nicht die Euphorie erzeugen können wie bei einem Heimturnier».
Aber Energie, Siegeswille, Begeisterung, das soll in den Stadien weiterhin zu sehen und zu spüren sein. «Ein sehr gemeinschaftliches Deutschland», das hat Füllkrug bei der Heim-EM besonders gefallen, auch wenn im Viertelfinale gegen Spanien vorzeitig Schluss war. Das bittere Aus hat er trotzdem anders wahrgenommen als die Fußballer, die sich hauptsächlich über Titel definieren würden. «Bei mir war der Schmerz viel mehr, dass diese Reise vorbei war», sagt Füllkrug: «Der Weg ist das Ziel, das ist bei mir ganz oft so.»
Jetzt beginnt eine neue Reise, die bei der WM 2026 möglichst triumphal enden soll. «Wir wollen eine etwas unerfahrenere, gierige, hungrige Truppe sein, die vielleicht diesen einen Erfolg noch mehr möchte als der, der ihn schon hat. Das legen wir als Arbeitsmoral fest.»
Füllkrug zählt sich dabei zu dem Kreis, der vorangeht. «Meine Position sehe ich nach oben gerutscht in der Hierarchie.» Er beginnt auch persönlich eine ganz neue Reise, eine neue Lebensphase. Nach seinem Wechsel nach England ist Füllkrug nun neben der neuen Nummer eins Marc-André ter Stegen (FC Barcelona) und Angriffskollege Kai Havertz (FC Arsenal) einer von drei Nationalspielern, die im Ausland spielen.
Eine Spitze gegen den BVB
Er spricht von «einem weiteren Traum», der sich für ihn mit der Premier League und dem Leben in London erfüllt. Als er über den Millionen-Wechsel spricht, verhehlt er aber auch nicht eine gewisse Enttäuschung über das Dortmunder Verhalten. «Ich möchte niemandem auf die Füße treten», sagt Füllkrug - und tut es dann verbal doch: «So ein Transfer, den der BVB getätigt hat, ist nicht der größte Vertrauensbeweis.» Die Dortmunder Bosse setzen künftig auf Tore des neuen, aus Stuttgart geholten Torjägers Serhou Guirassy.