Als sich Novak Djokovic mit Krücken und dem Pariser Eiffelturm im Hintergrund zeigte, schien ein Wimbledon-Triumph nahezu ausgeschlossen. Doch nur fünf Wochen später führt der Weg zum Titel im Südwesten Londons wieder nur über ihn. Manchmal scheint es, als würde der langjährige frühere Weltranglisten-Erste aus Widerständen Kraft schöpfen. Sei es aus den Zweifeln und Zweiflern an seiner Fitness oder der fehlenden Anerkennung des Publikums, die in Wimbledon in seinem kuriosen «Gooooood night»- Wunsch gipfelte.
Vieles läuft in diesen Tagen im All England Lawn Tennis and Croquet Club positiv für den 37-Jährigen. Und was der Weltranglisten-Zweite seit seiner Ankunft klarstellte, hat er längst bewiesen: «Ich bin nicht hierhergekommen, um ein paar Runden zu spielen. Ich will wirklich um den Titel spielen.»
Grand-Slam-Halbfinal-Debütant als nächster Gegner
Sein Wimbledon-Halbfinale am Freitag gegen Lorenzo Musetti dürfte für ihn eine machbare Aufgabe sein. Während Djokovic seinen 25. Titel bei einem der vier bedeutendsten Turniere der Sportart anstrebt, steht der 15 Jahre jüngere Italiener aus der kleinen Stadt Carrara in der Toskana zum ersten Mal in einem Grand-Slam-Halbfinale. «Er kennt den Belag und das Stadion wahrscheinlich besser als ich», sagte Musetti mit einem Lachen. «Spaß beiseite, er ist überall eine Legende, aber besonders hier in Wimbledon.»
Im Viertelfinale war Djokovic sein relativ reibungsloser Weg durch die 137. Wimbledon-Auflage noch erleichtert worden, als der Australier Alex de Minaur mit einer Hüftverletzung wenige Stunden vor dem Spiel verletzt absagte. Nach seiner recht einfachen Auslosung und den Verletzungen möglicher kniffliger Gegner wie dem Hamburger Alexander Zverev hat Djokovic nun auch noch drei spielfreie Tage. Im Tennis ist eine solche Pause ungewöhnlich, dem Knie des Serben dürften sie zugutekommen.
Djokovic zeigt sich in Wimbledon als entspannter Familienvater, der mit seinen Kindern Stefan und Tara albert und seiner Frau Jelena zum zehnten Hochzeitstag eine Liebeserklärung macht. An seinen Ambitionen hat aber auch der Meniskusriss vom Achtelfinale der French Open nichts geändert. Am Sonntag möchte er den Pokal für seinen achten Wimbledon-Triumph in den Händen halten und in einem für ihn bislang enttäuschenden Jahr endlich den ersten Turniersieg feiern.
Djokovic im Schatten von Federer und Nadal
Seinen 24 Triumphen bei den Grand-Slam-Events hat er in dieser bisher komplett titellosen Saison noch keinen hinzugefügt. Doch egal, wie viele Titel und Triumphe dem Rekord-Grand-Slam-Sieger gelingen, um die Akzeptanz und Popularität eines inzwischen zurückgetretenen Roger Federer oder eines Rafael Nadal kämpft er noch immer.
Im Achtelfinale sah er sich mal wieder mit Ablehnung konfrontiert. Nach einem etwas wackligeren Auftakt in den ersten Runden überzeugte er gegen Holger Rune, den das Publikum frenetisch unterstützte. Djokovic hörte es als Buhrufe.
«All denen, die entschieden haben, den Spieler nicht zu respektieren, in diesem Fall mich, wünsche ich eine guuuuuute Nacht. Guuuute Nacht. Guuuute Nacht. Sehr guute Nacht», sagte Djokovic beim Siegerinterview auf dem Centre Court provokant. Dass es nur ein Missverständnis sei, wollte er nicht akzeptieren. «Ich kenne alle die Tricks. Ich weiß, wie es läuft.» Das könne ihm aber nichts anhaben.
Unterstützung erhielt Djokovic von Tennisikone John McEnroe: «Er kämpft schon seine ganze Karriere lang damit. Und ja, er ernährt sich von der negativen Energie», sagte der Ex-Profi, früher ein Bad Boy, bei der BBC. Er bewundere Djokovic für den Mut einer solchen Rede, weil es in gewisser Weise noch mehr Leute gegen ihn aufbringen könnte. «Wir brauchen ihn, er ist zu großartig für unser Spiel», sagte McEnroe.
Kristina Puck, dpa
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