Die Formel-1-Rückkehr ins Riesenreich
China ist der wichtigste Markt für Autobauer. Umso größer ist die Freude der Formel 1, zum ersten Mal seit der Corona-Pandemie wieder in Shanghai zu fahren.
China ist der wichtigste Markt für Autobauer. Umso größer ist die Freude der Formel 1, zum ersten Mal seit der Corona-Pandemie wieder in Shanghai zu fahren.
Michael Schumacher feierte in China am 1. Oktober 2006 im Ferrari den 91. und letzten seiner Grand-Prix-Siege. 2019, als die Formel 1 zum bisher letzten Mal auf dem Shanghai International Circuit antrat, fuhr Kumpel Sebastian Vettel für die Scuderia auf Platz drei, Max Verstappen wurde Vierter und war noch ein ganzes Stück entfernt von seinem ersten WM-Titel.
Seitdem machte die Königsklasse des Motorsports gezwungenermaßen einen Bogen um den Markt, der für Autohersteller der größte der Welt ist. Als einen «wichtigen Moment» bezeichnete Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff daher das Comeback der Formel 1 an diesem Wochenende im Land mit rund 1,4 Milliarden Menschen. China sei ein Schlüsselmarkt.
Beim letzten China-Rennen hatte Verstappen gerade mal fünf Siege
Binnen 18 Monaten war der 5,451 Kilometer lange Kurs ab April 2003 gebaut worden, umgerechnet rund 423 Millionen Euro kostete die Strecke im Jiading Distrikt damals offiziellen Angaben zufolge. Es war einer der ersten Kurse, mit denen der damalige Formel-1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone den Expansionskurs forcierte, 2004 feierte China die Rennpremiere. Doch nach anderthalb Jahrzehnten war erstmal Pause: genauer Corona-Pause. Die Pandemie und die strenge Null-Covid-Strategie der chinesischen Politik machten einen Start unmöglich.
Auch deswegen fehlt Shanghai noch auf der Sieg-Länderkarte von Verstappen. Als zum bisher letzten Mal auf dem hochmodernen Kurs gefahren wurde, hatte der Niederländer noch nicht mal einen WM-Titel und stand bei gerade mal fünf Siegen. Nun reist er mit drei WM-Triumphen und 57 Grand-Prix-Erfolgen an und dürfte an diesem Wochenende, bei dem es auch zum ersten Sprintrennen des Jahres kommt, wieder die maximale Punktzahl anstreben.
Kein Netflix und damit kein «Drive to survive» in China
Auf volle Ränge kann auch er bauen. Denn die Zwangspause hat der Begeisterung keinen Abbruch getan. Die Eintrittskarten waren offiziellen Angaben zufolge waren bereits nach einer Stunde vergriffen, als am 9. Januar der Vorverkauf startete - trotz Preisen von umgerechnet bis zu knapp 500 Euro. Huang Jiezhi, Manager von Veranstalter Shanghai Jiushi Smart Sports, zufolge standen dreimal so viele Leute auf der Warteliste, wie es Tickets gibt.
Auch die Tatsache, dass der Formel-1-Euphoriebeschleuniger «Drive to survive» in China nicht zu sehen ist, weil dort der amerikanische Streamingdienst Netflix nicht vertreten ist, hat sich offensichtlich nicht negativ ausgewirkt. Erst im Juli vergangenen Jahres hatte die Formel 1 dafür bekannt gegeben, dass ein mehrjähriger Vertrag mit dem chinesischen Internet-Riesen Tencent abgeschlossen wurde.
Sämtliche Trainings, Qualifikation, Sprint- und Hauptrennen werden auf dessen digitalen Plattformen gezeigt. Und das nur ergänzend zu den anderen chinesischen TV-Partnern der Formel 1 CCTV, Shanghai TV und Guangdong Television Channel.
Es sei nicht nur für Mercedes-Benz, sondern für die gesamte Sportart wichtig, dort präsent zu sein, sagte Wolff der Deutschen Presse-Agentur vor dem China-Comeback. Die Formel 1 habe seit 2019 eine bemerkenswerte Wachstumsphase durchlaufen. «Wir sind in neue Märkte expandiert, haben unser Publikum weiter ausgebaut und eine neue Generation von Fans angezogen. Dieses Wachstum hat sich in China fortgesetzt, und die Rückkehr des Großen Preises von China wird dazu beitragen, diesen Fortschritt anzukurbeln.»
Durchschnittsalter bei Ferrari-Käufern in China bei 35 Jahren
China ist der größte Automarkt der Welt. Als solcher ist er auch für die deutschen Hersteller Volkswagen - inklusive der Töchter Audi und Porsche -, BMW und Mercedes-Benz der wichtigste Einzelmarkt. Aber auch für eine Marke wie Ferrari. «Im Vergleich zum Rest der Welt haben wir hier zweifellos die jüngsten Kunden», erklärte ein Ferrari-Manager einmal in einem Beitrag unter dem Titel «China - ein ganz besonderer Markt». Er betonte: «Das Durchschnittsalter liegt bei fünfunddreißig Jahren.»
Die Scuderia feierte in China bisher vier Siege, sechsmal gewann ein Mercedes, dreimal ein McLaren-Mercedes, dazu zweimal ein Red Bull und einmal ein Renault. Rekordsieger unter den Fahrern in China ist Lewis Hamilton. Der siebenmalige Weltmeister siegte in Shanghai sechsmal, auch zuletzt 2019. Es war das 1000. Rennen in der Geschichte der Formel 1 gewesen.
Wie wichtig ist es also für einen Hersteller, gerade dort, im Land des größten Automarkts der Welt, nicht nur dabei zu sein, sondern auch erfolgreich anzutreten? Als eine der wirklich globalen Sportarten, werde jeder Grand Prix von einem großen diversen Publikum verfolgt, betonte Wolff. Mercedes sei an jedem Rennwochenende bestrebt, die absolut beste Leistung zu bringen. «Natürlich bringt die Rückkehr nach China nach fünf Jahren auch zusätzliche Motivation für ein starkes Wochenende», sagte er.
Der Heimauftritt des «Shanghai Tigers»
Ein starkes Wochenende dürfte sich ganz besonders Guanyu Zhou erhoffen. Seit 2022 ist der 24-Jährige aus Shanghai Stammpilot in der Formel 1. Chinesische Staatsmedien feierten schon zu Jahresbeginn den Heimauftritt ihres Landsmannes. «Chinas F1-Fahrer Zhou freut sich auf einen Durchbruch in der neuen Saison», hatte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am 11. Januar getitelt. Sportlich fährt der «Shanghai Tiger», wie er sich selbst nennt. allerdings bei Kick Sauber in diesem Jahr nur hinterher.
Doch sind die Zahlen und Zeiten nicht alles, es geht auch um Emotionen und um emotionale Bindungen. Die Formel 1 biete den Fans eine Gelegenheit, sich auf einer eher menschlichen Ebene mit der Marke auseinanderzusetzen und die Werte zu verstehen sowie zu begreifen, wofür die Rennserie stehe, sagte Wolff: «Das kann bei der Kaufentscheidung oft genauso wichtig sein wie das Produkt selbst.»
Von Jens Marx und Johannes Neudecker, dpa
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