Der Boss macht Druck: Audi soll auf Formel-1-Speed kommen
Audi hat Panik bekommen - und tauscht die Führung seines Formel-1-Projekts aus. Der neue Boss hat etwas Harry-Potter-Haftes. Bei Ferrari hat er einst Sebastian Vettel abserviert.
Audi hat Panik bekommen - und tauscht die Führung seines Formel-1-Projekts aus. Der neue Boss hat etwas Harry-Potter-Haftes. Bei Ferrari hat er einst Sebastian Vettel abserviert.
An einem nieseligen Tag Ende August 2022 in Spa-Francorchamps war Markus Duesmann mega stolz. Duesmann war damals Audi-Chef und durfte mit geschwellter Brust den Formel-1-Einstieg der Volkswagen-Tochter zur Saison 2026 verkünden. An seiner Seite hinter einem futuristischen Rennwagenmodell stand damals nicht weniger stolz der damalige Audi-Technik-Vorstand Oliver Hoffmann. Was war dieser 26. August 2022 doch für ein Tag!
Fast zwei Jahre später ist von diesem Schnappschuss aus dem stolzen Audi-Familienalbum nicht viel übrig geblieben. Duesmann ist schon längst nicht mehr Chef der Ingolstädter. Und auch Hoffmann, der zuletzt Generalbevollmächtigter für das Formel-1-Projekt war, ist seinen Job los. Zusammen mit Andreas Seidl, dem bisherigen Geschäftsführer des künftigen Audi-Werksteams, wurde er abgesetzt und durch den früheren Ferrari-Teamchef Mattia Binotto ersetzt. Und das unmittelbar vor dem Grand Prix von Belgien in Spa-Francorchamps.
Mehr reinen Tisch in der Projektarbeit kann man kaum machen. Mehr Panik rund eineinhalb Jahre vor dem Ernstfall auf dem Asphalt können Personalentscheidungen kaum widerspiegeln. «Unser Ziel ist es, das ganze Formel-1-Projekt durch klare Führungsstrukturen, eindeutige Verantwortlichkeiten, reduzierte Schnittstellen und effiziente Abstimmungsprozesse auf F1-Speed zu bringen», erklärte Audi-Boss Gernot Döllner, der auch gleich bei der Sauber Motorsport AG den Vorsitz des Verwaltungsrats übernimmt. «Dazu muss das Team eigenständig und schnell agieren können.»
Döllner ging es einerseits offensichtlich nicht flott genug. Denn Kick Sauber, das zu 100 Prozent von Audi als Werksteam übernommen wird, ist in dieser Saison das einzige noch punktlose Formel-1-Team. Deutlicher kann ein Reformstau nicht beschrieben werden. Nicht auszudenken, wenn das auch von 2026 an so sein sollte.
Aus zwei Audi-Alphas wird ein Audi-Alpha
Dann wollte es Döllner andererseits auch schnittiger. Denn zwischen Seidl, der als Teamchef bei McLaren von 2019 an den Turnaround erfolgreich moderiert hatte, und Hoffmann soll es einen Machtkampf gegeben haben. Döllner entschied sich für einen klaren Schnitt und entband beide Audi-Alphas von ihren Aufgaben.
Der neue Mann wurde früher im Fahrerlager wegen seiner Brille mit dem Zauberlehrling Harry Potter verglichen. Binotto hat das nie besonders gefallen, dafür ist der in der Schweiz geborene Italiener auch zu sehr Kopfmensch. Der Mann mit dem Wuschelkopf war 1995 zu Ferrari gestoßen und diente noch Michael Schumacher in dessen Ferrari-Ära als Motoreningenieur. Später stieg Binotto zum Technikdirektor auf, ehe er Anfang 2019 nach einem Machtkampf Maurizio Arrivabene als Teamchef ablöste.
Binotto weiß, wie gnadenlos das Formel-1-Geschäft ist. Das hat er auch Sebastian Vettel spüren lassen. In der Corona-Saison 2020 servierte Binotto den viermaligen Weltmeister zum Jahresende am Telefon ab. Dreimal ging er vorher im Geiste durch, was und wie er es dem Deutschen sagen werde, räumte der damalige Ferrari-Teamchef ein.
Binotto, zuletzt bei einem Technologieunternehmen für den Bereich Elektroantrieb zuständig, nimmt zum 1. August seinen neuen Job bei Audi auf. «Mit seiner großen Erfahrung aus über 25 Jahren Formel 1 wird er mit Sicherheit einen entscheidenden Beitrag für Audi leisten können», äußerte Döllner.
Aufgaben hat Binotto genug. Kick Sauber muss als Rennstall umgebaut werden, damit Audi ab 2026 als Werksteam Gas geben kann. Und dann muss natürlich noch ein zweiter Fahrer neben dem aktuellen Haas-Mann Nico Hülkenberg gefunden werden. Vielleicht entscheidet sich nun Carlos Sainz ja doch für Audi. Der Spanier kennt Binotto bestens, war er es doch, der neuer Ferrari-Fahrer wurde, nachdem Vettel den Laufpass bekommen hatte.
Martin Moravec, dpa
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