«Ich habe keine Pumpe mehr, nichts», sagte sie völlig verzweifelt und versuchte, einen Silikonschlauch sogar mit dem Mund aufzublasen «Ich bin irgendwo drüber gefahren, der Reifen ist total hin.»
Alle Versuche, den Defekt am Hinterrad zu beheben, blieben vergeblich. «Es war nicht reparabel», sagte sie wenig später und schilderte, was genau passiert war: «Ich war dabei, meine Schuhe anzuziehen, habe auf der Straße aber auch gar nichts gesehen, es war eine super schön gefegte Straße und auf einmal hat es peng gemacht. Dann ist der Reifen explodiert», schilderte sie.
Einen Zentimeter lang sei der Schnitt etwa gewesen. Zu viel, um mit dem beschädigten Mantel wieder auf die Strecke zu fahren. «Nach 25 Minuten kam dann auch kein Mechaniker. Da blieb mir nichts andere übrig. Wir sind halt einfach Selbstversorger auf der Strecke. Man hat aber keinen neuen Mantel dabei.»
Hektik beim zweiten Wechsel
Haugs bittere Minuten am Straßenrand bekam Philipp nicht mehr mit, sie war bereits im Aufholmodus. Auf einem langen Anstieg schnappte sie sich eine nach der anderen, von Position 13 beim Radstart war sie kurz vor der Hälfte der 90 Kilometer in der Spitze angekommen. Es entwickelte sich danach vor allem ein Duell mit Matthews. Auf eine Tempoverschärfung Philipps auf einer weiteren Steigung antwortete die Britin mit einer rasanten Abfahrt, zusammen ging es in die zweite Wechselzone.
Etwas hektisch wirkte die Deutsche dort, ließ ein paar Sachen liegen und rannte ein paar Meter hinter Matthews los. Doch wie schon auf dem Rad, wo sie sich vom Verlust einer Verpflegungsflasche nicht irritieren ließ und kurz vor Schluss in einer Kurve geistesgegenwärtig auf einen Bordstein auswich, wirkte sie jederzeit kontrolliert, ruhig und fokussiert auf ihre eigene Leistung.
Nach etwas mehr als zehn Kilometern und damit der ersten von vier Runden zog sie davon. «Das muss jetzt noch nach Hause gebracht werden», sagte ihr Trainer und Ehemann Philipp Seipp rund 15 Kilometer vor Schluss.
Sie habe sich immer wieder gesagt, «heute ist dein Tag, heute ist dein Tag», erzählte Laura Philipp im ZDF. Und sie brachte es nach Hause und ins Ziel, wo sie von Seipp auch noch das verdiente WM-Küsschen bekam. «Laura hat heute alles zusammengebracht», lobte er: «Richtig cool, ich bin mega stolz drauf.»
Von Jens Marx, dpa
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