Argentiniens Weltmeister-Coach von 1978, César Luis Menotti, ist im Alter von 85 Jahren gestorben.
Armin Weigel/dpa
Argentiniens Weltmeister-Coach von 1978, César Luis Menotti, ist im Alter von 85 Jahren gestorben.
Trauer

César Luis Menotti: Der Poet auf der Trainerbank

«El Flaco» holte 1978 als Trainer den ersten Weltmeistertitel für Argentinien - ausgerechnet während der Gewaltherrschaft der rechten Militärs. Dabei stand César Luis Menotti für den «linken Fußball».

Er war der Schöngeist unter den Fußballlehrern, der Philosoph auf der Trainerbank. César Luis Menotti ging es nie nur ums Gewinnen, sondern immer auch um den möglichst eleganten Weg zum Sieg.

«Der Ball ist für den Spieler, was für den Dichter die Worte sind: Am Fuß oder am Kopf kann er sich in ein Kunstwerk verwandeln», sagte er einmal. «Der Fußball hat mir eine Möglichkeit gegeben, mich auszudrücken.» Jetzt ist der argentinische Weltmeistertrainer von 1978 im Alter von 85 Jahren gestorben.

«Eine der großen Figuren unseres Fußballs hat uns verlassen», schrieb Argentiniens Fußballstar Lionel Messi auf Instagram. Lionel Scaloni, der 44 Jahre später die Albiceleste Ende 2022 in Katar zum dritten WM-Titel führte, schrieb: «Wir haben einen Meister des Fußballs verloren, danke für die liebenswerten Gespräche, mit denen du uns geprägt hast.» Auch FIFA-Präsident Gianni Infantino würdigte Menotti: «Viele Trainer sind Menottis Vision des schönen Spiels gefolgt, und seine Spielphilosophie wird sein Vermächtnis sein.»

«El Flaco» holt WM-Titel 1978 in der Heimat

Bereits mit seinem ersten Trainertitel 1973 mit dem Club Huracán in der argentinischen Liga definierte «El Flaco» (der Dünne) seinen Stil: «Offensiv, sauber, fröhlich» - im Gegensatz zu einem rein ergebnisorientierten Spiel. «In der Erinnerung bleiben die Teams, die mit gutem Spiel gewonnen haben», sagte er einmal der Zeitung «Clarín». Das sei ein «linker» Fußball.

Dabei fällt sein größter Triumph ausgerechnet in die Zeit der Militärdiktatur in Argentinien. Von der Weltmeisterschaft 1978 im eigenen Land erhoffte sich die Junta um Diktator Rafael Videla Anerkennung und Prestige über Argentinien hinaus. Und Menotti - der in seiner Heimatstadt Rosario sogar Mitglied der Kommunistischen Partei geworden war - lieferte.

Im Finale setzte sich die Albiceleste mit 3:1 gegen die Niederlande durch und krönte sich damit erstmals zum Weltmeister. Nicht dabei war Legende Diego Armando Maradona, dem Menotti im Jahr zuvor noch zu seinem Länderspieldebüt verholfen hatte. Der spätere Weltstar war damals gerade 16 Jahre alt, er führte sein Land dann 1986 zum nächsten WM-Titel. Ohne Menotti als Coach.

«Seine Leidenschaft für das Spiel, seine taktische Weisheit und seine Bescheidenheit inspirierten ganze Generationen von Spielern und Trainern, mich eingeschlossen», schrieb der 1978er-Weltmeister und WM-Torschützenkönig Mario Kempes (69) auf Instagram derweil über Menotti.  

Menottis Ablehnung der Junta

Der Weg ins Endspiel 1978 war allerdings mit Skandalen gepflastert - immer wieder sollen die Gastgeber bevorzugt worden sein. Der 6:0-Sieg gegen Peru gilt als eines der umstrittensten Spiele der Fußballgeschichte - es gibt zahlreiche Indizien, dass der Sieg schlicht erkauft wurde.

Menotti kritisierte die Militärs zwar nicht offen, ließ seine Ablehnung der Junta aber durchscheinen. «Meine Spieler haben die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt», sagte er beispielsweise nach dem WM-Sieg.

Nach dem Scheitern der argentinischen Nationalmannschaft bei der WM 1982 in Spanien musste Menotti seinen Posten räumen. Der leidenschaftliche Kettenraucher trainierte in den folgenden Jahren unter anderem den FC Barcelona und Atlético Madrid sowie die mexikanische Nationalmannschaft.

«Lieber Flaco, es schmerzt ungemein, von dir Abschied nehmen zu müssen. Du hast uns in deiner Zeit in der Nationalmannschaft so viel hinterlassen, für Argentinien und für den Fußball», schrieb Claudio Tapia, der Präsident des argentinischen Fußballverbandes, auf X.

Im Alter von 80 Jahren erhielt Menotti noch mal einen Job beim argentinischen Fußballverband und wurde Generaldirektor für die verschiedenen Nationalmannschaften seines Landes. Doch vor allem war er bis zuletzt ein Fußball-Philosoph, der seine Gedanken in zahlreichen Kolumnen und Interviews kundtat. Er wetterte gegen die Marktlogik im Fußball, gegen die Ökonomisierung des Spiels. «Fußball ist so viel mehr als ein Geschäft», sagte Menotti.

Von Denis Düttmann und Sandra Degenhardt, dpa
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