Die Sehnsucht nach einer magischen Nacht mobilisiert letzte Kräfte. Im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Atlético Madrid will Borussia Dortmund an alte, glorreiche Festspielzeiten auf großer Bühne anknüpfen.
Der mögliche erste Halbfinal-Einzug seit elf Jahren lässt die Strapazen der jüngsten Terminhatz und neue Personalsorgen vergessen. Nach dem eher schmeichelhaften 1:2 im ersten Duell nur sechs Tage zuvor hofft Trainer Edin Terzic auf eine unvergessliche Sternstunde: «Wir brauchen unsere eigenen Helden in Schwarz und Gelb.»
Ähnlich wie der Fußball-Lehrer setzt auch Sebastian Kehl auf die brodelnde Atmosphäre in der ausverkauften heimischen Fußball-Kathedrale. «Wir werden die Energie benötigen, die von außen kommt. Dann glaube ich fest daran, dass wir das packen», sagte der Sportdirektor vor dem Showdown am Dienstag (21.00 Uhr/Amazon Prime Video) gegen die für ihre Defensivkunst bekannten Spanier.
Anders als in der Bundesliga, in der die Borussia als Fünfter den eigenen Ansprüchen derzeit nicht gerecht wird, bietet sich in Europa die Chance auf einen prestigeträchtigen Coup und satte Zusatzeinnahmen von mindestens 12,5 Millionen Euro. Viel wird davon abhängen, ob sich das Team von Trainer Terzic besser verkauft als im Hinspiel, in dem nach desolatem Start zwischenzeitlich ein Fiasko drohte. Nur dank des späten Anschlusstreffers durch Sébastien Haller darf die Borussia weiter auf den Einzug in den erlauchten Kreis der vier besten kontinentalen Teams hoffen.
Kehl: «Es wird ein sehr intensives Spiel werden»
Doch so forsch und offensiv wie am vergangenen Mittwoch im Estadio Metropolitano dürften die «Rojiblancos» um den einstigen BVB-Profi Axel Witsel in Dortmund kaum auftreten. Schließlich gilt ihr als Heißsporn bekannter Trainer Diego Simeone als großer Freund gnadenloser Defensivtaktik mit effektiven Kontern. «Es wird ein sehr intensives Spiel werden. Wir werden auf unsere Chancen warten und sie uns hart erarbeiten müssen», mutmaßte Kehl.
Mit ähnlicher Philosophie erreichte Atlético unter der Regie von Simeone bereits zwei Mal das Finale (2014 und 2016). Doch so stabil wie damals steht die Abwehr zum Leidwesen ihres Fußball-Lehrers in dieser Saison nicht. Beim 3:1 über den FC Girona am vergangenen Wochenende musste sein Team das bereits 58. Gegentor im 46. Pflichtspiel hinnehmen. Ein Schnitt von 1,25 Gegentoren pro Partie gab es in der seit 2011 anhaltenden Amtszeit von Simeone noch nie.
Schon im Hinspiel ging es phasenweise giftig zu. So lieferte sich Sportdirektor Kehl an der Seitenlinie ein heftiges Wortgefecht mit Simeone und bekam dafür später im Netz viel Zustimmung. Auf die Frage, ob am Dienstag eine ähnliche Wehrhaftigkeit gefordert ist, antwortete Julian Brandt: «Wir müssen geduldig, ruhig und vor allem fokussiert bleiben. So müssen wir Atlético besiegen und nicht in Infights neben dem Platz.»
BVB bangt um Einsatz von Malen und Bynoe-Gittens
Wirklich frisch gehen die Dortmunder nicht in das Spiel. Das 1:2 am vergangenen Samstag in Mönchengladbach bereitete mehr Mühe als geplant, weil der knappe Vorsprung nach dem Platzverweis von Karim Adeyemi (55. Minute) mit viel Leidenschaft verteidigt werden musste. Zudem zogen sich Torjäger Haller und Dribbelkünstler Jamie Bynoe-Gittens Verletzungen zu.
Afrika-Meister Haller, der sich nach langer Zwangspause wieder in die Startelf gekämpft hatte, wird deshalb mindestens zwei weitere Wochen ausfallen. Der am Rücken verletzte Bynoe-Gittens konnte bei der abschließenden Einheit genau wie Sturmpartner Donyell Malen nur individuell trainieren. Dagegen kehrt der noch am Samstag wegen eines Magen-Darm-Infekts fehlende Jadon Sancho in den Kader zurück.
Möglicherweise ist auch Niclas Füllkrug wieder erste Wahl. Dass der Nationalstürmer in Mönchengladbach gar nicht zum Einsatz kam, hatte weniger mit Belastungssteuerung als vielmehr mit seiner seit Wochen schlechten Form und anhaltender Ladehemmung zu tun. Terzic ließ offen, ob Füllkrug oder der in Mönchengladbach erst ein- und später ausgewechselte Youssoufa Moukoko für Haller in die Startelf rückt: «Wir haben schon mit Niclas, aber auch mit Youssoufa gute Spiele gezeigt.»
Von Heinz Büse und Thomas Eßer, dpa
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