Bayern-Trainer Thomas Tuchel glaubt weiter an seine Mannschaft.
Matthias Balk/dpa
Bayern-Trainer Thomas Tuchel glaubt weiter an seine Mannschaft.
Champions League

Bayerns XXL-Prüfung bei Real: «The winner takes it all»

Der FC Bayern beschwört die Auferstehung der gefürchteten «Bestia Negra». Kane und Sané wecken auf dem Wembley-Weg Zuversicht. Aber die Abwehr bereitet Sorgen. Eine Personalie bleibt spannend.

Mit funkelnden Augen blickte Thomas Tuchels unerschrocken der ultimativen Königsklassen-Kraftprobe des FC Bayern auf dem Weg ins Wembley-Finale entgegen. «Die Ausgangslage ist ganz klar. Wir fahren nach Madrid - and the winner takes it all», sagte Tuchel zum Fußball-Blockbuster im berühmten Bernabéu-Stadion in einer Woche.

«Es ist sicher einer der schwierigsten Orte, um zu gewinnen. Aber das ist die Herausforderung, das ist das Schöne daran», sagte der Münchner Trainer. Er will weiter nach Wembley. Auf dem Weg ins Finale am 1. Juni wollen die Münchner nach dem 2:2 (0:1) im Halbfinal-Hinspiel nicht nur XXL-Prüfung als letzte Hürde meistern.

Bis dahin wollen die Bayern auch längst Klarheit haben, wer in der neuen Saison als Nachfolger von Tuchel den Umbau in Angriff nimmt. Bis zum Rückspiel in Madrid am kommenden Mittwoch erwartet Sportvorstand Eberl aber keine Entscheidung in der spannenden Frage, ob Ralf Rangnick der neue Mann an der Seitenlinie sein wird.

«Gute Gespräche» mit Rangnick

Präsident Herbert Hainer berichtete in der Nacht zum Mittwoch von «guten Gesprächen». «Wann wir dann das Final-Go geben, müssen wir mal sehen», sagte er am Sky-Mikrofon. Österreichs Nationaltrainer Rangnick soll dem Vernehmen nach aber eine grundsätzliche Bereitschaft signalisiert haben, im Sommer nach München zu kommen. Mit dem Verband hatten die Münchner laut Eberl noch keinen Kontakt.

All die Zukunfts-Diskussionen blenden die Stars aus - Tuchel sowieso. Der scheidende Coach Tuchel konnte beim Auftritt mit einem großen Comeback und einem späten Elfmeter-Schock nach dem 2:2 (0:1) durch Bayern-Tore von Leroy Sané und Harry Kane die Gewissheit verbuchen, dass es seine Stars auch mit Madrids Henkelpott-Heroen aufnehmen können. «Wir haben 90 Minuten, 120 Minuten, vielleicht ein Elfmeterschießen. Das Ziel ist klar, wir müssen gewinnen», sagte Tuchel

Real bleibt ein Phänomen

Zum anderen aber demonstrierten Reals Rekordgewinner einmal mehr ihre beispiellose Kunst: Toni Kroos und seine Königlichen sind kaum besiegbar. «Wir sind nicht das erste Team, dem das passiert», stöhnte Tuchel. «Madrid stirbt nie», schrieb «El País» treffend. «Manchester City sitzt zu Hause, RB Leipzig sitzt zu Hause und sagt: Wie kann das sein, dass wir ausgeschieden sind?», sagte Eberl zum Phänomen Real: «So fühlt es sich bei uns eben noch nicht an, weil wir noch das Rückspiel haben.»

Die Königsklassen-Kursrallye im Halbfinal-Hinspiel, bei der der wortgewaltige Vereinspatron Uli Hoeneß auf seinem Ehrenplatz mal ausgelassen jubelte, mal sichtlich haderte, zauberte am Ende häufiger den Gästen um den herausragenden Strategen Kroos ein Lächeln ins Gesicht. «Zur Halbzeit hätte ich das Ergebnis ungern genommen, dann zum Schluss natürlich gern», frohlockte der deutsche Nationalspieler, der sich nach druckvollem Bayern-Beginn vor den Augen von Bundestrainer Julian Nagelsmann als Gamechanger erwies.

Harte Kritik an Kim

Vinicius Junior traf nach dem von Nationaltorwart Manuel Neuer beklagten «Pass durchs Herz» von Kroos zum 1:0. Mit dem späten Ausgleich per Elfmeter dokumentierte Vinicius abermals die königliche Unbeugsamkeit. Beide Male deckte Madrid krasse Schwächen von Minjae Kim auf. Das im Sommer für rund 50 Millionen Euro verpflichtete Münchner Abwehr-«Monster» ließ sich beim 0:1 in die Irre führen. Und beim 2:2 verschuldete der Südkoreaner plump einen Elfmeter. «Er war zweimal zu gierig», rügte Tuchel den Verlierer des Abends. «Er will zu viel in den Aktionen, und wir werden von Reals Qualität bestraft.»

Auf dem Weg in die sommerliche Münchner Nacht musste Tuchel sich flankiert von seiner Entourage Gedanken machen, wie er im Rückspiel im umgebauten Fußball-Tempel Estadio Santiago Bernabéu mehr defensive Stabilität erzielen will. Wird der gesetzte, aber verletzte Matthijs de Ligt rechtzeitig fit? Traut sich Tuchel ansonsten ein Wagnis mit dem Franzosen Dayot Upamecano, der schon wiederholt und auch im Vorjahr beim Viertelfinal-Aus gegen Manchester City eklatant patzte? «Es ist alles offen, der Gewinner kriegt den Kuchen», sagte Joshua Kimmich.

Die Auswärtstorregel gilt nicht mehr

Die Münchner fühlen sich bereit für die Auferstehung der «Bestia Negra», also als jene «Schwarze Bestie», als die sie über Jahre in Spanien gefürchtet wurden. Seit dem letzten Münchner Halbfinal-Triumph 2012 im Elfmeterschießen hat der Ruf aber sehr gelitten. Zuletzt triumphierte dreimal Real im Königsklassen-Rekordspiel: Im Halbfinale 2014, Viertelfinale 2017 und Halbfinale 2018. «Von Mythen halte ich nicht viel», sagte Thomas Müller nach seinem 150. Champions-League-Einsatz. «Es gibt kein Taktieren vom Ergebnis her. Der Gewinner nimmt's mit.» Hilfreich ist, dass die Auswärtstorregel nicht mehr gilt.

Wie im Viertelfinale gegen den FC Arsenal gibt es auch bei der letzten Hürde vor dem Endspiel nach einem 2:2 im Hinspiel eine Woche später das «Tod-oder-Gladiolen»-Match. Der Unterschied diesmal ist, dass das Rückspiel auswärts stattfindet.

Freund hofft auf Sané-Serie

«Wir sind bereit für ein großartiges Spiel», sagte Kane nach seinem achten Saisontor in der Champions League zum zwischenzeitlichen 2:1 per Elfmeter. Für Sané, der im Stile des 2013er-Finalhelden Arjen Robben vom rechten Flügel nach innen zog und die Bayern mit dem 1:1 ins Spiel zurückbrachte, endete die Torflaute nach einem halben Jahr. «Jetzt kann er wieder eine Serie starten», sagte Sportdirektor Christoph Freund. Allerdings muss der lädierte Sané wie auch Jamal Musiala und Konrad Laimer die dauerhaften Schmerzen am Schambein in den Griff bekommen. Sie sind Sinnbild für die Münchner Leidensfähigkeit, die im Rückspiel noch mehr vonnöten sein wird.

Bayern-Boss: Dann sind wir happy

Nach Ansicht von Vorstandschef Jan-Christian Dreesen ist unerheblich, ob eine Einigung mit Rangnick vor oder nach dem Rückspiel gegen die Spanier besser sei. «Nachdem so viel geredet wurde die letzten zwei, drei Wochen, spielt das keine Rolle mehr», sagte Dreesen. Er betonte erneut, dass die Trennung von Tuchel selbst bei einem Wembley-Triumph wie vereinbart vollzogen wird: «Wenn wir dann so weit sind, kümmern wir uns hoffentlich auch um das Gewinnen. Dann sind wir gemeinsam happy und gehen getrennter Wege.»

Von Christian Kunz, Klaus Bergmann und Manuel Schwarz, dpa
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