Erst Weltmeister, dann Fahnenträger? Schröder ist bereit für die Olympia-Ehre.
Julian Stratenschulte/dpa
Erst Weltmeister, dann Fahnenträger? Schröder ist bereit für die Olympia-Ehre.
Vor Olympia in Paris

Alles für die Fahne: Schröders vehemente Eigenwerbung

Von «Ich muss die Fahne tragen» bis «da wird irgendwie ausgelost»: Dennis Schröder hat sich wiederholt zur Olympia-Eröffnung geäußert. Bei dem Votum hat er zwei Vorteile - und einen großen Makel.

Für Dennis Schröder war zum Thema Olympia-Fahnenträger ganz früh alles klar. Schon Ende 2023 und damit lange bevor der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) das Prozedere oder gar einzelne Kandidaten für die Eröffnungsfeier in Paris bekanntgab, sagte der deutsche Basketball-Star in aller Deutlichkeit: «Ich muss die Fahne tragen! Wenn nicht jetzt, wann dann?»

Pflaume, Klopp, Steinmeier und Scholz

Der 30 Jahre alte Weltmeister scheint stark von dem Gedanken angetrieben, gut zehn Monate nach dem Gold-Triumph von Manila das nächste Schlaglicht in seiner Karriere folgen zu lassen und als zweiter Basketballer nach Dirk Nowitzki das deutsche Team bei den Sommerspielen anzuführen. In der Tat spricht einiges für Schröder, der in dieser Woche mit seinen Teamkollegen bei Bundeskanzler Olaf Scholz und bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfangen wird.

Vieles läuft derzeit für den Basketballer, der von einem Publikumsliebling lange Zeit ganz weit weg war, ideal. Seine Mitspieler würdigen ihn als unangefochtenen Chef der Weltmeister-Truppe und bewundern ihn als «eine inspirierende Persönlichkeit» (Moritz Wagner). 

Moderator Kai Pflaume wirbt für ihn, Erfolgstrainer Jürgen Klopp posiert im Fußballstadion für ein Foto mit ihm. Noch vor der Olympia-Reise, die über Berlin und London nach Lille und Paris führt, bringt sich Schröder also in Stellung für die besondere Ehre, die ihn schon seit einigen Monaten massiv umzutreiben scheint. Einen Post über seine sozialen Netzwerke, doch bitte für ihn zu stimmen, versah er am Montag mit acht Ausrufezeichen.

«Kurzer Faktencheck» vom DOSB

Als Schröder in diesem März sagte, vom DOSB habe sich dazu bei ihm noch nie gemeldet und er glaube, das werde «da irgendwie ausgelost», reagierte sogar der Verband. Der DOSB schickte öffentlich «einen kurzen Faktencheck» in Richtung des NBA-Profis und erklärte ihm das gesamte Prozedere inklusive der Nominierungen und Nominierungsfristen. Ganz nach dem Motto: Jetzt aber mal ruhig. 

Seit Sonntag steht fest, dass Schröder neben Tennis-Star Alexander Zverev und Sportschütze Christian Reitz einer der drei männlichen Anwärter für Paris ist. Bei der Wahl, die bis zum 21. Juli dauert, werden die Stimmen der Fans und jene der Sportlerinnen und Sportler mit jeweils 50 Prozent gewichtet. 

Während Olympiasieger und Weltmeister Reitz bei Instagram rund 1900 Follower erreicht, sind es bei Schröder etwas mehr als 4,1 Millionen Menschen. Das Meinungsbild beim Olympia-Team könnte dagegen etwas anders aussehen. Bei den Frauen stehen neben Fußballerin Alexandra Popp auch Reit-Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl sowie Judoka Anna-Maria Wagner zur Auswahl.

Erinnerungen an Nowitzki

Ganz klar gegen Schröder in dieser Position spricht seine Olympia-Bilanz. Der Basketballer war noch nie aktiv bei den Spielen dabei. Als sich sein Team 2021 für Tokio qualifizierte, konnte der Spielmacher aus versicherungstechnischen Gründen nicht mitspielen. Seine Widersacher Reitz (Gold 2016 in Rio sowie Bronze 2008 in Peking) sowie Zverev (Gold im Einzel 2021 in Tokio) sind hochdekorierte Olympia-Teilnehmer und dürften damit auch einem breiteren Kern des Olympia-Teams persönlich besser bekannt sein als Schröder.

So war es 2008 auch bei Fahnenträger Nowitzki, der bei den Dallas Mavericks in der NBA zwar ein international gefeierter Basketball-Star war, aber vor Peking noch nie etwas mit Olympia zu tun hatte. «Es ist ein Tabubruch», gestand Nowitzki damals selbst ein. Weil sich einige Athleten und frühere erfolgreiche Olympia-Sportler enttäuscht zeigten, bat der Basketballer öffentlich um Verzeihung. «Ich will niemandem auf den Schlips treten», sagte Nowitzki.

Wahl als Zeichen gegen Rassismus?

Dass man solche oder ähnliche Sätze im Fall eines Sieges auch von Schröder hören wird, ist unwahrscheinlich. Das Prozedere hat sich über die Jahre geändert und gerade der Basketballer selbst sieht die Auswahl des Fahnenträgers nicht nur unter sportlichen Gesichtspunkten. 

«Deutschland so repräsentieren zu können mit meiner Herkunft, meiner Mum aus Gambia, wäre enorm. Das würde ein Statement setzen, als Dunkelhäutiger die Fahne zu tragen», sagte Schröder.

Er sprach von «einem Statement für die Deutsch-Afrikaner» und von «einem Zeichen gegen Rassismus». Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo, die wegen des Wettkampfplans bei der Eröffnungsfeier noch nicht in Paris sein wird und auch deswegen nicht nominiert ist, sieht das anders. «Es ginge um Symbolik. Symbolik ist nett, aber sie reicht nicht. Ich glaube nicht, dass Symbolik das retten wird, was gerade schiefläuft», sagte Mihambo der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».

Schröder will «endlich Respekt»

Die Basketballer möchten geschlossen an der Eröffnungsfeier teilnehmen, obwohl sie am folgenden Tag bereits um 13.30 Uhr in Lille ihr erstes Olympia-Spiel gegen Japan bestreiten. Es wird Schröders erstes Pflichtspiel für Deutschland seit dem 10. September 2023, als er Deutschland in Manila zu WM-Gold führte. 

«Ich will endlich meinen Respekt. Ich will nichts mehr über meinen Namen hören», hatte Schröder damals gesagt. Bei der Verkündung der Entscheidung in der kommenden Woche möchte er seinen Namen dagegen unbedingt hören.

Von Patrick Reichardt, dpa
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