Maurice Schmidt blickte sich freudestrahlend im Stade de France um und sog die Eindrücke förmlich auf, Elena Semechin schwenkte mit einem breiten Lächeln auf den Lippen die deutsche Fahne. Der Fechter und die Schwimmerin hatten nicht nur wegen ihrer Goldmedaillen große Freude an der Schlussfeier in Frankreichs Hauptstadt. Sie waren dazu auserkoren worden, die deutsche Mannschaft zum Abschluss der 17. Paralympics in der Pariser Arena zu repräsentieren. 64.000 Zuschauer verfolgten das glanzvolle Spektakel von den Rängen, das von einer beeindruckenden Licht- und Musikshow begleitet wurde. Auch der heftige Regen am Abend tat der ausgelassenen Stimmung keinen Abbruch.
Dass die deutsche Delegation die Abschlusszeremonie in diesem Ausmaß genießen konnte, lag auch an der gewaltigen Steigerung der Medaillen-Ausbeute im Verlauf der Spiele. Denn zwischenzeitlich hatte es nach einer großen Enttäuschung ausgesehen. Offenbar hatte der Chef de Mission, Karl Quade, den Sportlern aber gerade noch rechtzeitig einen Denkzettel verpasst. Hatte der 69-Jährige bei Halbzeit der Wettkämpfe seine Schützlinge noch kritisiert, zog er letztendlich ein durchaus versöhnliches Fazit. «Ich hatte ja angemerkt, dass uns ein bisschen etwas fehlt. Aber wir haben, glaube ich, gut aufgeholt», sagte Quade.
Knapp außerhalb der Top Ten
Unmittelbar nach seinem Anpfiff trumpfte Natascha Hiltrop mit Gold im Schießen auf und wenig später legte an jenem Abend der spätere Fahnenträger Schmidt im Fechten mit der nächsten Goldmedaille nach - weitere folgten. Dennoch landete Deutschland im Medaillenspiegel als Elfter knapp außerhalb der anvisierten Top Ten. 49-Mal Edelmetall holten die deutschen Para-Sportler insgesamt, sechs Medaillen mehr als in Tokio. Jedoch gab es in Japan drei Goldmedaillen mehr zu bejubeln. «Uns ging es erst einmal darum, den Trend zu stoppen», sagte Quade und erinnerte daran, dass vor drei Jahren das historisch schwächste Ergebnis in der Endabrechnung zu Buche stand. «Natürlich wollen wir noch weiter nach vorn kommen, aber wir sind auf einem guten Weg.»
Besonders im Schwimmen fiel die Bilanz positiv aus. Hinter den Erwartungen blieben jedoch die Leichtathleten um Weitsprung-Hoffnung Leon Schäfer. Gänzlich ohne etwas Zählbares muss der Deutsche Behindertensportverband trotz Teilnehmern in den Sportarten Rollstuhlrugby, Rollstuhltennis, Bogenschießen, Boccia und Sitzvolleyball auskommen. In allen anderen Sportarten holten die Sportler Medaillen, 2021 gelang das nur in acht.
«Gemessen am sportlichen Erfolg sind wir sehr erfreut über die Schwimmer - das ist die stärkste Teilmannschaft», so Quade. «In der Leichtathletik werden wir sicher hinterher noch einmal etwas klären müssen. Da gab es einen deutlichen Rückgang gegenüber Tokio.»
Spitze rückt enger zusammen
Ein Aushängeschild bleibt Weitspringer Markus Rehm, der zum vierten Mal seinen Titel verteidigte. Sprinter Johannes Floors und Kugelstoßer Niko Kappel, die als Favoriten gestartet waren, mussten sich mit Silber begnügen. Das zeige, dass die Weltspitze immer enger zusammenrücke, meinte Floors. «Die Leistungsdichte hat enorm zugenommen - in vielen Wettkämpfen der Leichtathletik. Es fallen nicht zwangsweise neue Weltrekorde. Aber die Leute, die Weltrekorde aufgestellt haben, laufen nicht mehr allein vorneweg. Das ist eigentlich genau das, worum es geht.»
Floors kann dem gestiegenen Konkurrenzkampf viel Gutes abgewinnen und bewertet daher auch die Entwicklung des Para-Sports durchweg positiv. DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher pflichtet dem 29-Jährigen bei und zog auch die hohe Auslastung der Arenen und die ausgelöste Begeisterung zurate. Die Spiele könnten mit dem Stempel «einmalig» versehen werden, sagte Beucher. «So ein begeisterungsfähiges Publikum habe ich bei Einzelveranstaltungen zwar schon einmal erlebt. Aber hier wurde einfach noch einmal eine Schippe drauf getan.»
Drei Medaillen am Abschlusstag
Auch die deutsche Mannschaft konnte am Schlusstag noch einmal zulegen. Edina Müller, die bei der Eröffnungszeremonie die deutsche Fahne getragen hatte, holte zum Abschluss der Kanu-Wettbewerbe Bronze, ebenso wie ihre Mannschaftskolleginnen Anja Adler und Felicia Laberer. Im Marathon blieb das sportliche Happy End aus.
Doch insgesamt dürften die DBS-Athleten zufrieden sein, findet Quade und kündigte mit Blick auf die Spiele 2028 in Los Angeles an: «Wir werden uns jetzt nicht ausruhen, nur weil der Trend aus meiner Sicht gestoppt wurde. Sondern dieses Ergebnis von Paris wird unser Ansporn für die Zukunft sein, um auf diesem Weg weiterzumachen, mehr Professionalität reinzubringen.»
Von Maximilian Wendl und Tobias Brinkmann, dpa
© dpa-infocom, dpa:240908-930-226591/2
Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten