Zwischen Beats und Bettruhe - Was Nachtbürgermeister leisten
Spezielle Beauftragte versuchen mancherorts, Ordnungswunsch und Clubkultur zu verbinden - mit Erfolg? Beispiele aus Rheinland-Pfalz zeigen, wie unterschiedlich die Nacht verwaltet wird.
Spezielle Beauftragte versuchen mancherorts, Ordnungswunsch und Clubkultur zu verbinden - mit Erfolg? Beispiele aus Rheinland-Pfalz zeigen, wie unterschiedlich die Nacht verwaltet wird.
Nachts prallen die unterschiedlichen Interessen voll aufeinander: Einige vergnügen sich lautstark, andere fordern Ruhe ein. Clubs kämpfen um Einnahmen, Behörden um Kontrolle. Verwaltungen versuchen, zwischen Freiheit und Regelwerk zu vermitteln – mit unterschiedlichem Erfolg. Wo Konzepte fehlen, entstehen oft Spannungen. Spricht man hingegen miteinander, wächst das Verständnis.
Das ist die Grundidee der Nachtbürgermeister oder Nachtkulturbeauftragten - das Amt heißt unterschiedlich in rheinland-pfälzischen Städten. Die Nacht ist kein rechtsfreier Raum. Manche Städte suchen den Dialog. Vier Beispiele.
Warum sich ein Oberbürgermeister «tierisch freut»
In Landau bringt Maximilian Naundorf seit dem 1. August frischen Wind in das Kulturbüro – als Beauftragter für Nachtkultur und Freie Szene. Sein Ziel: das Kulturleben der Universitätsstadt bunter, vielfältiger, nachhaltiger und inklusiver gestalten. «Ich bin gespannt auf die kommenden Monate und freue mich darauf, gemeinsam mit vielen Menschen herauszufinden, was Landau in Sachen Nachtkultur und freie Szene braucht – und wie wir das Stück für Stück umsetzen können», sagt der studierte Demokratieforscher (Uni Gießen).
Aktuell ist Naundorf unterwegs, um Stadt, Strukturen und Menschen kennenzulernen. Sein Antrieb: «Kultur ist Arbeit, Kultur ist teuer und Kultur lebt vom Engagement vieler Menschen.» Naundorf war in Berlin, Passau, Kaiserslautern und Gießen aktiv – mit Fokus auf Veranstaltungen, Vernetzung und Kulturpolitik. In Landau kümmert er sich um Konzepte für die Innenstadt, plant Events, fördert die freie Szene und vermittelt zwischen Verwaltung, Kulturschaffenden und Nachtleben. Als Moderator will er Brücken bauen.
«Ich freue mich tierisch, dass er da ist», sagt Oberbürgermeister Dominik Geißler (CDU). Der Sohn des einstigen CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler hat Kultur zur Chefsache gemacht. Eine Innenstadt, formulierte die Kommune Landau einmal, sei ja kein Friedhof: «Keine Party ist auch keine Lösung.»
Was sich mit Corona geändert hat
In Koblenz hat Adissa Ibrahim zum Jahreswechsel 2024/25 das Amt der Nachtkulturbeauftragten übernommen. Die 23-Jährige studiert Psychologie und Soziologie an der Universität Koblenz und bringt Erfahrungen aus ehrenamtlicher Kulturarbeit und Gastronomie mit.
Laut Margit Theis-Scholz, der Dezernentin für Bildung und Kultur in Koblenz, hatte sich die Situation der Clubs und Bars infolge der Corona-Pandemie verschärft. «Dabei wird deren Funktion als Kulturorte in der Öffentlichkeit noch viel zu oft unterschätzt.» Es gelte, die Nachtkultur in Koblenz zu fördern, «um so auch mittel- und langfristig ein attraktives Angebot bieten zu können».
Koblenz hatte das Ehrenamt des oder der Beauftragten 2020 für eine bessere Kommunikation zwischen Nachtkultur, Verwaltung und Öffentlichkeit geschaffen. Ibrahims Vorgänger war Mike Spriestersbach. Mit der Einrichtung sendet Koblenz ein Signal: Nachtkultur ist relevant und soll unterstützt werden.
Was Mainz macht
Die Stadt Mainz will nicht grundsätzlich auf einen Nachtkulturbeauftragten verzichten. «Aber es gibt personelle und strukturelle Änderungen», sagt ein Sprecher der Landeshauptstadt. Zu Beginn der Corona-Pandemie hatte Timo Filtzinger das Ehrenamt übernommen – «eine Zeit, in der Clubs, Kultur und Gastronomie durch Kontaktverbote und Schließungen massiv betroffen waren».
In dieser Phase sei der Nachtkulturbeauftragte zu einer wichtigen Schnittstelle zwischen Szene und Verwaltung geworden. Nach der Pandemie sei seine Rolle weniger nachgefragt worden und Filtzinger habe sein Ehrenamt niedergelegt.
«Die Club- und Gastronomieszene hat sich bei eigens initiierten Stammtischen – ein Format, das Filtzinger eingeführt hatte – gegenüber der Verwaltung einhellig dahingehend geäußert, dass eine solche Position aktuell nicht mehr erforderlich sei», erklärt der Sprecher. Die Szene sehe sich gut über andere Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner vertreten - insbesondere im Bereich der Wirtschaftsförderung, wo neue Stellen geschaffen worden seien.
Mit der Strategie «Wirtschaftsförderung 2030» will Mainz das Zentrum weiter stärken, etwa durch verlängerte Öffnungszeiten in der Außengastronomie. «Dennoch bleibt die Tür für eine Rückkehr des Nachtkulturbeauftragten offen», sagt der Sprecher. «Sollte aus der Szene ein konkreter Bedarf erneut artikuliert werden, wird man das Thema neu bewerten.»
Zwischen Tresen und Tagesordnung
Auch andere Städte denken über einen Nachtbürgermeister nach - zum Beispiel Kaiserslautern. Hier liegt die Einführung aber bis auf weiteres auf Eis, wie ein Sprecher mitteilt. «Durch die Bildung der Stabsstelle Citymanagement werden viele Aufgabengebiete - etwa Kontakte zu Kulturschaffenden, Gastronomen, Immobilieneigentümern und Handel sowie verwaltungsintern referatsübergreifend - bereits durch die tägliche Arbeit erledigt.»
Ob also als Beauftragte, Ehrenamtler oder schlicht Vermittler: Manchmal braucht die Nacht in Rheinland-Pfalz ein offizielles Gesicht. Mal ist es jung und voller Ideen, mal fehlt es - noch. Die Aufgabe ist im Übrigen nicht, für Ruhe und Ordnung zu sorgen, sondern vielmehr für die nachhaltige Stärkung der Nachtkultur.
Städte im Ausland haben längst Erfahrungen mit einem «Night Mayor» gesammelt, darunter New York, London und Zürich. In Amsterdam trat der erste bezahlte «Night Mayor» weltweit, Mirik Milan, 2012 den Posten an. In Deutschland geschah dies 2018, geografisch gleich um die Ecke von Rheinland-Pfalz: Der Student Hendrik Meier übernahm 2018 das Amt in Mannheim.
Von Wolfgang Jung, dpa
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