Fast drei Jahre nach der verheerenden Flut in Nordrhein-Westfalen arbeitet ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Landtag die Hochwasserkatastrophe von Sommer 2021 immer noch politisch auf. Während im ebenfalls vom tödlichen Hochwasser schwer getroffenen Rheinland-Pfalz ein U-Ausschuss die Beweisaufnahme im Februar abgeschlossen hat und dem Landtag im September der Abschlussbericht vorgelegt werden soll, ist in Düsseldorf noch kein konkretes Ende abzusehen. Denn ein monatelanger Aktenstreit mit Bau- und Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) hat die Arbeit des U-Ausschusses verzögert.
Hoffnung auf Abschluss bis Jahresende
«Wir wären mit Sicherheit wesentlich weiter, hätte es diesen Streit nicht gegeben, sagt der Ausschussvorsitzende Sven Wolf (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Ohne den «Umweg über Münster» wäre der Abschlussbericht nach Einschätzung des SPD-Rechtspolitikers wahrscheinlich schon fertig. «Wir hatten immer die Hoffnung, bis zur Sommerpause den Abschlussbericht vorzulegen. Aber ich bin da sehr skeptisch.» Wolf hofft nun, dass der Ausschuss noch in diesem Jahr zum Ende kommt.
Die Opposition war vor das NRW-Verfassungsgericht in Münster gezogen, nachdem Scharrenbach dem U-Ausschuss nur zehn Aktenseiten geschickt hatte. Sie bezogen sich ausschließlich auf die drei Tage während des Starkregens im Juli 2021, durch den allein in NRW 49 Menschen starben und Schäden in Höhe von 13 Milliarden Euro entstanden. Das Gericht attestierte der Ministerin daraufhin, gegen die Verfassung verstoßen zu haben. Am vergangenen Mittwoch ging Scharrenbach schließlich auf den Ausschuss zu. Die Ministerin habe angedeutet, dass sie relativ viele Akten liefern könnte, sagt Wolf.
Wahrscheinlich wird Scharrenbach auch noch einmal aussagen müssen. Das wäre dann ihr vierter Auftritt als Zeugin in dem U-Ausschuss. Dass weitere Minister oder Ministerinnen befragt werden, gilt dagegen als unwahrscheinlich. Ein politisches Opfer hatte der U-Ausschuss schon gefordert: Die damalige Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) war wenige Wochen vor der NRW-Wahl 2022 wegen ihres Mallorca-Aufenthalts während der Flutkatastrophe zurückgetreten.
CDU drängt zur Eile
Der erste Flut-Untersuchungsausschuss hatte im Oktober 2021 die Arbeit im Landtag aufgenommen. Nach der NRW-Landtagswahl 2022 wurde er erneut aufgelegt. Auch die CDU drängt auf ein baldiges Ende. Nach Ansicht der Regierungsfraktion wären weitere Akten aus dem Scharrenbach-Ministerium, das für den Wiederaufbau nach der Flut verantwortlich ist, nicht notwendig gewesen. 5700 Seiten hatte das Ministerium bereits in der vergangenen Legislaturperiode geliefert.
«Aus Sicht der CDU-Fraktion muss es das Ziel sein, den Untersuchungsausschuss in diesem Jahr abzuschließen», sagt der CDU-Sprecher im U-Ausschuss, Thomas Schnelle. Viele Menschen lebten heute noch mit dem Trauma der Flut, wenn es stark regne. Da könne sich ein Parlament nicht jahrelang Zeit lassen, um die Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Schnelle hofft, dass die jetzt noch eintreffenden Akten rasch abgearbeitet werden. «Wir werden das nicht verzögern», sagt er. «Wir haben bald den dritten Jahrestag der Flut. Die Leute wollen Ergebnisse sehen.» Eigentlich befindet sich der U-Ausschuss in Düsseldorf bereits auf der Zielgeraden. Es werde bereits sehr kollegial und intensiv am Abschlussbericht gearbeitet, sagt der Ausschussvorsitzende Wolf. Einzelne Texte seien bereits fertiggestellt worden, während man auf die Akten aus Scharrenbachs Ministerium wartete.
Nach Angaben Schnelles wurden in etwa einem halben Jahr bis zur Landtagswahl 2022 in 17 Sitzungen 57 Zeugen und Sachverständige vernommen - «mit drei Millionen Blatt Akten». In der neuen Legislaturperiode seien in rund eineinhalb Jahren nur 14 Sitzungen mit 28 Zeugen und Sachverständigen angesetzt worden. «Daran sieht man, wir haben in der alten Legislatur schon in einer anderen Schlagzahl gearbeitet - und eigentlich lagen alle Erkenntnisse zum überwiegenden Teil vor.»
Hinzu kommt: Untersuchungsausschüsse sind auch kostspielig, weil für den Kampf mit den Akten zusätzliches Personal benötigt wird. So kostete der Hochwasser-Ausschuss in der laufenden Wahlperiode bisher nach Angaben des Landtags rund 1,9 Millionen Euro.
Strafrechtliche Konsequenzen
Während in NRW das Hochwasser noch strafrechtlich aufgearbeitet wird, hatte in Rheinland-Pfalz die Staatsanwaltschaft Koblenz Mitte April verkündet, die Ermittlungen zur tödlichen Flutkatastrophe im Ahrtal einzustellen. Doch in zwei Fällen legten Hinterbliebene über einen Anwalt Beschwerde gegen die Entscheidung ein. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft rund zweieinhalb Jahre gegen den Ex-Landrat Jürgen Pföhler (CDU) und einen Mitarbeiter des Krisenstabs unter anderem wegen der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen ermittelt.
In NRW ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln wegen des Einsturzes der Kiesgrube in Erftstadt-Blessem. Dazu fehlten noch Sachverständigengutachten, hieß es. Die Ermittlungen richten sich früheren Angaben zufolge gegen den Eigentümer und Verpächter des Tagebaus in Erftstadt, gegen fünf Beschuldigte des Betreibers sowie vier Beschuldigte der Bezirksregierung Arnsberg als zuständiger Aufsichts- und Genehmigungsbehörde. Ermittelt wird wegen des Verdachts des fahrlässigen Herbeiführens einer Überschwemmung durch Unterlassen und Verstoß gegen das Bergbaugesetz. Die Fluten hatten in Erftstadt-Blessem einen gewaltigen Erdrutsch ausgelöst, mehrere Häuser kippten von einem Moment auf den anderen ins Wasser.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Düsseldorf hatte es in ihrem Zuständigkeitsbereich ein Todesermittlungsverfahren und mehrere Strafanzeigen gegeben. Inzwischen sei alles eingestellt worden. Die Staatsanwaltschaft Bonn prüft dagegen immer noch den Anfangsverdacht gegen mögliche Verantwortliche, damit entschieden werden kann, ob gegen sie förmlich ermittelt wird oder nicht.
Von Dorothea Hülsmeier und Frank Christiansen, dpa
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