Studie zu Missbrauch: Betroffene erwarten konkrete Schritte
Vertuscht, verdrängt, verschwiegen: Eine Studie offenbart erschreckenden Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bistum Speyer. Wie reagieren Betroffene?
Vertuscht, verdrängt, verschwiegen: Eine Studie offenbart erschreckenden Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bistum Speyer. Wie reagieren Betroffene?
Nach Veröffentlichung der Studie zum sexuellen Missbrauch im Bistum Speyer hat der Vorsitzende des Betroffenenbeirats, Bernd Held, die Bitte von Bischof Karl-Heinz Wiesemann um Vergebung begrüßt. Wiesemann bemühe sich aufrichtig um die Untersuchung der Verbrechen, sagte Held der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich betonte er, dass der Aufarbeitungsprozess damit keineswegs abgeschlossen sei. Die Studie sei ein wichtiger Schritt – doch müssten nun konkrete Maßnahmen folgen.
«Bischof Wiesemann hat ja selbst gesagt, dass es keinen Schlussstrich geben könne», sagte Held. Die Ergebnisse der Mannheimer Historikerin Sylvia Schraut müssten in praktische Konsequenzen münden, damit die Anerkennung des Leids nicht nur symbolisch bleibe. Held forderte insbesondere einen transparenten Umgang mit weiteren Akten und eine konsequente Umsetzung von Empfehlungen aus der Studie.
«Wir sind noch lange nicht am Ende»
Das Bistum Speyer bezeichnete die Veröffentlichung des ersten Teils der Aufarbeitungsstudie in einer Reaktion als «weiteren wichtigen Meilenstein» in der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs. In den vergangenen Jahren sei schon viel erreicht worden, etwa die Gründung des Betroffenenbeirats und die Berufung der unabhängigen Aufarbeitungskommission, sagte Generalvikar Markus Magin. Das Bistum habe zudem unabhängige Ansprechpersonen ernannt und durch verschiedene Regelungen die Präventionsarbeit gestärkt.
«Wir sind aber noch lange nicht am Ende», betonte Magin. «Wir möchten die Erkenntnisse der Studie nutzen, um unsere Arbeit in den Bereichen Prävention, Intervention und Aufarbeitung weiterzuentwickeln. Wir sind eine lernende Institution und dankbar für die Impulse, die uns die Studie, aber zum Beispiel auch der Betroffenenbeirat, liefern.»
Als erste Schritte nannte er eine genaue Überprüfung der Dienst- und Aufsichtspflichten des Bistums gegenüber den Heimen im Bistumsgebiet – diese spielen im ersten Teil der Studie eine große Rolle – sowie die Errichtung eines Mahnmals. «Es ist wichtig, dass das Thema sexueller Missbrauch nicht in Vergessenheit gerät. Wir möchten und müssen das Bewusstsein dafür aufrechterhalten und die "Mauer des Schweigens" durchbrechen.»
Mahnmal für Betroffene
Bernd Held bewertete das Vorhaben des Bistums positiv, ein Mahnmal für die Betroffenen in Speyer zu errichten. «Ein öffentlich sichtbares Zeichen der Erinnerung ist überfällig und kann ein Baustein der Wiedergutmachung sein.» Es sei wichtig, die Perspektive der Betroffenen nicht aus dem Blick zu verlieren – auch im öffentlichen Raum. Das geplante Mahnmal könne helfen, das Thema dauerhaft im Bewusstsein der Gesellschaft zu verankern.
Zugleich warnte Held vor einem rein symbolischen Umgang mit der Studie. «Aufarbeitung bedeutet mehr als Worte – sie braucht Strukturen, Ressourcen und die Bereitschaft, Machtmechanismen zu hinterfragen», so der Vorsitzende des Betroffenenbeirats. Auch die Frage, wie die Kirche künftig mit neuen Vorwürfen umgeht, müsse klar geregelt werden. Nur so könne verlorenes Vertrauen langsam zurückgewonnen werden.
Derzeit 150 Beschuldigte
Die Studie, die in Gänze in zwei Jahren vorliegen soll, war am 8. Mai vorgestellt worden. In dem ersten Teil wird betont, dass kirchliche Strukturen sexuellen Missbrauch im Bistum Speyer maßgeblich begünstigt haben. Bischof Wiesemann hatte sich daraufhin in einer persönlichen Erklärung an die Betroffenen gewandt und um Vergebung gebeten.
Zuletzt ging das Bistum bei den Beschuldigten von 109 Geistlichen sowie 41 Nichtklerikerinnen und Nichtklerikern aus. Rund die Hälfte der Taten fand demnach in den 1950er und 1960er Jahren statt – oft in kirchlichen Heimen für Kinder und Jugendliche, auch durch Nonnen oder Erzieherinnen. Etwa die Hälfte der Fälle wurde erst nach dem Jahr 2000 bekannt. Bis heute wurden rund 3,6 Millionen Euro inklusive Therapiekosten an 96 Betroffene gezahlt.
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