Laut einer Studie fehlt es in Kitas in Rheinland-Pfalz zunehmend an Fachpersonal. Das Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme der Bertelsmann Stiftung sieht einen zurückgehenden Anteil von Beschäftigten mit einer Fachausbildung und warnt vor den Folgen. Unterstützung für die Position kommt von einem Fachverband und einer Gewerkschaft. Das Bildungsministerium äußert auch Kritik an der Studie.
Der Bertelsmann-Stiftung zufolge verfügen immer weniger Mitarbeitende über eine Qualifikation als Erzieher oder Erzieherin, auch in Rheinland-Pfalz. Lediglich in rund jedem dritten Kita-Team habe es 2023 eine hohe Fachkraftquote gegeben, bei der mehr als acht von zehn pädagogisch tätigen Personen einen einschlägigen Fachschulabschluss gehabt hätten. 2017 sei das noch bei knapp 41 Prozent der Kita-Teams der Fall gewesen.
Der Rückgang um mehr als neun Prozentpunkte entspreche ungefähr dem bundesweiten Rückgang. Noch stärker sei er in Berlin (18 Prozentpunkte), Mecklenburg-Vorpommern (15) oder Nordrhein-Westfalen (14) ausgefallen.
Bertelsmann-Stiftung: Fachkraft-Quote darf nicht dauerhaft sinken
«Auch in Rheinland-Pfalz versucht man, den Platz- und Personalmangel in den Kitas durch den Einsatz von Mitarbeitenden aufzufangen, die für ihre Arbeit mit den Kindern nicht die formalen pädagogischen Voraussetzungen mitbringen», sagte Kathrin Bock-Famulla, Expertin der Bertelsmann Stiftung für frühkindliche Bildung. Die Fachkraft-Quote dürfe nicht dauerhaft sinken, aber genau diese Tendenz sei momentan in Rheinland-Pfalz zu sehen.
Diese Schlussfolgerung sei nicht nachvollziehbar, monierte das Bildungsministerium in Mainz. Nach wie vor gelte für Rheinland-Pfalz, dass mehr als drei Viertel der Fachkräfte in Kitas über die klassische Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin oder zum staatlich anerkannten Erzieher verfügten. Beim verbleibenden Viertel hätten die Personen andere Ausbildungsqualifikationen, etwa als Pflegeassistenzkräfte oder Kita-Sozialarbeitende. Ähnliches gelte für Sprachförderkräfte. Rheinland-Pfalz lege großen Wert auf gut ausgebildete Fachkräfte für die Kitas im Land.
Ministerium sieht Kitas im Wandel
Wichtig sei heutzutage, dass in Kitas multiprofessionell gearbeitet werde, also Mitarbeitende mit verschiedenen Kompetenzen zusammenwirken, betonte das Ministerium weiter. Es sei logisch und gewollt, dass der Anteil der fachschulisch ausgebildeten Personen, also Menschen mit einer klassischen Erzieherausbildung, in dem Maße zurückgehe, wie der Anteil anderer Professionen steige. Die Kita-Landschaft vergrößere sich und sei im Umbruch. Das liege an gesellschaftlichen Veränderungen, Familien hätten beispielsweise höhere Ansprüche an Betreuungsangebote, weil beide Elternteile arbeiteten.
Die Bertelsmann-Stiftung gibt derweil zu bedenken, dass nicht einschlägig ausgebildete Mitarbeiter von Kollegen begleitet werden müssten und damit auch mehr Aufwand anfalle. Das sei ein weiterer Belastungsfaktor für das Fachpersonal. Hinzu komme, dass drei Viertel der Kita-Kinder in Rheinland-Pfalz in Gruppen seien, in denen eine pädagogisch tätige Person mehr Kinder betreue als wissenschaftlich empfohlen - eine weitere Erhöhung der Belastung für die Mitarbeitenden. Das Ministerium entgegnete, es gebe unterschiedliche Empfehlungen für einen Fachkraft-Kind-Schlüssel in Kindertageseinrichtungen. Davon seien die Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung nur eine.
Bock-Famulla von der Stiftung verwies auf eine Studie der Justus-Liebig-Universität Gießen. Diese zeige, dass die Überlastung des Kita-Personals bundesweit auf einem sehr hohen Niveau sei. Viele Beschäftigte schätzten die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Job kurz- bis mittelfristig verlassen werden, als sehr hoch ein. Bei rund einem Viertel der Befragten liegt diese sogar bei 80 Prozent oder höher. «Auch in Rheinland-Pfalz besteht das Risiko, dass zahlreiche Fachkräfte das Berufsfeld verlassen», warnte Bock-Famulla. Ein weiteres Absenken der Fachkraft-Quote würde die Situation zusätzlich verschlechtern.
Auch der kitapolitische Sprecher der oppositionellen CDU-Fraktion, Thomas Barth, sagte, das Land könne sich eine weitere Verschlechterung der Situation nicht leisten. Wichtig seien eine Anhebung der Personalquote sowie mehr Freistellung für Leitungsaufgaben. Darüber hinaus ist die Unionsfraktion für eine Unterscheidung der Betreuung in Rand- und Kernzeiten. Das schaffe Flexibilität in der Personalplanung und Verlässlichkeit bei den Öffnungszeiten.
Auch Kita-Fachkräfteverband meldet sich zu Wort
Der Kita-Fachkräfteverband teilte mit, es sei fachlich unumstritten, dass zu wenig Personal, fehlende fachliche Kompetenz sowie ein häufiger Wechsel der Bezugs- und Betreuungspersonen für junge Kinder eine große Belastung darstellten. «Das Management großer heterogener Kindergruppen und eine sinnvolle pädagogische Gestaltung des Kita-Alltags erfordern pädagogische, entwicklungspsychologische und frühpädagogische Kenntnisse und Fertigkeiten und damit eine qualitativ hochwertige Ausbildung.» Das Recht des Kindes auf Bildung, Erziehung und eine seinem Entwicklungsstand angemessene Betreuung sei mehr, als dass ein Kind nach einem Kita-Tag satt, sauber und unverletzt abgeholt werden könne.
Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Rheinland-Pfalz, Kathrin Gröning, betonte, in Rheinland-Pfalz liege der Anteil an nicht kindgerechten Personalschlüsseln sowohl bei Kindern im Krippenalter als auch bei Über-Dreijährigen unverändert deutlich über dem Bundesschnitt. Es brauche mehr Anstrengung, um Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in den Kitas zu verbessern. Mut machten die Zuwächse bei der berufsbegleitenden Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher in Rheinland-Pfalz.
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