Land unter: Heftiger Dauerregen hat am Freitag im Saarland vielfache Überflutungen und Erdrutsche verursacht. In vielen Kommunen, unter anderem in der Landeshauptstadt Saarbrücken, mussten Häuser wegen ansteigender Wassermassen evakuiert werden. Die Bevölkerung wurde eindringlich aufgefordert, Keller, Gewässer und überflutete Gebiete zu meiden.«Flutwellen können plötzlich kommen, Ufer können einbrechen», teilte die Stadt Saarbrücken. «Es sollte unbedingt vermieden werden, überflutete Straßen zu überqueren - sowohl zu Fuß als auch mit dem Auto.»
Nach Angaben des Innenministeriums ist die Lage im Land am frühen Samstagmorgen weiter angespannt. «Wir haben noch zwei, drei Orte im Saarland wo es sehr kritisch ist», sagte ein Sprecher. Von Verletzten war zunächst nichts bekannt. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnte bis in die Nacht zum Samstag vor allem in den Gebieten westlich des Rheins vor ergiebigem Dauerregen. Danach soll der Regen langsam nachlassen. Es handele sich um ein Hochwasserereignis, wie es alle 20 bis 50 Jahre stattfinde, teilte das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz mit.
Altstadt von Ottweiler unter Wasser
In der Stadt Ottweiler haben die Dämme nachgegeben und Wasser ist in die Altstadt gelaufen. «Die Altstadt steht komplett unter Wasser. Da geht gar nichts mehr. Da ist auch gebeten worden, alles großzügig zu räumen», sagte die Sprecherin des Landkreises Neunkirchen. Mobile Deichsysteme und auch die Sandsäcke hätten nachgegeben. Auch das Landratsamt im Ort sei evakuiert worden. In der Altstadt wurde vorsorglich der Strom abgeschaltet.
«Wir haben hier eine Großschadenslage», sagte der Landrat des Landkreises Neunkirchen, Sören Meng, in einem Video auf Facebook. Die Einsatzkräfte seien ununterbrochen unterwegs. «Die Folgen für den Landkreis sind sehr groß. Es sind fast alle Städte und Gemeinden betroffen.»
Amphibienfahrzeuge und Boote im Einsatz
In Rußhütte, einem Stadtteil der Landeshauptstadt Saarbrücken, laufen laut Ministeriums-Sprecher noch die Evakuierungen. Dort seien die Helfer mit Amphibienfahrzeugen und Booten unterwegs. Ein Straßenzug sei hier besonders betroffen. Das Technische Hilfswerk postete auf der Plattform X ein Video vom dortigen Einsatz. Darin war etwa auch ein bis zum Nummernschild im Wasser stehender Wohnwagen und ein zur Hälfte überflutetes Auto zu sehen. Entspannungssignale gebe es hingegen aus Sankt Wendel, wo die Pegelstände etwas fallen würden, sagte der Sprecher. Auch im Saarpfalz-Kreis sei «relative Ruhe».
50 000 Sandsäcke aus der Landesreserve seien freigegeben, hieß es am Freitagabend aus dem Innenministerium. Es werde geprüft, ob man Hilfe aus umliegenden Bundesländern anfordern solle. Am späteren Abend sagte der Ministeriumssprecher: «Es ist noch lange nicht so, dass wir ans Aufräumen denken können.» Die Stadt Völklingen teilte mit, es würden Schäden in Millionenhöhe erwartet, insbesondere im privaten Bereich.
Überall Evakuierungen - teils mit Booten
Vereinzelt seien auch Altenheime betroffen gewesen, etwa eines in Marpingen, hieß es aus dem Innenministerium. In Saarbrücken-Rußhütte sei die Lage «brenzelig» gewesen, weil die Strömungsgeschwindigkeit so hoch war, dass die Feuerwehr abbrechen musste und Strömungsretter des Deutschen Roten Kreuzes angefordert wurden.
Die Landeshauptstadt Saarbrücken rief ebenso wie mehrere Kreise eine Großschadenslage aus. Mehrere Gebäude im Stadtgebiet mussten evakuiert werden. Die Stadt richtete Ausweichquartiere in Schulen und ein Bürgertelefon ein. «Wir haben überall Evakuierungen», sagte ein Sprecher des Lagezentrums in Saarbrücken. «Es regnet überall, landesweit.»
Der Kreis Neunkirchen teilte am Abend mit, alle Städte und Gemeinden im Landkreis seien «in großem Umfang von den Starkregenereignissen betroffen». In Wemmetsweiler hätten Menschen mit Booten aus ihren Häusern gerettet werden müssen. Von überfluteten Kellern und Straßen sowie Erdrutschen berichtete auch die Feuerwehr in Blieskastel (Saarpfalz-Kreis). «Die Böden nehmen keinen Regen mehr auf», sagte der Sprecher.
Zugverkehr eingeschränkt
Nach Angaben des Bahnunternehmens Vlexx war der Zugverkehr im Saarland stark eingeschränkt, dies galt auch für den Busverkehr. Teilweise wurden Gleise unterspült, auch in Oberleitungen gestürzte Bäume waren Ursache.
Der DWD maß stellenweise mehr als 100 Liter Regen pro Quadratmeter in nicht einmal 24 Stunden. Für diesen heftigen Regen seien Flüsse und Infrastruktur nicht ausgerichtet, sagte eine DWD-Meteorologin am Abend. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Monat April waren im Saarland rund 74 Liter Regen pro Quadratmeter gemessen worden - und dies war ein Sechstel mehr Niederschlag als normalerweise in jenem Monat. Bis 19 Uhr fielen laut DWD in Saarbrücken-Ensheim und Berus im Landkreis Saarlouis 107 Liter pro Quadratmeter. Verbreitet seien im Saarland 60 bis 100 Liter pro Quadratmeter gemessen worden. Die Flusspegel seien dadurch rasch gestiegen.
Bundeskanzler sagt Wahlkampfauftritt ab
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte einen für Samstag geplanten Wahlkampfauftritt im Saarland ab. Stattdessen werde er sich gemeinsam mit Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) ein Bild von der Lage vor Ort machen, teilte ein Regierungssprecher am Abend in Saarbrücken mit.
Überflutungen auch in Rheinland-Pfalz
Im benachbarten Rheinland-Pfalz waren am Freitag vor allem der Kreis Trier-Saarburg sowie die Südpfalz und die Städte Trier, Zweibrücken und Ludwigshafen von dem Dauerregen betroffen. Keller und Straßen liefen voll und Bäume stürzten um, wie die Koordinierungsstelle der Aufsichts- und Dienstleistungsbehörde (ADD) berichtete. Verletzt wurde zunächst niemand. Viele kleinere Bäche und Flüsse traten über die Ufer.
In Schoden an der Saar im Kreis Trier-Saarburg sollten wegen Überflutungsgefahr rund 220 Menschen vorsorglich ihre Häuser verlassen, wie die Kreisverwaltung mitteilte. Der Wasserstand der Saar war zuvor wegen des Dauerregens so stark gestiegen, dass eine Überflutung des Uferdamms befürchtet wurde. Mit Sandsäcken wollten Helfer versuchen, den Damm zu stabilisieren. «An fast allen Orten entlang der Saar sind Straßen und Gebäude überspült, in vielen Gemeinden treten kleinere Gewässer über die Ufer», teilte die Kreisbehörde mit.
In Trassem im gleichen Kreis, wo ebenfalls evakuiert wurde, hätten sich mehrere Bewohner in ihren Häusern verschanzt, hieß es. Die Polizei sei dort. «Es wird dringend davon abgeraten, sich etwaigen Evakuierungsaufforderungen der Einsatzkräfte zu widersetzen, dies kann lebensbedrohliche Folgen mit sich ziehen, die Pegel steigen weiterhin an», teilte der Kreis mit.
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