Pharma-Unternehmen Vetter kommt nach Saarlouis
Vor knapp zwei Jahren hatte Ford das Ende für die Produktion in Saarlouis verkündet. Jetzt gibt es eine Perspektive für den Standort und 2000 neue Jobs.
Vor knapp zwei Jahren hatte Ford das Ende für die Produktion in Saarlouis verkündet. Jetzt gibt es eine Perspektive für den Standort und 2000 neue Jobs.
Für Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) ist die Ansiedlung des weltweit tätigen Unternehmens ein «Glücksfall für Saarlouis und das ganze Saarland»: Der Pharmadienstleister Vetter will auf dem Ford-Gelände in Saarlouis in den kommenden Jahren für mehrere hundert Millionen Euro eine Produktionsstätte für 2000 Beschäftigte errichten, wie am Donnerstag mitgeteilt wurde. Dafür werden 50 Hektar der bisher unbebauten Ford-Flächen und nach dem Auslaufen der Ford-Focus-Produktion Ende November 2025 der Standort der Endmontage genutzt.
Der 1950 von Apotheker Helmut Vetter gegründete Familienbetrieb ist Spezialist für flüssige und gefriergetrocknete Medikamente, die in Spritzen und andere Injektionssysteme abgefüllt werden. Das Unternehmen aus Oberschwaben gilt als Weltmarktführer. Aktuell beschäftigt es über 6300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit. Seit 2016 hat sich sein Umsatz verdoppelt, im vergangenen Jahr wurde die Marke von einer Milliarde Euro geknackt.
Aus Sicht von Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) wird der Standort damit robuster und vielfältiger aufgestellt. «Das ist eine echte Zukunftsbranche mit einer hohen Bedeutung für Wertschöpfung, Beschäftigung und Innovationen.» Er erwarte auch eine positive Außenwirkung: «Ich glaube, das wird noch mal ein Stück weit einen anderen Blick auf das Saarland werfen, zumal wir uns ja auch in diesem Standort-Wettbewerb gegen andere Standorte in Deutschland und Europa durchsetzen konnten.»
Vetter: Standort mit den besten Voraussetzungen
Nach Angaben von Udo J. Vetter, Vorsitzender des Unternehmensbeirats und Mitglied der Inhaberfamilie, hat sich Saarlouis als der Standort mit den besten Voraussetzungen für die Ausweitung der Produktionskapazitäten herauskristallisiert. Mit bis zu 2000 Arbeitsplätzen wolle man berufliche Perspektiven in einer zukunftssicheren Branche bieten. «Unsere Werte als Familienunternehmen stehen dabei an erster Stelle: nachhaltiges und verlässliches Handeln sowie vorausschauendes Planen - zum Wohle der Patienten weltweit, unseres Unternehmens und gleichermaßen der Menschen in dieser schönen Region.»
Laut Barke hat sich das Land in einer notariellen Auflassungsvormerkung den Zugriff auf die gesamte Ford-Fläche gesichert. Aktuell werde der Kaufvertrag verhandelt. Zugleich laufen die Planungen zur Separierung der Infrastruktur auf dem Ford-Gelände. Ab Januar 2025 soll mit den Infrastrukturmaßnahmen begonnen werden. Wegen umfangreicher Bauarbeiten für die Produktionsstätte sei vermutlich erst 2030 mit einem Produktionsstart zu rechnen.
Vor knapp zwei Jahren hatte Ford verkündet, dass das Werk im spanischen Valencia den Zuschlag für die neue Elektroauto-Plattform erhält. Damit wurde das Ende für die Focus-Produktion in Saarlouis besiegelt. Die Hoffnung, dass ein chinesischer Autobauer das Werk übernimmt, waren nach monatelangen Verhandlungen im Oktober geplatzt. Die Beschäftigten hatten Ende Februar einem Sozialtarifvertrag zugestimmt. Dieser beinhaltet die Weiterbeschäftigung von 1000 der 3750 Ford-Mitarbeitern bis Ende 2032, Abfindungen und Prämien, eine Transfergesellschaft und Qualifizierungsprogramme.
In einem Schreiben an die Belegschaft informierte die Ford-Werkleitung aus Saarlouis am Donnerstag darüber, dass der Verkauf von Flächen keine Folgen für die zugesicherten 1000 Arbeitsplätze habe. «Die Geschäftsaktivitäten des neuen Investors und der Ford-Werke GmbH werden künftig nebeneinander und voneinander unabhängig bestehen», hieß es.
Minister erwartet neue berufliche Zukunft viele frühere Ford-Beschäftigte
Barke zeigte sich zuversichtlich, dass viele frühere Ford-Beschäftigte in dem Pharmaunternehmen eine neue berufliche Zukunft finden: «Ich halte viele für hinreichend qualifiziert, dass sie dort arbeiten könnten.» Nach dem Ende der Focus-Produktion Ende 2025 sollen nahtlose Übergänge zu Vetter organisiert werden. Das Unternehmen plane hierfür eigene Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. Auch das Land werde das Unternehmen dabei unterstützen, ebenso bei betrieblichen Investitionen, möglichen Energieeffizienz- und Umweltschutzmaßnahmen oder auch Innovationsprojekten.
Der Ford-Betriebsratsvorsitzende aus Saarlouis, Markus Thal, sagte der Deutschen Presse-Agentur, er freue sich über jeden Arbeitsplatz, der im Saarland angesiedelt werde. «Ich freue mich aber auch, wenn alles, was jetzt gesagt wird, dann auch umgesetzt wird.» Nach Ansicht von Timo Ahr, stellvertretender Bezirksvorsitzender des DGB Rheinland-Pfalz/Saarland, leistet die Neuansiedlung einen erheblichen Beitrag zur Zukunftssicherheit der Region.
Für Marc Speicher, Beauftragter für Industriepolitik der CDU-Fraktion im Landtag und Abgeordneter aus Saarlouis, ist es gut, dass es nach zwei Jahren «einen kleinen Hoffnungsschimmer» für einen Teilbereich des Röderbergs gebe. Diese jetzt angekündigte Teilnutzung der Fläche entspreche der von der CDU-Fraktion geforderten Diversifizierung des Branchenmixes und Schwerpunktsetzung auf tendenziell inhabergeführte Betriebe aus dem Mittelstand. Insgesamt bleibe die wirtschaftliche Nachnutzung für den größten Teil des Röderbergs weiter eine gemeinsame Mammutaufgabe von Land und Stadt.
Nach Ansicht von Jörg Caspar, Vorstandschef der Arbeitskammer des Saarlandes, zeigt sich erneut, dass die Gesundheitswirtschaft im Saarland eine absolute Zukunftsbranche ist. Bereits jetzt sei dort jeder sechste Beschäftigte tätig. Nun gelte es, potenzielle Beschäftigte auf diese Tätigkeiten vorzubereiten: «Die Instrumente dazu haben wir im Land.»
Von Katja Sponholz, dpa
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