Nach Wahl: Freude, Enttäuschung und Zuversicht im Saarland
Wunden lecken bei SPD und FDP, Siegerstimmung bei CDU und AfD - und mit Blick auf die Landeswahl Hoffnung bei Grünen, Linken und BSW. Eine Bilanz.
Wunden lecken bei SPD und FDP, Siegerstimmung bei CDU und AfD - und mit Blick auf die Landeswahl Hoffnung bei Grünen, Linken und BSW. Eine Bilanz.
CDU-Chef Stephan Toscani spricht im Saarland von einem klaren Wahlsieg, SPD-Fraktionsvorsitzender Ulrich Commerçon räumt für seine Partei eine «bittere Wahlniederlage» ein und AfD-Fraktionsvorsitzender Josef Dörr spricht von «erdrutschartigen Verschiebungen».
Blick nach vorn: Nach Ansicht des saarländischen CDU-Spitzenkandidaten Roland Theis sollten nach der Bundestagswahl mit dem klaren Wahlsieg für die Union rasch die Weichen für eine neue Bundesregierung gestellt werden. «Wir haben auch gar keine Zeit zu verlieren. Deutschland braucht jetzt wieder eine handlungsfähige Bundesregierung», sagte er in Saarbrücken.
Zudem brauche Europa «Führung auch aus Deutschland heraus», gemeinsam mit den Nachbarn Frankreich und Polen. Und deshalb sei es notwendig, dass der Regierungsauftrag, den CDU-Chef Friedrich Merz erhalten habe, in einer Koalition mit den Sozialdemokraten «jetzt schnell ins Werk gesetzt» werde.
SPD: Merz muss auf SPD zugehen
Es sei die Aufgabe von Merz, auf die SPD zuzugehen, sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Commerçon. Zugehen bedeute aber nicht, «den Hörer in die Hand zu nehmen und zu diktieren, was jetzt zu vereinbaren ist». Zugehen müsse auch bedeuten, dass Merz abkehre von dem Weg, Sozialdemokraten wüst zu beschimpfen, sagte er.
FDP: «Katastrophales Ergebnis»
Die FDP im Bund und an der Saar hat nach Ansicht von Generalsekretärin Gudrun Bierbrauer-Haupenthal «ein katastrophales Ergebnis eingefahren». Überrascht und enttäuscht sei sie auch deshalb gewesen, weil die Stimmung vor Ort «eigentlich ok» gewesen sei. Doch schon zu Ampel-Zeiten seien die FDP-Wähler «wahnsinnig von uns enttäuscht» gewesen.
Große Sorgen bereite ihr als Lehrerin, dass die AfD ihre Stimmen verdoppeln konnte und auch bei den jungen Wählern gut abgeschnitten habe. Im Bildungssystem gebe es viel zu tun. «Demokratiebildung lässt sich einfach sagen, aber wir müssen da auch an den Strukturen in den Schulen arbeiten.»
AfD: «Außergewöhnliches Ergebnis»
Laut AfD-Fraktionschef Josef Dörr hat die AfD «einen Sieg errungen» und «ein außergewöhnliches Ergebnis» sowohl im Bund als auch im Saarland erzielt. Er prognostizierte, dass die großen Parteien weiter schrumpfen würden. Bei der Landtagswahl in zwei Jahren könne die AfD dann noch stärker sein als jetzt. «SPD und CDU wären gut beraten, auch mal unseren Anträgen zuzuhören, die wir vorbringen im Landtag, und dem ein oder anderen sehr guten Antrag auch mal zustimmen.»
BSW: Gestärkt in Landtagswahl
Obwohl das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) den Einzug in den Bundestag verfehlt habe, sei dies nach Ansicht von Spitzenkandidatin Désirée Kany «trotzdem ein sehr gutes Ergebnis», wenn man bedenke, dass sich die Partei erst vor einem Jahr gegründet habe. Das BSW werde nun gestärkt in die Landtagswahl gehen, «und die anderen Parteien können sich warm anziehen.»
Linke: «Silberlocke und Heidi» entscheidend
Schadenfreude habe sie bei dem Ergebnis für das BSW, das sich von den Linken abgespalten hatte, nicht empfunden, sagte die Linken-Vorsitzende Barbara Spaniol. «Häme finde ich ein bisschen fehl am Platz», sagte sie. Ihr gehe es eher darum, wie stark die Linke sei und was man als Oppositionspartei leisten könne. Das «schöne Ergebnis», das viele überrascht habe, führte Spitzenkandidat Michael Arndt zurück auf die «Aktion Silberlocke» und auf «Heidi», also die Vorsitzende Heidi Reichinnek - einer gelungenen Mischung aus Alt und Jung, so der Arzt, der im neuen Bundestag sitzen wird.
Grüne: Erneuerung war im Saarland erfolgreich
Grünen-Parteichef Volker Morbe werte das Abschneiden seiner Partei im Saarland als Zeichen dafür, «dass wir hier mit unserer grünen Politik auf dem richtigen Weg sind» - mit neuen Inhalten, neuen Gesichtern und neuen Strukturen. Dass man jetzt auch noch im Bundestag vertreten sei, gebe Aufschwung und Motivation. «Das erste Ziel haben wir erreicht. Das nächste wird sein, wieder in den Landtag zu kommen.» Dafür werde helfen, dass man künftig im Saarland auch ein grünes Bundestagsbüro haben werde.
Künftig acht Saarländer im Bundestag
Das Saarland wird im neuen Bundestag mit acht Abgeordneten vertreten sein. Jeweils zwei Sitze entfallen auf CDU, SPD und AfD, je einer auf die Linke und die Grünen, wie aus dem vorläufigen Endergebnis und der Sitzverteilung, die von der Bundeswahlleiterin veröffentlicht wurden. Bislang saßen neun Abgeordnete aus dem Saarland im Bundestag - fünf von der SPD, zwei von der CDU und je einer von FDP und AfD.
Auswirkungen auf Landtagswahl 2027
Der Wahlsieg wird nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Uwe Jun der CDU im Saarland zu «neuem Selbstbewusstsein» verhelfen. «Sie wird die Hoffnung hegen, was ihr lange Zeit im Saarland gelang, bei der nächsten Landtagswahl 2027 wieder stärkste Kraft zu werden», sagte Jun der dpa.
Seit April 2022 ist Anke Rehlinger im Saarland Ministerpräsidentin einer SPD-Alleinregierung. «Das wussten alle, dass das eine Ausnahmesituation war, die nur schwer zu halten sein wird», sagte Jun. Mit Blick auf die nächsten Jahre im Saarland werde «viel auf Rehlinger ankommen». Sie sei «das Zugpferd für die SPD im Saarland».
Rehlinger winkt als Parteichefin ab
Rehlinger sagte im ARD-«Morgenmagazin», sie stehe «aktuell» nicht als neue Parteivorsitzende zur Verfügung. SPD-Fraktionschef Commerçon kommentierte dies auf Anfrage mit den Worten: «Das ist in jedem Fall gut fürs Saarland, weil Anke Rehlinger hier im Saarland als Ministerpräsidentin gebraucht wird.» Und zum anderen auch, wie sie selbst schon wortwörtlich gesagt habe, «man die Partei nicht aus Saarbrücken führen kann.»
Ergebnisse im Saarland
Die CDU ist bei der Bundestagswahl auch im Saarland stärkste Kraft geworden. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis holte die CDU 26,9 Prozent der Zweitstimmen. Dahinter behauptete die SPD (21,9 Prozent) knapp Platz zwei vor der AfD (21,6 Prozent). Es folgen Linke (7,3 Prozent), Grüne (7,2 Prozent), das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW, 6,2 Prozent) und die FDP (4,3 Prozent). Die Wahlbeteiligung lag bei 82,4 Prozent (2021: 77,3 Prozent).
Von Katja Sponholz und Birgit Reichert, dpa
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