Ungewollt Schwangere in Hessen haben einer Studie zufolge im bundesweiten Vergleich einen weitgehend angemessenen Zugang zu Stellen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Nur ein verhältnismäßig kleiner Anteil von 3,8 Prozent der Bevölkerung lebt demnach in Gebieten, in denen die nächste Einrichtung für einen solchen Eingriff nicht innerhalb von 40 Minuten Autofahrt erreichbar ist.
Das geht aus am Mittwoch veröffentlichten Teilergebnissen der sogenannten Elsa-Studie hervor («Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer - Angebote der Beratung und Versorgung»). Dabei handelt es sich um ein vom Bundesgesundheitsministerium gefördertes Forschungsprojekt mehrerer Hochschulen, darunter die Hochschule Fulda, zur Lebenssituation ungewollt Schwangerer und zum Thema Schwangerschaftsabbrüche.
In 85 von 400 Landkreisen in Deutschland leben demnach Menschen außerhalb einer angemessenen Erreichbarkeit zum nächsten Angebot für einen Schwangerschaftsabbruch. 43 dieser Kreise lägen in Bayern, jeweils acht in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Für die Studie wurden die Adressen von mehr als 1000 Stellen in Deutschland, die Abbrüche durchführen, ausgewertet und Gebiete berechnet, die mehr als 40 Auto-Minuten entfernt davon liegen.
Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen haben demnach im Vergleich zu den anderen Bundesländern einen hohen Versorgungsgrad. Niedersachsen, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Hessen liegen in der Mitte. Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zählt die Studie zu Regionen mit geringem Versorgungsgrad.
Rein rechnerisch kommen in Hessen 17 901 Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren auf eine Einrichtung, in der ein Schwangerschaftsabbruch möglich ist. «Je weniger Frauen auf eine Meldestelle kommen, desto höher die Versorgungsdichte», heißt es in der Studie. Zum Vergleich: In Bayern liegt die Zahl bei 31 428, in Mecklenburg-Vorpommern bei 6236.
Die hessische FDP-Landtagsfraktionschefin Wiebke Knell forderte Erleichterungen beim Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in Hessen. «Im bundesweiten Vergleich liegt Hessen bei der Erreichbarkeit von Einrichtungen für einen Schwangerschaftsabbruch nur auf Platz elf, und gerade Frauen aus Osthessen müssen lange Wege in Kauf nehmen, um zu einer entsprechenden Stelle zu gelangen.» Die Erreichbarkeit müsse flächendeckend verbessert werden. «Die gesetzliche Regelung, dass eine entsprechende Praxis innerhalb eines Tages mit dem ÖPNV erreichbar sein muss, greift zu kurz und geht an den Bedürfnissen von Frauen in dieser schwierigen Situation vorbei.»
Eine Abtreibung ist in Deutschland nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches grundsätzlich strafbar, es sei denn, sie findet innerhalb der ersten zwölf Wochen statt und die Frau hat sich zuvor beraten lassen. Nicht strafbar ist ein Abbruch zudem, wenn medizinische Gründe vorliegen oder wenn er wegen einer Vergewaltigung vorgenommen wird. Eine von der Ampel-Koalition eingesetzte Expertenkommission wird am Montag Empfehlungen dazu vorlegen, ob es bei der grundsätzlichen Strafbarkeit bleiben soll.
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