Ein Lichtstrahl fällt in einer Kirche auf ein Kreuz.
Nicolas Armer/dpa/Symbolbild
Ein Lichtstrahl fällt in einer Kirche auf ein Kreuz.
Rechtsextremismus

Kirche warnt vor AfD als Sammelbecken für Demokratiefeinde

Die evangelische Kirche im Rheinland schrumpft zwar beständig, aber sie ist weiterhin laut. Vor allem, wenn es um politische Statements geht.

Die rheinische evangelische Kirche hat mit Blick auf das Wahljahr 2024 eindringlich vor dem erstarkenden Rechtsextremismus und der AfD gewarnt. Die Partei schüre in Krisen Ängste und Hass und spalte die Gesellschaft, sagte Präses Thorsten Latzel am Montag in seinem Jahresbericht vor der Synode in Düsseldorf. «Die AfD nivelliert die Verbrechen der NS-Zeit. Sie widerspricht Menschenrechten.» Die AfD sei «rassistisch, diskriminierend und frauenfeindlich». Sie wolle «kleine Leute schwächen und Reiche reicher machen». Die Partei stehe für die Aufhebung des Rechtsstaats und demokratischer Freiheitsrechte. «Die AfD ist keine Alternative, sie wäre der Abstieg für Deutschland», sagte Latzel.

Der Präses wies auf die in diesem Jahr anstehenden Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg hin sowie auf die Europawahl und die Wahlen in den USA. «Wir haben in Deutschland, in Europa und weltweit starke demokratiefeindliche Kräfte», sagte er. Die in drei Bundesländern vom jeweiligen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch bewertete AfD sei ein Sammelbecken für Demokratiefeinde. Bundesweit gilt die AfD als Verdachtsfall. Die Partei befindet sich seit Monaten in einem Umfragehoch.

Ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD wäre für Latzel das letzte Mittel. «Jedes Parteiverbot hat zu Recht bei uns in der Demokratie eine hohe Hürde», sagte er. Wenn die AfD aber als verfassungsfeindlich eingestuft werde, «dann sollte man diese juristischen Instrumente auch wahrnehmen». Zunächst aber werde die politische Auseinandersetzung mit der AfD gebraucht, um deutlich zu machen, dass die Partei keine Antworten auf wesentliche Herausforderungen der Gesellschaft habe, sondern sie spalte.

Gefahr durch Potsdamer Rechten-Treffen

Der nordrhein-westfälische Europaminister Nathanel Liminski warnte in einem Grußwort, die Gefahr zu unterschätzen, die von dem Vernetzungstreffen radikaler Rechter in Potsdam im vergangenen November ausgehe. «Es ist eben nicht nur ein isoliertes Treffen einiger Irrer oder Wildgewordener am rechten Rand der Gesellschaft, sondern wir haben auch eine Gesellschaft in Aufruhr.» Deshalb sei es so wichtig, dass die demokratische Mitte wie bei den großen Demonstrationen am Wochenende klar Farbe bekenne und aufstehe.

Liminski, der selbst ein gläubiger Katholik ist, unterstrich die Notwendigkeit der kirchlichen Arbeit trotz des Mitgliederschwunds bei Protestanten und Katholiken. In einer Zeit der Diskrepanz zwischen den sogenannten Eliten und den Menschen sei die Kirche ein «glaubwürdiger Botschafter», weil sie sich mit den ganz konkreten Fragen des Alltags beschäftige.

Diakonische Einrichtungen vor dem Aus

Zugleich wies Präses Latzel aber auch darauf hin, dass vielen diakonischen Angeboten das Aus drohe. «Tafeln sind bei uns so überlaufen, dass sie einen Aufnahmestopp verhängen müssen», sagte Latzel. Es bestehe die Gefahr, dass viele diakonische Einrichtungen schließen müssten. Die Versorgung von Pflegebedürftigen, Suchtberatung, die Integration Geflüchteter und Kita-Betreuung seien dann nicht mehr möglich. «Wer hier spart, zahlt später drauf», warnte der Präses.

Latzel forderte die Bundesregierung auf, den Sozialstaat zu erhalten und angesichts zunehmender Armutsgefahr Mittel gerechter zu verteilen. Für viele Menschen sei es schwierig geworden, finanziell über die Runden zu kommen. Die Pandemie, Krieg und Inflation hätten die Situation noch verschärft. «Wer hier spart, zahlt später drauf.»

Kirchenleben an Mitgliederschwund anpassen

Angesichts der sinkenden Mitgliederzahlen und schwindenden Finanzkraft der Kirche forderte Latzel eine grundlegende Überprüfung der Kirchenaufgaben. «Unsere tradierten Strukturen führen oft schlicht zur Selbsterschöpfung», sagte er. Die Gemeinden hätten nicht genug Ehren- und Hauptamtliche, um Traditionen dauerhaft zu erhalten. Die Kirche brauche Strukturen, die auch mit der Hälfte ihrer Mitglieder noch funktionierten.

So müssten die Aufgaben der Presbyterien entschlackt und andere Arbeitsformen gefunden werden. In nur einem Bruchteil der Gemeinden gebe es noch Presbyteriumswahlen, weil sich nicht mehr genug Ehrenamtler dafür fänden. Auch die Arbeit der Gemeindepfarrer und -pfarrerinnen müsse von Verwaltungsaufgaben befreit werden. Nicht zuletzt müssten kleinere Gottesdienstformate entwickelt werden, weil immer weniger Menschen daran teilnähmen. Die Kirchen sollten dagegen «brummen» bei größeren Feiern wie Schulgottesdiensten oder Jubiläen.

Im Zentrum der bis Freitag dauernden Tagung der knapp 200 Vertreter des rheinischen Kirchenparlaments steht dieses Jahr die Lockerung der Regeln für Gottesdienste, Abendmahl, Taufen und Trauungen. Damit will die zweitgrößte evangelische Landeskirche mit knapp 2,2 Millionen Mitgliedern wieder attraktiver für die Menschen werden.

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