Die rheinland-pfälzischen Kommunen machen Druck für eine bessere finanzielle Ausstattung. Nach dem Brandbrief von 13 deutschen Oberbürgermeistern warnen im kleinteilig strukturierten Rheinland-Pfalz auch Dörfer und Gemeinden vor dem finanziellen Kollaps.
Der überparteilichen Initiative «Jetzt reden wir – Ortsgemeinden stehen auf» haben sich nach eigener Darstellung mehr als 740 Gemeinden angeschlossen. «Es werden ständig mehr. Wir wollen vierstellig werden», sagte einer der Initiatoren der Deutschen Presse-Agentur.
Ortsgemeinden treffen Schweitzer und Ebling
Die kommunale Selbstverwaltung stehe vor dem Kollaps, heißt es in dem Schreiben, das Vertreter der Initiative Ministerpräsident Alexander Schweitzer und Innenminister Michael Ebling (beide SPD) bei einem Treffen überreichten. In Rheinland-Pfalz gibt es rund 2.260 Ortsgemeinden.
Der Regierungschef sprach danach von einem sehr guten und konstruktiven Gespräch. Die Vertreter der Ortsgemeinden hätten viele praktische Beispiele für ihre Forderungen mitgebracht. Den vielen konkreten Hinweisen werde nachgegangen. Für das Frühjahr sei ein weiteres Treffen vereinbart worden.
Nicole Jobelius-Schausten, Ortsbürgermeisterin von Ellenz-Poltersdorf, und ihr Kollege Stefan Thomas aus der Ortsgemeinde Faid, sprachen von einem fruchtbaren Gespräch in der Mainzer Staatskanzlei. Es sei ihnen wichtig gewesen, konkrete Einzelbeispiele zu nennen und zu zeigen, wo den Kommunen der Schuh drückt.
Es gehe darum, strukturelle Probleme wie die hohen Betriebskosten und die Ausgaben für die Jugendhilfe zu lösen. In ihrem Papier hatten die Ortsgemeinden als Gründe für die brenzlige Lage neben der unzureichenden Finanzausstattung auch die überbordende Bürokratie, eine eingeschränkte Planungshoheit und ein überlastetes Ehrenamt genannt.
Ortsgemeinden sehen Bund und Land in der Pflicht
Die Ortsgemeinden sehen sowohl den Bund als auch das Land in der Pflicht und setzen darauf, dass sich Schweitzer als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz für ihre Anliegen im Bund starkmacht. Es gehe beim Bund um das Konnexitätsprinzip (wer bestellt, der bezahlt). Aufgaben, die durch Bundesgesetze den Kommunen übertragen würden, müssten in vollem Umfang finanziell ausgestattet werden.
Den von der Bundesregierung beschlossenen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab Juli 2026 nennt die Initiative als ein Beispiel. Das sei eine gute Idee und helfe Familien, aber dann müsse auch das Geld dafür bereitgestellt werden.
Regierungschef Schweitzer versicherte, dass er bei seinen Gesprächen mit der Bundesregierung diese Forderungen vorbringen wird. Ebenso wie der Brandbrief der Oberbürgermeister gebe das den Ländern Rückenwind bei den Verhandlungen.
Soziale Kosten sind eine hohe Belastung
«Die Finanzierung sozialer Ausgleichsaufgaben darf nicht länger größte Last der Kommunen sein», lautet eine wesentliche Forderung der Ortsgemeinden. Da müssten Bund und Länder einspringen. Vor allem hoch belastete Sozial- und Jugendhilfeträger – Landkreise und kreisfreie Städte – müssten Anteile an der Einkommens- und Umsatzsteuer erhalten.
«Die Kommunen in Rheinland-Pfalz benötigen dringend eine solide finanzielle Basis, um ihre Aufgaben eigenverantwortlich und zukunftsorientiert wahrnehmen zu können» heißt es in dem Papier. Damit sind drei zentrale Forderungen verbunden: Finanzielle Eigenständigkeit, Planungs- und Handlungshoheit zurückgewinnen sowie Entbürokratisierung und Stärkung des Ehrenamts.
«Bürokratiemonster» muss verschwinden
Die Gemeinden erkennen die «politischen Kraftakte» der Landesregierung für die Jahre 2025 und 2026 an. Aber: «Die Administration machte hieraus leider "Bürokratiemonster".» Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung sei zielführender und führe zu Bürokratieabbau.
Die Ortsgemeinden fordern weiterhin unter anderem die «konsequente Bereitstellung von Mitteln für Bundes- und Landesstraßen». Zur Sicherung der Planungs- und Handlungshoheit solle das bewährte System der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge für Ortsstraßen beibehalten werden.
Öffentliche Ausschreibungs- und Vergabeverfahren müssten umfassend vereinfacht und die Digitalisierung forciert werden. Notwendig sei auch eine flächendeckende Aufgabenkritik und eine Überprüfung der Standards mit dem Ziel der Reduzierung.
Schweitzer will auch einen Ausgleich vom Bund
Schweitzer hatte für den Brandbrief der Oberbürgermeister aus Mainz und zwölf anderen Landeshauptstädten an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) Verständnis gezeigt und gesagt, er sei sich sicher, dass ihr Appell beim Bundeskanzler ankomme. Die Rathauschefs der Hauptstädte aller Flächenländer hatten beklagt, dass sich die Schere zwischen kommunalen Einnahmen und Ausgaben immer weiter öffne.
Der Bund müsse Mehrbelastungen der Länder und Kommunen auskömmlich ausgleichen, sagte Schweitzer. Dafür müsse die Qualität der Kostenschätzung deutlich verbessert und transparent dargelegt werden, Länder und Kommunen müssten einbezogen werden. «Wir fordern zudem, dass die tatsächlichen Kostenfolgen regelmäßig evaluiert und die Kompensationszahlungen im Lichte der Evaluationsergebnisse angepasst werden.» Damit würden auch dynamische Kostensteigerungen berücksichtigt.
Schweitzer erhofft sich bis zur Ministerpräsidentenkonferenz Anfang Dezember mit Merz in Berlin Ergebnisse.
CDU: Bürgermeister werden zu «verzweifelten Mangelverwaltern»
Der rheinland-pfälzische CDU-Chef Gordon Schnieder erklärte: «Unsere Ortsbürgermeister werden immer mehr zu verzweifelten Mangelverwaltern. Diesen Zustand ignoriert die SPD-geführte Regierung seit Jahren.» Jetzt vor der Landtagswahl am 22. März 2026 winke SPD-Ministerpräsident Schweitzer «mit den Milliarden vom Bund» und verteile fleißig Förderchecks vor Ort.
«Aber Kommunen wollen keine Wahlkampfgeschenke, sie brauchen eine solide und verlässliche Finanzausstattung. Unsere Vorschläge dazu liegen schon lange auf dem Tisch», betonte Schnieder, der auch CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl ist. AfD-Fraktionschef Jan Bollinger kritisierte, dass Bund und Land die Kommunen seit Jahren mit neuen Aufgaben und ständig steigenden Soziallasten überforderten. «Die kommunale Finanznot ist nicht vom Himmel gefallen.»
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