Härtere Gangart gegen Verfassungsfeinde
Der Landtagspräsident findet es unerträglich, wenn Feinde der Demokratie von dieser auch noch Geld bekommen. Nun soll ein neuer Mechanismus, hinter dem vier Fraktionen stehen, genau das verhindern.
Der Landtagspräsident findet es unerträglich, wenn Feinde der Demokratie von dieser auch noch Geld bekommen. Nun soll ein neuer Mechanismus, hinter dem vier Fraktionen stehen, genau das verhindern.
Es ist als Antwort auf das Erstarken politischer Ränder gedacht und soll die Wehrhaftigkeit der Demokratie stärken. Der rheinland-pfälzische Landtag möchte erwiesenermaßen verfassungsfeindliche Mitarbeiter von Fraktionen oder Abgeordneten von staatlichen Geldern ausschließen.
Gelingen soll das mit einer Zuverlässigkeitsprüfung, in die auch Informationen von Verfassungsschutzbehörden einfließen. Ein solches Vorgehen gibt es so bislang in keinem anderen Landesparlament. Schon bald wird der Landtag über den entsprechenden Gesetzentwurf beraten.
Warum kommt der Landtag jetzt mit dem Thema?
Der Landtag verweist auf Medienrecherchen aus dem vergangenen Jahr, wonach eine nicht unerhebliche Zahl von Mitarbeitern von Abgeordneten und Fraktionen auf Landes- und Bundesebene dem rechtsextremistischen Milieu angehören sollen. In Folge dessen beauftragte Landtagspräsident Hendrik Hering den Wissenschaftlichen Dienst des Parlaments in Mainz damit, sich mit einem möglichen Umgang mit Verfassungsfeinden auseinanderzusetzen.
Das daraus entstanden Gutachten kommt zu dem Schluss, dass es rechtlich möglich ist, verfassungsfeindliche Personen von der Zahlung staatlicher Gelder auszuschließen. Auf Basis des Gutachtens entstand ein Gesetzentwurf, der Änderungen am Abgeordneten- und Fraktionsgesetz vorsieht.
Wie soll die Zuverlässigkeitsprüfung aussehen?
Vorgesehen ist eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister. Darüber hinaus werden Informationen von Verfassungsschutzbehörden sowie beim Landeskriminalamt (LKA) eingeholt. Es soll sowohl auf Infos aus offenen Quellen und auf erkennungsdienstliche Informationen, die verdeckt eingeholt wurden, zurückgegriffen werden können. Betrachtet werden immer die zurückliegenden fünf Jahre.
Auf Basis dessen soll geschaut werden, ob eine Verfassungsfeindlichkeit vorliegt. Als eindeutig unzuverlässig sollen Personen gelten, die wegen Staatsschutzdelikten verurteilt worden sind, die Mitglied in einem verbotenen Verein waren oder Mitglied einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat.
Wenn eine Partei als extremistisch eingestuft wird, aber nicht verboten ist, genügt den Plänen zufolge eine Mitgliedschaft nicht für eine Unzuverlässigkeit. Dann müsse eine Betrachtung des Einzelfalls her, erklärte Landtagspräsident Hering. Entscheidend sei, ob eine aktiv kämpferische Haltung gegen die Verfassung vorliege. Hat die Person verfassungsfeindliche Veranstaltungen organisiert oder unterstützt? Wie hat sie sich in Reden oder sozialen Netzwerken geäußert? All das kann in die Bewertung einfließen.
Die AfD war Anfang Mai vom Bundesamt für Verfassungsschutz zur «gesichert rechtsextremistischen Bestrebung» hochgestuft worden. Das mündete in einen Rechtsstreit mit der Partei, in dem das Bundesamt eine Stillhaltezusage abgab. Es bezeichnet die AfD bis zu einer Gerichtsentscheidung über ein Eilverfahren nicht mehr öffentlich als gesichert rechtsextremistische Bestrebung.
Die Entscheidung, ob eine Person zuverlässig ist oder nicht, trifft nach den rheinland-pfälzischen Plänen am Ende der Präsident des Landtags, Betroffene sollen sich gerichtlich dagegen wehren können. Bleibt es bei der Entscheidung, fließen keine staatlichen Gelder mehr für die Bezahlung des Betroffenen. Erfolgen soll eine Überprüfung regelmäßig, spätestens alle zwei Jahre. Gibt es Bedenken, kann jederzeit eine neue Prüfung erfolgen.
Um wie viel Geld und um wie viele Personen geht es?
Die Geldleistungen für Fraktionen pro Monat setzen sich laut Landtag unter anderem zusammen aus einem Grundbetrag von 75.504 Euro für jede Fraktion, einem Steigerungsbetrag von 2.363 Euro für jedes Fraktionsmitglied und einem zusätzlichen Steigerungsbetrag von 554 Euro je Mitglied für jede Fraktion, die nicht Teil der Landesregierung ist - das ist der Oppositionszuschlag. Für was die Fraktionen das Geld ausgeben und wie viele Mitarbeiter sie für wie viel Geld beschäftigen, ist ihre Sache.
Das Abgeordnetengesetz sieht in Paragraf 6 vor, dass einem Abgeordneten auf Antrag die nachgewiesenen Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern erstattet werden - jährlich bis zu einem Betrag, der dem Zwölffachen des Tabellenentgelts eines in Vollzeitbeschäftigten des Landes in der Entgeltgruppe E 11, Stufe 3, des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) entspricht. Stufe 3 dieser Entgeltgruppe bedeutet nach der aktuellen Fassung des TV-L 4.619,10 Euro monatlich.
Im Fall von erwiesenermaßen verfassungsfeindlichen Mitarbeitern von Abgeordneten soll künftig ermöglicht werden, dass solche Erstattungen nicht mehr an den Abgeordneten fließen. Bei verfassungsfeindlichen Mitarbeitern einer Fraktion könnte der einer Fraktion zustehende Betrag verringert werden.
Und wie viele Überprüfungen braucht es, so das Gesetz kommt? Allein die Abgeordneten beschäftigen nach Angaben des Landtags 340 Mitarbeitende. Dazu kommen Beschäftigte von Fraktionen, hierzu liegen keine Zahlen vor.
Wie geht es weiter?
Die Fraktionen der Ampel-Koalition sowie die CDU-Fraktion werden den Gesetzentwurf voraussichtlich in der kommenden Woche in den Landtag einbringen. Hering sagte, im Juli könnten die zweite und dritte Lesung samt der Verabschiedung folgen. Dann könnte es mit den Zuverlässigkeitsüberprüfungen losgehen, die einige Monate in Anspruch nehmen dürften.
Was hat der Landtag bislang schon getan?
Im Juni 2024 hat das Parlament bereits seine Hausordnung überarbeitet. Seitdem ist eine Zuverlässigkeitsüberprüfung bei Mitarbeitenden von Fraktionen vorgesehen, die eine Zugangsberechtigung für sensible Bereiche des Landtags haben wollen. Auch hier wird auf Informationen des LKA und des Verfassungsschutzes zurückgegriffen, allerdings nur auf welche aus öffentlichen Quellen und nicht auf verdeckt gewonnene Erkenntnisse.
Bislang wurden laut Landtag 116 Mitarbeiter überprüft, in keinem Fall sei eine Zugangsberechtigung verwehrt worden. Auffällig sei jedoch, dass die AfD-Fraktion deutlich weniger Anträge gestellt habe als andere Fraktionen.
Von Christian Schultz, dpa
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