GEW-Chef Klaus-Peter Hammer fordert mehr Unterstützung für Schülerinnen und Schüler aus strukturell benachteiligten Verhältnissen in Rheinland-Pfalz. «Auch 25 Jahre nach dem ersten Pisa-Schock ist es nicht gelungen, dieses Problem massiv anzugehen und Maßnahmen, die auch helfen, zu ergreifen», sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissen (GEW) der Deutschen Presse-Agentur in Mainz.
«Aus meiner Sicht brauchen die Schulen mehr Personal», erklärte Hammer. Dabei gehe es nicht nur um Lehrkräfte, sondern um multiprofessionelle Teams mit Schulsozialarbeitern, die die Schulen in ihrer Bildungsarbeit und auch die Kinder und Jugendlichen unterstützen. Dieses Problem anzugehen, sei aber auch eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Es müssten auch andere Akteure im sozialen Bereich eingebunden werden wie etwa die Kommunen, aber auch das Sozial-, Arbeits- und Familienministerium.
Der Gewerkschaftschef verwies auf die guten Erfahrungen und Ergebnisse mit dem Projekt «First Class» an der Grundschule Gräfenau in Ludwigshafen. «Darauf sollte man aufbauen.» Wenn die Lehrkräfte nicht alleine in der Klasse sind, sondern Unterstützung etwa von Lehramtsstudenten haben, sei das eine große Hilfe. «Es wäre sehr hilfreich, wenn zumindest phasenweise die Klassen doppelt besetzt werden mit Lehrkräften und anderem pädagogischen Personal.»
An der Grundschule in der zweitgrößten Stadt in Rheinland-Pfalz mussten 39 der 126 Erstklässler das Schuljahr wiederholen. Viele Kinder an dem Schulstandort sprechen noch wenig Deutsch oder kommen aus bildungsfernen Familien. Etliche der betroffenen Kinder waren nur kurz oder gar nicht in einem deutschen Kindergarten. Dazu hat die Gräfenauschule einen Schwerpunkt mit Inklusionskindern.
Als Konsequenz war vom Bildungsministerium gemeinsam mit der RPTU Landau das Projekt «First Class» gestartet worden, bei dem ab Schuljahresbeginn für sechs Wochen die Schulanfänger in der Ludwigshafener Schule von Studierenden gezielt gefördert und unterstützt wurden. In Fokus standen drei inhaltliche Schwerpunkte: die Förderung der Sprachkenntnisse, der mathematischen Grundkenntnisse sowie der feinmotorischen Fähigkeiten wie etwa das Stifthalten.
Das drängendste Problem in den Schulen sei jedoch der Fachkräftemangel, berichtete Hammer. Das gelte in Rheinland-Pfalz ganz besonders für die Grund- und Förderschulen, die Realschulen plus sowie Schwerpunktschulen. Die Landesregierung habe zwar Maßnahmen ergriffen, dass etwa künftig in Koblenz Förderschullehramt studiert werden kann. Bis zur fertigen Ausbildung der Pädagogen dauere es aber noch eine längere Zeit und das reiche alleine nicht aus: Die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer, die die bald in den Ruhestand gehen, sei groß. Dazu stiegen die Schülerzahler wieder an.
Der Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft forderte deshalb mehr Initiativen, um den Lehrerberuf und den Bildungsstandort Rheinland-Pfalz attraktiver zu machen. Dabei dürfe auch die Besoldung der Grundschullehrkräfte kein Tabuthema sein. In den Nachbarländern Hessen und Rheinland-Pfalz sei etwa eine Erhöhung der Besoldung beschlossen worden.
Auch die Vorsitzende des Philologenverbandes Rheinland-Pfalz, Cornelia Schwartz, forderte, der Lehrermangel und der Unterrichtsausfall müssten dringend bekämpft werden. Es gebe einen tatsächlich großen Änderungsbedarf am Kurs der Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz. Es müsse etwa eine gesunde Mischung in den Schulbüchern geben von reinen Übungsaufgaben zum Festigen und Automatisieren bis hin zu kreativen Aufgaben. Zudem sollte stärker als in den vergangenen Jahren auf ein gutes Fundament schon in der Grundschule und im Kindergarten geachtet werden. Der Philologenverband vertritt die Belange der Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer im Land.
Von Bernd Glebe, dpa
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