Freien Wähler stellen sich neu auf: Schwab Vorsitzender
Alles neu macht der Sommer - könnte man bei der Fraktion der Freien Wähler sagen. Zentrale Posten werden vergeben, bisher bekannte Gesichter verschwinden oder rücken in die hintere Reihe.
Alles neu macht der Sommer - könnte man bei der Fraktion der Freien Wähler sagen. Zentrale Posten werden vergeben, bisher bekannte Gesichter verschwinden oder rücken in die hintere Reihe.
Rund drei Jahre nach dem erstmaligen Einzug in den rheinland-pfälzischen Landtag stellt sich die Fraktion der Freien Wähler personell umfassend neu auf. Neuer Fraktionsvorsitzender wird der bisherige Vize Helge Schwab. Er folgt Mitte Juli auf Joachim Streit, der ins Europaparlament wechselt. Auch ein zweites bekanntes Gesicht der Freien Wähler rückt zumindest in der Fraktion in die hintere Reihe. Nachdem er am Freitag bei der Wahl des neuen Chefs den Kürzeren zog, räumt Stephan Wefelscheid Ende Juni seinen Posten als Parlamentarischer Geschäftsführer, ihm nachfolgen wird Lisa-Marie Jeckel.
Der Übergang an der Fraktionsspitze von Streit zu Schwab wird Mitte Juli über die Bühne gehen. Streit, der auch stellvertretender Bundesvorsitzender der Freien Wähler ist, legt am 15. Juli sein Mandat als Abgeordneter des rheinland-pfälzischen Parlaments nieder. Neuer Fraktions-Vize wird nach dem Aufrücken Schwabs an die Spitze Patrick Kunz. Als Abgeordneter in Mainz soll der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Birkenfeld, Bernhard Alscher, auf Streit folgen. Er werde angefragt, ob er das freiwerdende Landtagsmandat annehme, hieß es in einer Mitteilung der Fraktion.
Es rumorte in der Fraktion
Alschers Kreisverband Birkenfeld hatte Medienberichten zufolge Streit in einem Schreiben aufgefordert, sein Landtagsmandat in Mainz niederzulegen und auch den Fraktionsvorsitz abzugeben. Zwischenzeitlich war spekuliert worden, ob Streit beide Mandate - in Mainz und Brüssel - parallel ausüben will und zunächst auch an der Fraktionsspitze bleibt.
Streit sagte am Freitag, der Brief aus Birkenfeld habe nicht dazu beigetragen, die Stimmung ins Positive zu tragen. Einige hätten den Wunsch geäußert, dass er bis Januar weitermache, bis die Haushaltsverhandlungen im Land abgeschlossen seien. Ein Doppelmandat sei für ihn aber nicht infrage gekommen, auch wenn er für das rheinland-pfälzische Mandat kein Geld bekommen hätte. Gegen ein Doppelmandat spreche allein schon, dass viele Sitzungen beider Parlamente zeitlich aufeinander fielen.
Als großer Verlierer der Vorstandswahl in der Landtagsfraktion gilt Wefelscheid, der auch Landesvorsitzender der Freien Wähler ist. Er wollte Fraktionschef werden und galt lange Zeit als ausgemachter Nachfolger Streits im Fall seines Abgangs. Wefelscheid war neben Streit einer der zentralen Köpfe beim Aufbau der Fraktion, zudem machte sich der Koblenzer als umtriebiger Obmann im Untersuchungsausschuss zur Ahrtal-Flutkatastrophe einen Namen.
Blick zurück auf den Bundesparteitag in Bitburg
Zuletzt war aber auch von fraktionsinterner Kritik an seinem Umgangsstil zu hören gewesen. Für Aufsehen hatte beim Bundesparteitag der Freien Wähler im Februar in Bitburg gesorgt, dass außer Wefelscheid und Streit alle vier rheinland-pfälzischen Abgeordneten - also Schwab, Jeckel, Kunz sowie Herbert Drumm - gegen ein Kooperationsverbot mit der AfD stimmten. Insgesamt stieß das Kooperationsverbot seinerzeit auf eine Mehrheit von 92 Prozent der Freien Wähler.
Die vier Rheinland-Pfälzer hatten ihr Verhalten damals mit inhaltlichen Argumenten gegen den spezifischen Antrag erklärt, der aus dem Koblenzer Kreisverband von Wefelscheid kam. Einen ergänzenden Antrag, der die Zusammenarbeit mit extremen politischen Kräften im linken und rechten Spektrum ausschließen soll, unterstützten die Vier in Bitburg. Dieser Antrag kam aus dem Kreisverband Birkenfeld.
Zur Wahl des Parlamentarischen Geschäftsführers (PGF) trat Wefelscheid am Freitag nicht mehr an, noch am selben Tag packte er erste Aktenordner aus seinem PGF-Büro in Umzugskartons. Mitglied der Fraktion und Landesvorsitzender der Freien Wähler wird er aber bleiben.
Wefelscheid: «Hatte letztlich keine Mehrheit»
Wefelscheid sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Ich hatte letztlich keine Mehrheit in der Fraktion, was ich bedauere.» Auf den Landesvorsitz habe dies aber keinen Einfluss. Er sei Landesparteivorsitzender und bleibe das. Befreit von administrativen Funktionen eines Parlamentarischen Geschäftsführers habe er nun mehr Zeit für inhaltliche Arbeit.
Schwab nannte als zentrales Ziel in seinem neuen Amt den Wiedereinzug in den Landtag 2026. Angestrebt werden solle dann eine Regierungsbeteiligung, dass wolle er im Team mit den anderen Abgeordneten erreichen. Bis 2026 müsse die Fraktion zeigen, dass sie es auch ohne Streit könne. Es müsse eine «saubere und bodenständige Arbeit» abgeliefert werden.
Streit sagte mit Blick auf seinen Abgang aus Mainz und das Wahlergebnis, er sei guter Dinge. Schwab sei Offizier. «Er weiß, was Führung heißt.» Abseits der Fraktion brauche es jemanden, «der Partei kann». Das sei Wefelscheid. Mit Schwab komme ein Pfälzer in eine zentrale Position, das sei durchaus positiv. Bislang habe es mit ihm selbst und Wefelscheid eine Art «Nordschiene Bitburg-Koblenz» gegeben. Streit war früher Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm.
Die Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, sprach von einem neuen Gesicht der Fraktion der Freien Wähler und gratulierte Schwab und Jeckel. «Ich hoffe, dass sie die bisher in der Fraktionsspitze - insbesondere vom Parlamentarischen Geschäftsführer Stephan Wefelscheid - klar verkörperte Abgrenzung gegen den ganz rechten Rand beibehalten.» Das werde in der kommenden parlamentarischen Arbeit beobachtet.
Von Christian Schultz, dpa
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