Michael Ebling (SPD), Innenminister von Rheinland-Pfalz, spricht auf einer Pressekonferenz.
Andreas Arnold/dpa
Michael Ebling (SPD), Innenminister von Rheinland-Pfalz, spricht auf einer Pressekonferenz.
Innenminister

Ebling: Bedrohung durch Extremisten neue Qualität erreicht

Die Entwicklung im Rechtsextremismus und Islamismus macht den Sicherheitsbehörden die meisten Sorgen. Der Verfassungsschutz hat auch die AfD in Rheinland-Pfalz im Blick.

Innenminister Michael Ebling (SPD) warnt vor einer steigenden Gefährdung durch Rechtsextremismus und Islamismus sowie mehr Einflussnahme ausländischer Nachrichtendienste. Diese Bedrohung habe eine neue Qualität und Dynamik erreicht, sagte der Innenminister am Montag in Mainz bei der Vorstellung des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2023.

Rechtsextremismus und Islamismus seien sehr mobilisierungsfähig», erklärte Ebling. «Sie finden immer leichter Anschluss auch in Richtung nicht-extremistischer Milieus.» Diese Entwicklung sei besorgniserregend. «Denn das unversöhnliche Freund-Feind-Denken und ein äußerst gewaltbereiter Rand machen sie sehr gefährlich.» Regelmäßig schreckten diese Szenen selbst vor schweren Gewalttaten bis hin zu Tötungsdelikten und Anschlägen nicht zurück. Auch die Zahl der Personen, die der Verfassungsschutz den beiden Szenen im Land zuordne, weise eine steigende Tendenz auf.

Mehr Menschen im Blick des Verfassungsschutzes

Beim Rechtsextremismus belaufe sich die Zahl in Rheinland-Pfalz auf rund 770 Personen (2022: 750), von denen wie im Vorjahr 150 als gewaltorientiert eingestuft werden. Dem Islamismus werden nach Angaben des Innenministers 700 Personen zugeordnet nach 660 im Jahr zuvor, 65 davon gelten als gewaltorientiert.

Antisemitismus in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen, ein Verächtlichmachen des demokratischen Rechtsstaats und die Umdeutung der Geschichte seien die ideologischen Gemeinsamkeiten des rechtsextremistischen und des islamistischen Spektrums, erklärte Ebling. Beispiele seien die «Identitäre Bewegung Deutschland» und die im nördlichen Rheinland-Pfalz aktive «Revolte Rheinland» sowie die Gruppierung «Muslim Interaktiv».

«Sie sind jung, netzaffin, sendungsbewusst.» Für die komplexen Probleme der Gesellschaft böten sie vermeintlich einfache Lösungen. Doch hinter Begriffen wie «Remigration» oder «Kalifat» steckten keine demokratischen und praktikablen Konzepte, sondern ideologisch getriebene Allmachtsfantasien, mahnte der Innenminister.

Konkrete Gründe für gestiegene Bedrohung

Mit Blick auf die Gründe für die gestiegenen Bedrohungen bezeichnete Ebling den Terroranschlag der islamistischen Hamas auf Israel sowie die daraus folgende Eskalation des Nahost-Konflikts, den Überfall Russlands auf die Ukraine und die Corona-Pandemie als Zäsuren. Extremisten nutzten die Verunsicherung der Menschen aus und versuchten ihre menschenverachtenden Positionen verstärkt in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Desinformation und Verschwörungserzählungen hätten zugenommen.

Die AfD als Beobachtungsobjekt im Blick

Auch die AfD sei im Fokus des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes, sagte der Innenminister. Die Partei habe keinen gemäßigten Flügel mehr, die Radikalisierung nehme zu. Die AfD vernetze sich in hohem Maße mit Akteuren der «Neuen Rechten». In den vergangenen Jahren habe sich ein Netzwerk aus AfD-Parteimitgliedern, Mitgliedern der AfD-Jugendorganisation «Junge Alternative», Mitgliedern der «Identitären Bewegung», «neurechten» Thinktanks und Burschenschaften aus dem Dachverband «Deutsche Burschenschaft» gebildet. Diese Gruppen pflegten einen intensiven ideologischen und personellen Austausch.

Ebling und der Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im Innenministerium, Elmar May, verwiesen auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, nach dem die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz rechtens ist. Damit darf der Verfassungsschutz auch weiterhin nachrichtendienstliche Mittel zur Beobachtung der Partei einsetzen. Da der Landesverband Teil der Bundespartei sei, sei dieser auch in Rheinland-Pfalz ein Beobachtungsobjekt.

Mehr «Reichsbürger» und «Selbstverwalter»

Größer geworden sei auch das Spektrum der «Reichsbürger» und «Selbstverwalter», das Personenpotenzial sei von 950 auf 1050 im vergangenen Jahr gestiegen. Der größte Teil dieses Spektrums sei an keine bestimmte Organisation gebunden. Die Affinität zu Waffen innerhalb der Szene sei unverändert hoch, berichteten Ebling und May.

Nachrichtendienste aus Russland und China aktiv

Außer Extremisten agierten fremde staatliche Akteure und Nachrichtendienste auf unterschiedlichen Ebenen gegen die Demokratie und die innere Sicherheit Deutschlands. «Auch hier kann von einer neuen Qualität gesprochen werden», mahnte der Minister. Vor allem Russland versuche durch Cyberangriffe, Desinformation und Spionageaktivitäten das politische System des Landes zu destabilisieren und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger darin zu erschüttern.

Auch China entfaltet nach Angaben des SPD-Politikers intensive Ausspäh- und Einflussaktivitäten, die in den kommenden Jahren noch zunehmen dürften. Potenzielle Angriffsziele würden durch den Verfassungsschutz regelmäßig sensibilisiert und über Präventionsmaßnahmen informiert. Die Sicherheitskräfte müssten wachsam und auch technisch auf der Höhe sein.

GdP-Chefin für angemessene personelle und materielle Ausstattung der Polizei

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) macht sich wegen dieser Entwicklung weiterhin für eine angemessene personelle, finanzielle und materielle Ausstattung des Verfassungsschutzes und der Polizei stark. «Die Politik ist am Zug», betonte die rheinland-pfälzische GdP-Landesvorsitzende Steffi Loth. «Sie muss in die innere Sicherheit investieren.»

Brauchen starken Verfassungsschutz

Die Ergebnisse des Verfassungsschutzberichts zeigten die Bedeutung der deutschen Sicherheitsbehörden, betonte der CDU-Abgeordnete Marcus Klein. Diese müssten insgesamt gestärkt werden. Das gelte insbesondere auch für den Verfassungsschutz, sagte der Vize-Vorsitzende der parlamentarischen Kontrollkommission. Das Gremium kontrolliert die Landesregierung hinsichtlich der Tätigkeit der Verfassungsschutzbehörde.

Auch der Extremismus-Experte der SPD-Fraktion, Michael Hüttner, betonte die Bedeutung eines starken Verfassungsschutzes und einer starken Polizei für einen wehrhaften Rechtsstaat. Zum Schutz der Demokratie sei aber auch eine wache Gesellschaft nötig. «Präventionsarbeit und politische Bildung gewinnen daher immer mehr an Bedeutung, gerade mit Blick auf die auch durch die sozialen Medien gestiegene Reichweite extremistischer Positionen.»

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