Adi Guckelsberger vertritt bei «Mainz bleibt Mainz» in diesem Jahr den Sitzungspräsidenten Andreas Schmitt, seine Premiere fällt in beschwerte Zeiten.
Boris Roessler/dpa
Adi Guckelsberger vertritt bei «Mainz bleibt Mainz» in diesem Jahr den Sitzungspräsidenten Andreas Schmitt, seine Premiere fällt in beschwerte Zeiten.
Politische Rede und Kokolores

Dunkle Wolken kann man nicht überspielen

Bundestagswahl, politisch aufgeladene Stimmung, Ukraine-Krieg - die Welt ist gerade so gar nicht lustig. Wie gehen in Mainz Vertreter des Kokolores und der politisch-literarischen Fastnacht damit um?

Wenn Adi Guckelsberger zum ersten Mal als Sitzungspräsident der TV-Fastnacht «Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht» vorsteht, erfüllt sich für den 59-Jährigen ein Kindheitstraum. «Seit ich als Fünfjähriger die Fernsehsendung gesehen habe, wollte ich Sitzungspräsident werden», sagt der gelernte Schlossermeister und Versicherungsvertreter im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. 

Den in der aktuellen Kampagne erkrankten Sitzungspräsidenten Andreas Schmitt hat er 2024 schon mal während einiger Nummern vertreten. «Das ist aber was anderes, als jetzt eine ganze Sitzung zu leiten.» 

Guckelsbergers Premiere als Sitzungspräsident fällt in beschwerte Zeiten: Der Ukraine-Krieg oder die Anschläge von Magdeburg, Aschaffenburg und München sind einige Beispiele. Was heißt das für einen Fastnachter aus der ersten Reihe wie ihn?

«Gerade in so einer Zeit hat die Fastnacht den Mainzern immer wieder Kraft gegeben und war nicht wegzudenken», sagt Guckelsberger. Die Franzosen hätten die Mainzer nach dem Zweiten Weltkrieg auch ermuntert, wieder damit anzufangen. 

Lars Reichow findet die Politik an manchen Stellen gespenstisch

Als Anchorman der «Fastnachtsthemen» war der Kabarettist, Komponist und Sänger Lars Reichow schon häufiger bei «Mainz bleibt Mainz» zu sehen. Der 60-jährige gebürtige Mainzer sagt der dpa: «Ich möchte immer heiter sein und hoffnungsvoll. Aber die dunklen Wolken, die da politisch am Himmel hängen, kann man nicht überspielen.» Reichow steht für die literarisch-politische Fastnacht, Guckelsberger für Kokolores. 

Die Politik sei derzeit geradezu gespenstisch an manchen Stellen, sagt Reichow. «Was soll ich denn über Alice Weidel sagen? Sie liefert keine Pointen, sie liefert Dystopien.» Die AfD lebe von den Fehlern der Demokratie. Vor dem Hintergrund wolle er nicht irgendwann in Rente gehen und dann sagen müssen: Ich habe mich mein Leben lang über alles lustig gemacht, aber nie eine Haltung eingenommen. «Nur wenn man aufsteht und anfängt, zu handeln und zu helfen, dann vergeht das Gefühl der Ohnmacht und der Hoffnungslosigkeit.»

Guckelsberger betont: «Ich brauche die Ruhe, damit ich Freude ausstrahlen kann.» Dafür brauche er vorher Zeit und Muße. «Ich hab‘ nicht gern Stress.» Lieber legt er sich vor der Sitzung noch mal hin und trainiert dann mit einem Korken seine Stimme. 

Authentizität und Spontanität sind für den Fastnachter das A und O. «Wenn ich die Politiker im Saal begrüße, sage ich was Lustiges, wenn mir dann was einfällt.» Sonst eben nicht. So geht er auch in seine Kundengespräche als Versicherungsvertreter. 

«Die Fassenacht muss sauber bleiben»

Sitzungspräsident ist Guckelsberger schon seit 33 Jahren, davon acht Jahre beim Mainzer Carneval-Verein (MCV). Aus «Mainz bleibt Mainz» ist er vor allem in der Rolle des Nachtwächters bekannt, die ihm zunächst gar nicht gefiel. Er habe überzeugt werden müssen, erzählt er. Sein erster närrischer Vortrag als Hobbygärtner Erdbeer liege mehr als 40 Jahre zurück. Heute rollten sich ihm dabei die Fußnägel auf. 

Und wie steht es mit zotigen Herrenwitzen im Jahr 2024? «Die gehören in die Herrensitzung», sagt Guckelsberger. Aber inzwischen werde das viel kritischer und strenger gesehen. Viele jüngere Zuschauer verstünden das Zweideutige an diesen Scherzen gar nicht mehr. Außerdem gelte die Regel: «Die Fassenacht muss sauber bleiben.»

Reichow: Viele interessieren sich wenig für politische Hintergründe

Reichow beobachtet nach eigener Aussage, dass sich viele Menschen erstaunlich wenig für politische Hintergründe interessieren. Wenn Trump für den Gazastreifen eine Riviera des Nahen Ostens ankündige, kümmere das manche nicht. Die sagten, das sei ohnehin alles Wüste. «Oder die Ukraine? Jetzt lasst die doch den Russen.» Nicht alle Menschen seien heiß auf Nachrichten. «Die haben alle ihre Leben und die sagen sich: "Ich muss jetzt dies Fenster dicht kriegen" - das sind ganz banale Dinge.» 

Ob in der Fastnacht oder auf anderen Bühnen, Reichow will mit seinen Auftritten Haltung zeigen und Hoffnung machen - etwas Medizin bieten in schwierigen Zeiten, wie er sagt. Den Besuchern solle es anschließend besser gehen, sie sollten sich gleich ein nächstes Ticket für einen anderen Künstler holen. 

«Ich kann mit meinen Auftritten die Welt nicht verändern, aber ich kann sie für einen Moment aufhellen und denjenigen, mit denen ich einer Meinung bin, zeigen, dass wir das Herz an der richtigen Stelle sitzen und den Kopf klar haben», sagt Reichow. «Eine Partei, die Lügen und Hass verbreitet, gehört nicht in unsere Gesellschaft. Wir haben etwas Besseres verdient.»

Von Ira Schaible, Christian Schultz (Text), Boris Roessler und Arne Dedert (Fotos), dpa
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