Die DGB-Chefin kämpft für mehr Tariftreue von Betrieben. Dass nur noch rund die Hälfte aller Beschäftigten in Rheinland-Pfalz unter dem Schutz eines Tarifvertrags steht, findet die Gewerkschafterin dramatisch.
Sebastian Gollnow/dpa
Die DGB-Chefin kämpft für mehr Tariftreue von Betrieben. Dass nur noch rund die Hälfte aller Beschäftigten in Rheinland-Pfalz unter dem Schutz eines Tarifvertrags steht, findet die Gewerkschafterin dramatisch.
Arbeitsmarkt

DGB-Chefin warnt Unternehmen vor zunehmender Tarifflucht

Eine Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden ohne Tarifbindung - das dürfte es nach Meinung von DGB-Chefin Wingertszahn nicht geben.

Der DGB fordert mehr Tariftreue von den Betrieben in Rheinland-Pfalz. «Die Tarifbindung sinkt seit Jahren, auch weil sich Arbeitgeber aus der Verantwortung stehlen», sagte die Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Susanne Wingertszahn, der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. 

«Heute arbeitet nur noch rund die Hälfte aller Beschäftigten in Rheinland-Pfalz unter dem Schutz eines Tarifvertrags.» Anfang der 2000er-Jahre seien es noch über 70 Prozent gewesen. «Diese Entwicklung ist dramatisch», mahnte die Gewerkschafterin. Nur noch jeder dritte Betrieb in Rheinland-Pfalz sei tarifgebunden. Im Jahr 2000 seien es noch mehr als die Hälfte gewesen. 

«Sozialpartnerschaft ist ein hohes Gut»

Ein Problem seien auch Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden ohne Tarifbindung. Es sei der zentrale Sinn und Zweck von Arbeitgeberverbänden, Tarifverträge abzuschließen. «Mit diesen unechten Mitgliedschaften schwächen Arbeitgeberverbände sich selbst und ermöglichen Rosinenpickerei, die am Ende allen schadet», kritisierte Wingertszahn. «Sozialpartnerschaft ist ein hohes Gut. Die Verbände der Arbeitgeber sollten das nicht aufs Spiel setzen, indem sie sich selbst zum Lobbyverein degradieren.»

Die Politik müsse mehr tun, um das Tarifsystem zu stabilisieren, forderte die DGB-Vorsitzende. Dazu habe sie auch auf der Landesebene viele Möglichkeiten. «Wir brauchen echte Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen und bei der Vergabe von Fördergeldern», sagte die Gewerkschafterin. «Öffentliche Aufträge dürfen nicht an Firmen gehen, die nur Mindestlohn zahlen und die schlechtesten Arbeitsbedingungen anbieten, weil es so am billigsten ist.» Mitgliedschaften ohne Tarifbindung in Arbeitgeberverbänden sollten abgeschafft werden.

20 Prozent mehr Verdienst mit Tarifvertrag

Beschäftigte ohne Tarifvertrag hätten geringere Gehälter, erklärte die DGB-Chefin. In der gleichen Branche und bei gleicher Tätigkeit verdienten tarifgebundene Beschäftigte in Rheinland-Pfalz nach neuesten Auswertungen rund 20 Prozent mehr als nicht-tarifgebundene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Im Durchschnitt seien das fast 700 Euro im Monat.

Durch Tarifflucht und Lohndumping entgingen den Sozialversicherungen in Rheinland-Pfalz jährlich rund 2,1 Milliarden Euro, teilte Wingertszahn mit. Die öffentliche Hand nehme aus demselben Grund rund 1,3 Milliarden Euro weniger Einkommensteuer in Rheinland-Pfalz ein. Die mangelnde Tarifbindung wirke sich auch unmittelbar auf die Kaufkraft der arbeitenden Bevölkerung aus. Mit einer flächendeckenden Tarifbindung hätten die Beschäftigten im Land rund 2,9 Milliarden Euro mehr pro Jahr im Portemonnaie. Das wäre ein gewaltiger Schub für die Binnennachfrage.

DGB plant Aktionen für mehr Tarifbindung

Die Landeschefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes kündigte an, den Druck für mehr Tarifbindung weiter hochzuhalten. Das werde unter anderem mit Aktionen im Rahmen der bundesweiten DGB-Kampagne für eine Tarifwende geschehen.

© dpa-infocom, dpa:240817-930-205486/1
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