Rund ein halbes Jahr nachdem das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung in Kraft getreten ist, hat die Justiz fast alle «Altfälle» abgearbeitet. Ziel war es, jene Verfahren ausfindig zu machen, bei denen Haft- oder Geldstrafen wegen Cannabis-Delikten, die nach dem neuen Gesetz nicht mehr strafbar sind, teilweise zu erlassen. Seit dem 1. April dieses Jahres ist es Erwachsenen über 18 Jahren unter anderem erlaubt, bis zu 25 Gramm getrocknetes Cannabis mit sich zu führen.
«Zu den 21.000 Verfahren, die wir überprüft haben, zählten 494, bei denen es kraft Gesetz bereits zu einem Straferlass gekommen ist», sagte Justiz-Staatssekretär Jens Diener (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Dabei habe es sich «weit, weit überwiegend» um Geldstrafen gehandelt. Dies sei laut Diener «auch nicht verwunderlich», weil die Straffreiheit einen Bereich betreffe, «in dem man unter normalen Voraussetzungen nicht direkt eine Freiheitsstrafe bekommen hätte».
Strafen wurden neu festgesetzt
Darunter gebe es jedoch auch 334 Verfahren, bei denen eine Neu-Festsetzung der Strafe erforderlich sei. Dies hänge damit zusammen, dass bei mehreren Delikten Gesamtstrafen gebildet werden. Sprich: Für jede Straftat werden Einzelstrafen festgesetzt, die am Ende nicht zu einer Gesamtstrafe addiert würden, sondern eine «maßvolle Erhöhung» der höchsten Strafe bedeute. Fällt jedoch eine Strafe weg, weil eine Verurteilung wegen Cannabis nicht mehr rechtens sei, müsse die Strafe nun entsprechend geringer ausfallen. Sie werde jedoch - wie umgekehrt - nicht automatisch abgezogen, sondern müsse vom Gericht neu festgesetzt werden.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden zwei Erwachsene aus der Haft entlassen, weil sich die Strafe verkürzt habe. Bei einer «einstelligen Zahl von Erwachsenen» sei zwar eine entsprechende Strafe entfallen, zur Vollstreckung anderer Strafen hätten diese jedoch in Haft bleiben müssen.
Wenige Monate nach dem Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes zog der Staatssekretär jedoch ein positives Fazit: «Obwohl es so kurzfristig war, kann man unterm Strich sagen, dass wir die Problematik ganz gut in den Griff bekommen haben.» Verantwortlich dafür sei gewesen, dass man sich sehr früh - bereits Ende des vergangenen Jahres - über die Umsetzung Gedanken gemacht habe. «Wir mussten quasi im Vorgriff auf ein Gesetz, von dem wir gar nicht genau wussten, wie es im Einzelnen aussieht, schon Vorarbeiten leisten.» Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken habe frühzeitig ein Konzept entwickelt und damit den Grundstein für die konsequente Bearbeitung der Fälle gelegt.
Eine Staatsanwältin sei mehrere Monate freigestellt worden, um die Akten «händisch» zu überprüfen. Dies habe sich jedoch - trotz der Mehrbelastung für die Kollegen, die andere Verfahren von ihr übernehmen mussten - gelohnt. Diener: «Hätten wir bis zum Erlass gewartet und erst mit der Verabschiedung des Gesetzes angefangen, uns Gedanken zu machen, dann wären wir jetzt noch nicht fertig mit der Durchsicht.»
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